3. Okt. 2018Wirtschaft

Cannabis-Aktien auf All-Time-High

Cannabis
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Immer mehr Länder geben Cannabis zumindest für medizinische Zwecke frei, Kanada legalisiert den Konsum gar vollständig. Die Folge: Das Geschäft floriert und die Aktien der Hersteller erleben einen Höhenrausch. (Medical Tribune 40/18)

Der Trend ist eindeutig: Immer mehr Länder lockern ihre gesetzlichen Bestimmungen in Sachen Cannabis. Vielerorts, etwa in einigen US-Bundesstaaten, wurde das Rauschmittel sogar schon gänzlich legalisiert. Prompt herrscht in der Branche eine Art Goldgräberstimmung. „Das ist eine faszinierende Zeit für diese Branche, weil man ja praktisch aus dem Verbot kommt. Solche Gelegenheiten gibt es nicht oft“, zeigt sich etwa der Londoner Fondsmanager Felix Wintle von Tyndall Investment Management sichtlich angetan. Etwa rund drei Prozent seines Portfolios bestehen derzeit bereits aus sogenannten „Pot-Aktien“.

Kanadische Offensive

Und zuletzt ist er damit mehr als gut gefahren. Aktien wie Canopy Growth Corporation (CGC), Aurora Cannabis und Tilray haben eine atemberaubende Rallye hingelegt, sich im Kurs in kürzester Zeit vervielfacht. „In dieser Branche kann man in ein paar Monaten so viel verdienen wie in anderen Sektoren in zwei Jahren“, sagte ein anderer begeisterter Investor gegenüber kanadischen Zeitungen. Deren Land trägt wesentlich zum aktuellen Boom der Branche bei: Kanada steht unmittelbar vor der Liberalisierung von Cannabis – als erste westliche Industrienation. Vor fünf Jahren hatte Uruguay den Konsum von Haschisch freigegeben. In den USA ist dieser in neun Bundesstaaten erlaubt, darunter Kalifornien. Am 17. Oktober beginnt nun der legale Verkauf von Cannabis in Kanada. Das Geschäft blüht entsprechend auf, der Umsatz der Produzenten wächst kräftig. Bereits jetzt ist Cannabis ein Milliardenmarkt.

Allein der US-Markt wird auf um die zehn Milliarden Dollar Umsatzvolumen geschätzt. Schon 2021 sehen ihn Analysten bei 24 Milliarden Dollar. Jährliche Wachstumsraten von 40 Prozent und mehr erscheinen also realistisch. Das wiederum weckt Begehrlichkeiten, die die Aktienkurse zusätzlich befeuern: Das Übernahmekarussell nimmt Fahrt auf. Wobei vor allem Getränkehersteller auf den Geschmack kommen und neue Wachstumsfantasien entwickeln: Der weltgrößte Spirituosen-Anbieter, Diageo (u.a. Johnnie Walker), verhandelt dem Vernehmen nach mit mehreren Cannabis-Produzenten in Kanada über eine Beteiligung. Entsprechende Medienberichte reichten aus, um den Kurs der Aktie von Tilray an nur einem Tag um teilweise mehr als 20 Prozent nach oben zu treiben. Innerhalb nur eines Monats hat die Aktie 350 (!) Prozent zugelegt, Canopy hat ebenfalls beeindruckende 91 Prozent an Wert gewonnen. Canopy ist bereits ein Joint Venture mit Constellation Brands eingegangen, dem Hersteller von Corona Bier. „Im Laufe des vergangenen Jahres sind wir dazu gekommen, den Cannabis-Markt und sein gewaltiges Potenzial besser zu verstehen“, sagte Rob Sands, der Vorstandschef des Spirituosen-Riesen.

US-Brauereien suchen nach alkoholfreien Alternativen und hoffen auf neue Wachstumsimpulse. Auch der Brauereikonzern Molson Coors hat bereits angekündigt, im Cannabis-Geschäft mitmischen zu wollen. Und jetzt dürfte sogar Coca-Cola auf den Plan treten: Der weltgrößte Getränke-Hersteller führt laut dem kanadischen Nachrichtendienst BNN Bloomberg Gespräche mit Aurora Cannabis. Demnach will Coca-Cola gemeinsam mit dem Cannabisproduzenten Getränke mit dem Marihuana-Wirkstoff Cannabidiol (CBD) entwickeln, also ohne „Rausch-Effekt“. Bei all diesen aufregenden Neuigkeiten kommen auch immer mehr Investoren auf den Geschmack. Anfangs waren Pot-Aktien eher etwas für Kleinanleger und hier wiederum Menschen aus Nordamerika. Jetzt berichten Börsianer von zunehmendem Interesse größerer Investoren, insbesondere in Europa. In Dänemark, wo der medizinische Einsatz von Cannabis seit Jahersanfang legal ist, will mit der Firma StenoCare erstmals in Europa ein auf Cannabis-Öl spezialisiertes Unternehmen an die Börse gehen.

„Hasch-Index“ hebt ab

Freilich sind die Aktien der Branche nichts für Anleger mit schwachen Nerven, so gesehen könnten sie das Produkt ihrer Investments gleich selbst konsumieren. Denn die Kursbewegungen sind extrem. Über einen Index, indem man etwa einen ETF (exchange-traded fund, also einen börsengehandelten Fonds) kauft, bekommt man etwas Risikostreuung. Wobei selbst dann die Schwankungen hoch sind: Der amerikanische Marihuana-Index hat sich innerhalb von drei Monaten schon mal eben so im Wert verdreifacht (etwa Ende 2017), im Frühjahr 2018 dann aber auch die Hälfte seines Wertes wieder verloren. Der längerfristige Trend des North American Marijuana Index ist dennoch beeindruckend und weist steil nach oben (siehe Chart).

Österreich: Bericht zu Medizinalhanf bis Ende 2018

Der Gesundheitsausschuss hat das Sozialministerium beauftragt, Vor- und Nachteile aufzuzeigen.

In Österreich müssen sich die neuen Goldschürfer noch länger gedulden. Die völlige Legalisierung von Cannabis ist mit der VP/FP-Regierung in weite Ferne gerückt. Zudem hat der Gesundheitsausschuss des Nationalrates vor der Sommerpause FP-Sozial- und Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein ersucht, bis Ende des Jahres einen Bericht hinsichtlich des therapeutischen Einsatzes von Cannabis in der Medizin zu erstellen. „Österreichs Regierung zieht gegen Cannabis in den Krieg“, titelte kontrast.at im August. Das sozialdemokratische Magazin, das laut Impressum von Mitarbeitern des SPÖ-Parlamentsklub produziert wird, ärgert sich darüber, dass der Einsatz von Medizinalhanf neu geprüft und eventuell eingeschränkt werden soll. Erste „Wirtschaftstreibende“ würden bereits das Land verlassen. Nicht ganz so verschnupft sehen die Pharma- und Health-Marktforscher von IQVIA in die Zukunft: Denn rezeptfreie Cannabis-Produkte würden nach einer Verfünffachung in Österreichs Apotheken bereits im Wert von über 800.000 Euro jährlich verkauft – ein Plus von 444 Prozent, hieß es in einer Aussendung Ende Juni. In dieser wird auch der zu erstellende Bericht zum Medizinalhanf genannt, jedoch als „Grundlage für ein Gesetz zur Liberalisierung“.
RED/GRO

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune