15. Juli 2017

Dr. Stelzl: Ansteckende Hysterie

Zwei Mal im Jahr gibt es ein paar Wochen, in denen es scheint, dass die ganze Welt spinnt. Einmal im Dezember, das nennt sich dann „Advent“ oder „die stillste Zeit“ im Jahr. Und heißt eigentlich, dass alle aus dem Häuschen und hektisch sind, zu viel gefressen und dazu getrunken haben und entweder kurz davor sind durchzudrehen oder ihren Nächsten zu erschlagen. Im Allgemeinen schaffen wir es, uns dem kollektiven Wahnsinn durch eine Auszeit in den Kitzbühler Bergen zu entziehen. Dort gehen die Uhren nämlich anders. Dort kommt zu Weihnachten noch das Christkind, aber erst danach der Irrsinn. Irgendwie kann man das ja im Dezember noch verstehen. Jahresabschlüsse müssen gemacht werden und Feiertage warten. Aber wieso im Juni?

Im Juli beginnt kein neues Jahr, die City ist nicht von einer Minute zur anderen plötzlich eine leere Geisterstadt und die Supermärkte und Geschäfte haben nicht tragischerweise für achtundvierzig Stunden geschlossen, sodass akutes Verhungern droht. Trotzdem fange ich langsam an, den Juni zu hassen. Auch wenn ich selbst nicht mit den Kindern von einer Schulaufführung zum nächsten Sommerfest hetzen muss und unser Urlaub noch in weiter Ferne liegt. Trotzdem steckt mich die kollektive Hysterie langsam an. Alle sind gereizt, niemand hat Zeit und jeder will alles sofort oder besser gestern oder dekompensiert am besten gleich. Und natürlich ist das ansteckend. Ich merke, dass ich nervös bin, beim geringsten Anlass am liebsten explodieren würde und wegen jeder Kleinigkeit mit dem Liebsten streite.

Um den Inhalt zu sehen, müssen Sie sich einloggen oder registrieren.
Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune