17. Nov. 2017

Dr. Stelzl: Das therapeutische Selbsthilfe-Essen

Zumindest einmal im Monat treffe ich mich mit meiner Freundin und Kollegin N. beim Chinesen. Wir haben diesen Treffen einen Namen gegeben. Es sind unsere therapeutischen Selbsthilfe-Essen. N. ist Psychiaterin und bei diesen dringend notwendigen Zusammentreffen kotzen wir uns den Kassenärztefrust von der Seele und schaufeln mit klappernden Stäbchen chinesische Köstlichkeiten in uns hinein. N. hat mir bisher als therapeutische Vorgabe auch immer eine dieser wunderbaren Nachspeisen mit gebackenen Früchten und extragroßen Kugeln Vanilleeis empfohlen. Reines Glückshormon, sozusagen.

Natürlich werde ich davon fett werden. Aber andererseits nehmen die meisten Patienten von den SSRIs auch zu. Und ich halte mich derweil noch lieber an chinesisches Glücksfutter. Obwohl – manchmal überlege ich mir, ob mich gebackene Früchte oder flambiertes Eis durch den ganz normalen Praxiswahnsinn durchtragen können oder ob mir nicht trotzdem eines Tages die Puste ausgehen wird. Immer dann, wenn bei aller Liebe zur Arbeit (und diese Liebe ist immer noch eine große) der Tag nicht mehr ohne Kopfwehtabletten zu schaffen ist und ich in der Nacht vor lauter Erschöpfung nicht mehr schlafen kann, frage ich mich, wie ich da reingeraten konnte, wo ich jetzt bin.

Um den Inhalt zu sehen, müssen Sie sich einloggen oder registrieren.
Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune