Einfach ein Mensch bleiben?

Es ist schon etwas länger her – aber unvergessen. Mitten in der heurigen Grippewelle kam eine meiner Stammkundinnen zu mir. Sie sah erbärmlich aus im Gegensatz zu ihrer sonst sehr gepflegten Erscheinung. Sie hatte einige Kilos abgenommen, was ihr gar nicht gut zu Gesicht stand. Aber da war auch ein verkniffener Zug um den Mund, den ich bisher noch nie an ihr bemerkt hatte. „Uns hat es heuer voll erwischt, meinen Mann und mich“, erzählte sie freimütig. „So eine arge Grippe hab ich in meinem ganzen Leben noch nie gehabt. Und ich sag Ihnen was: Das sind diese Menschen aus dem Osten, die da in Scharen zu uns über die Grenze gekommen sind. Die haben uns das eingeschleppt!“

Verschwörungstheorien. Ich wusste nicht, ob ich lachen oder mich ärgern sollte. Ich entschied mich, sachlich zu bleiben. „Aber liebe Frau K.“, entgegnete ich, „die Influenza kommt jedes Jahr zu uns, so oder so. Das hat überhaupt gar nichts mit den Flüchtlingen zu tun!“ „Meinen Sie wirklich?“ fragte sie mich skeptisch. Und weil ich weiß, dass sie auf meine Meinung immer großen Wert legt, bekräftigte ich das, nicht ohne ein bisschen schockiert zu sein über so viel Verschwörungstheorie, die immer wieder Menschen beängstigt.

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