21. Sep. 2019Gesundheit digital

Wenn die App den Notarzt ruft

Die fortschreitende Digitalisierung durchdringt unser Leben und ist auch aus dem Gesundheitsbereich längst nicht mehr wegzudenken. Das wachsende Informationsangebot erschwert es allerdings, den Überblick zu behalten und relevante Informationen herauszufiltern. Die 5. Konferenz der Österreichischen Plattform Gesundheitskompetenz (ÖPGK) widmet sich der Frage, wie digitale Tools die Gesundheitskompetenz stärken können.

Das Internet macht’s möglich: Vor allem junge Menschen wenden sich heute bei Fragen zu allererst an ihr Smartphone – auch, wenn es um die eigene Gesundheit geht. Ein paar Suchbegriffe in Google hier, wenige schnelle Klicks dort und schon hat man eine Diagnose. Dabei ist es um die Gesundheitskompetenz der Österreicher schlecht bestellt: Laut einer Studie tun sich 56 Prozent der Bevölkerung nicht nur schwer damit, Gesundheitsinformationen zu beurteilen und anzuwenden, sondern haben auch kein Gefühl dafür, die richtigen überhaupt zu finden.1 „Der rasante technologische Fortschritt bietet zweifelsfrei große Chancen, gleichzeitig erzeugt der nahezu explodierende Informationszuwachs aber auch ein neues Level an Komplexität“, erklärt Dr. Christina Dietscher, Vorsitzende der ÖPGK anlässlich der 5. Konferenz der Österreichischen Plattform Gesundheitskompetenz (ÖPGK), die mit dem Titel „Digitalisierung braucht Gesundheitskompetenz“ in Kooperation mit der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse (NÖGKK), dem NÖ Gesundheits- und Sozialfonds (NÖGUS) und dem Fonds Gesundes Österreich (FGÖ) am 19. September 2019 in St. Pölten stattfand. Gesundheitskompetenz müsse daher als unerlässliche Kernkompetenz im Zeitalter der Digitalisierung begriffen und ausgebaut werden. In diesem Sinne wolle man auch den jährlichen „Health Literacy Month“ (HLM) im Oktober dieses Mal zur Bewusstseinsschaffung nutzen und hat bereits die Initiative „3 Fragen für meine Gesundheit“ ins Leben gerufen, die Bürgern die Wichtigkeit der richtigen Fragestellung in einem Arztgespräch näherbringt.

Von Gesundheits-Hotline bis Zahnputz-App

Wie digitale Tools genutzt werden können, um das Urteilsvermögen der Menschen insbesondere im Hinblick auf die gesundheitliche Prävention und Vorsorge zu stärken, das zeigen einige laufende Best-Practice-Beispiele in Niederösterreich auf, die im Rahmen der ÖPGK-Konferenz von vorgestellt wurden. Die kostenlose Gesundheits-Hotline 1450 etwa wurde nach dänischem, britischen und Schweizer Vorbild eingerichtet, dabei erreichen Patienten rund um die Uhr geschultes diplomiertes Krankenpflegepersonal, die bei Schmerzen mit Rat und weiterführenden Empfehlungen zur Seite stehen. Seit dem Launch im April 2017 sind 74.800 Anrufe eingegangen, mittlerweile gibt es die Hotline auch im Burgenland und in Kärnten, wie Landesrat und NÖGUS-Vorsitzender Dr. Martin Eichtinger verkündet. Innovativ und möglicherweise lebensrettend ist außerdem die Notruf APP des niederösterreichischen Notrufs, die inzwischen für Nutzer aus ganz Österreich sowie in Tschechien und der Slowakei nutzbar ist – bis Ende des Jahres soll um das ungarische Netz erweitert werden, eine Version für Gehörlose gibt es außerdem. Mit einem einzelnen Knopfdruck wird der Standort – auch in entlegenen Gebieten Österreichs – geortet, die Rettung geschickt sowie Angehörige verständigt. Eichtinger hat die Zahlen: Von insgesamt 21.600 registrierten Usern haben bisher 550 Notfallsignale über die App gesendet. Auch die E-Medikation, mittels der Patienten gesicherte Informationen erhalten und beispielsweise Doppelverschreibungen verhindert werden können, nimmt Formen an: Neun von zehn Apotheken und Ärzten nutzen den Dienst bereits. 2020 startet außerdem in Niederösterreich, Steiermark und Wien die Pilotphase des e-Impfpasses, der Patienten und Medizinern über die ELGA-Gesundheitsakte einen kompletten Überblick zum Impfstatus sowie Erinnerungen an Auffrischungen bieten soll.

Die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse (NÖGKK) ist neben klassischen „offline“-Service-Centern für die Nicht-Digital Natives ebenfalls um die Förderung der österreichischen Gesundheitskompetenz im digitalen Zeitalter in bemüht. Neben der Rauchfrei-App und dem Rauchfrei-Telefon sowie einer Zahnputz-App für Kinder können Versicherte zum Beispiel über die transparente Online-Plattform MeineSV einfach elektronisch unter anderem Wahlarztrechnungen einreichen oder ihre allgemeinen Gesundheitsdaten einsehen. „Und ist es wichtig, dass die Anspruchsberechtigten unser Sozialsystem nicht nur gut kennen, sondern auch langfristig davon profitieren“, so die stellvertretende Generaldirektorin der NÖGKK, Mag. Petra Zuser. Ziel sei es, mit dem Stärken der Gesundheitskompetenz den Einzelnen zum mündigen Manager seiner eigenen Gesundheit zu machen.

„Die Bevölkerung überall abholen“

Bei allen Vorteilen müsse man, so Dietscher vom ÖGKP, berücksichtigen, dass der technologische Wandel nicht nur wegen des erschwerten Filterns der Fülle an Informationen eine Herausforderung darstellen kann, sondern etwa auch für ältere Menschen, die mit digitalen Neuheiten oft überfordert sind. Die NÖGUS-Initiative „Tut gut“ hakt hier ein: Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, erklärt Eichtinger, die Bevölkerung „überall abzuholen“ und ein nachhaltiges Bewusstsein für Gesundheitskompetenz nicht nur in Unternehmen und Schulen, sondern auch auf Gemeindeebene zu schaffen.

Über die ÖPGK

Bund, Länder und Sozialversicherung setzen sich in der Österreichischen Plattform Gesundheitskompetenz (ÖPGK) gemeinsam mit Partnern aus anderen Bereichen aus Politik und Praxis für mehr Gesundheitskompetenz in Österreich ein. Die Initiative zur ÖPGK entstand 2013 im Zuge der Festlegung der nationalen Gesundheitsziele und der Gesundheitsreform für die Jahre 2017-2021. Die Einrichtung der ÖPGK wurde Ende 2014 von der Bundesgesundheitskommission (BGK) beschlossen. Seit Herbst 2015 ist die ÖPGK operativ tätig. Ihre Koordinationsstelle ist im Fonds Gesundes Österreich (FGÖ) angesiedelt und ist Drehscheibe und Wissenszentrum für Experten, die Maßnahmen zur Steigerung der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung planen oder durchführen. Weitere Informationen: https://oepgk.at/

Über “Tut gut!”

Im Rahmen der Initiative “Tut gut!” setzt sich der niederösterreichische Gesundheits- und Sozialfonds (NÖGUS) für eine stärkere Gesundheitskompetenz der Bevölkerung ein, indem er das Thema gesundheitliche Vorsorge in alle wichtigen Lebensbereiche bringt. Er bietet Projekte und Programme zur Förderung der gesundheitlichen Eigenverantwortung in niederösterreichischen Schulen, Kindergärten, Gemeinden und Betrieben bzw. im Landesklinikum an und stellt außerdem zielgruppengerecht aufbereitete wissenschaftlich gesicherte und aktuelle Gesundheitsinformationen zur Verfügung.

Im Rahmen der Initiative “3 Fragen für meine Gesundheit” zur Verbesserung der Kommunikation zwischen Bürgern und Gesundheitsfachkräften stellt die ÖPGK aufbereitete Materialien zur Verfügung. Diese können kostenlos über die Webseite http://oepgk.at abgerufen und sofort eingesetzt werden.

1 Sørensen K et al. Health literacy in Europe: comparative results of the European health literacy survey (HLS-EU). Eur J Public Health. 2015 Dec; 25(6): 1053–8. doi: 10.1093/eurpub/ckv043.

Quelle

Pressekonferenz im Vorfeld der 5. Konferenz der Österreichischen Plattform Gesundheitskompetenz (ÖPGK) zum Thema  „Digitalisierung braucht Gesundheitskompetenz“
19. September 2019, St. Pölten