28. Okt. 2019

HIV: INSTI nicht so sicher wie gedacht

Geht es um langfristige HIV-Therapien, greifen Mediziner oft auf Integrase-Inhibitoren (INSTI) zurück, Medikamente, die nicht nur gut verträglich sind, sondern auch gut wirken. Sie gehören zu den weltweit am häufigsten verschriebenen Substanzklassen gegen HIV. Doch ein Team von Forschern aus Essen hat nun gezeigt, dass die bereits zugelassenen Integrasehemmer potenziell Langzeitnebenwirkungen haben können.

Methoden. In der Studie wurden die Auswirkungen antiretroviraler Therapien auf die zellulare und metabolische Aktivität bei zuvor unbehandelten HIV-Infizierten untersucht.

Ergebnisse. Die Forscher fanden heraus, dass INSTI einen starken Effekt auf die Aktivität von Immunzellen haben und insbesondere die Aktivität und Funktion von CD4-T-Helferzellen reduzieren. Da das HI-Virus selbst CD4-Helferzellen angreift und zerstört, wirft die durchgeführte Studie Bedenken auf, ob diese Medikamentenklasse die beste Wahl zur dauerhaften Therapie von HIV ist. Die beschriebenen Wirkungen konnten nicht bei anderen HIV-Medikamenten wie Protease-Inhibitoren (PI), Inhibitoren der reversen Transkriptase (NRTI) oder anderen Wirkstoffkombinationen nachgewiesen werden. Unterschiede gibt es auch zwischen den einzelnen INSTI-Präparaten: Während Elvitegravir (EVG) und Dolutegravir (DTG) einen signifikanten Einfluss auf die Zellfunktion hatten, zeigte Raltegravir (RTG) keinerlei Effekt.

Um die Ursache für die verminderte Funktion, das Wachstum und die Zellteilung von CD4-T-Zellen besser zu verstehen, untersuchten die Forscher einen möglichen Einfluss der Wirkstoffe auf die Mitochondrien, jene wichtigen Zellorganellen, die die Energie für jegliche Zellfunktionen liefern. In der Tat störten INSTI die Elektronentransportkette der Mitochondrien und beeinträchtigten deren Atmungskapazität, wodurch insgesamt die Zellaktivität verlangsamt wurde. Der Einfluss von DTG und EVG auf die Zellfunktionen sei höchstwahrscheinlich systemisch; allerdings sind CD4-T-Zellen metabolisch sehr aktiv, und daher können in diesen Zellen solche Effekte leichter entdeckt werden, so die Autoren.

Fazit. Die neuen Labordaten legen nahe, dass INSTI möglicherweise nicht so sicher sind wie bisher angenommen. Die Autoren der Studie betonen, dass INSTI eine großartige Medikamentenklasse sind, die weltweit bereits Millionen von Menschen geholfen hat. Die Studie fordere jedoch eine erhöhte Pharmakovigilanz für eine potenziell schwerwiegende Langzeittoxizität einzelner Vertreter dieser Substanzklasse. Unabhängig von dieser Studie wurde DTG schon in den letzten Monaten mit möglichen Nebenwirkungen in Verbindung gebracht. Im Jahr 2018 warnten die Arzneimittelaufsichtsbehörden vor möglichen Schäden für Babys von Frauen, die DTG in der Frühschwangerschaft eingenommen hatten. Vorläufige Ergebnisse der Tsepamo-Studie in Botswana zeigten ein leicht erhöhtes Risiko für Neuralrohrdefekte.

Korencak M et al.: Effect of HIV infection and antiretroviral therapy on immune cellular functions. J of Clin Invest Insight 2019; 4(12): e126675; doi: 10.1172/jci.insight.126675

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin CliniCum pneumo