Weltweit im Einsatz
Sanitätszentrum Ost des Österreichischen Bundesheeres: Das ärztliche Team der als „Heeresspital“ bekannten Einrichtung in Wien-Stammersdorf verfügt über hohe Expertise in den Bereichen Tropen- und Militärmedizin. Die gemeinsame Auslandserfahrung bildet dafür eine wichtige Basis. (CliniCum 12/2017)
Alle Ärzte sind zugleich Soldaten, und sie waren etwa in Afghanistan, in Mali oder im Kosovo im Rahmen internationaler Operationen im Sanitätsdienst tätig. Hörbar wird dies im Gespräch der CliniCum-Redaktion mit dem Ärztlichen Leiter und seinen Mitarbeitern, wo Begriffe wie „Auslandsgeher“ oder „Medizinische Repatriierung“ fallen, die in anderen Spitälern wohl kaum Verwendung finden. Zu den Aufgaben der Sanitätszentrums Ost, weithin bekannt als „Heeresspital“ in Wien-Stammersdorf, gehören neben der medizinischen Versorgung des Österreichischen Bundesheeres auch Dienstfähigkeitsuntersuchungen für Mitarbeiter des Innen- und Wissenschaftsministeriums oder die ambulante Versorgung von Häftlingen der Justizanstalten.
„Hinzu kommt, dass wir ärztliches und Sanitätspersonal für Auslandseinsätze oder Ausbildungen innerhalb der Truppe stellen und mehrere Truppenarzt-Ambulanzen betreiben“, erklärt der Kommandant und Ärztliche Leiter, Oberstarzt PD Dr. Klaus Wolff. Rund 165 Mitarbeiter – Ärzte, Krankenpfleger, Psychologen und medizinisch-technische Dienste – arbeiten derzeit am Sanitätszentrum Ost. Hinzu kommen rund 45 Schüler der eigenen Krankenpflegeschule, 25 Bedienstete an der Sanitätsschule, an der Sanitäter, Notfallsanitäter und Offiziere des Sanitätsdienstes ausgebildet werden, sowie 100 Reservisten (Ärzte, Pfleger), die bei Bedarf innerhalb weniger Tage etwa in einem Feldspital eingesetzt werden können.
Einsatzbereitschaft
Im ärztlichen Team sind fast alle Fachrichtungen vertreten, Schwerpunkte liegen in der Chirurgie und Dermatologie. „Andere Bereiche sind mit jeweils einem Facharzt besetzt, nur die neurologische Stelle kann seit Längerem nicht besetzt werden, was vermutlich auf den herrschenden Facharztmangel zurückzuführen ist“, sagt Wolff. Zu den Aufnahmebedingungen für Ärzte zählen eine Auslandseinsatz-Verpflichtung für sechs Monate innerhalb von drei Jahren sowie das Notarzt-Diplom. „Ärzte erhalten dafür eine breite Ausbildung, wie sie an anderen Spitälern in Österreich nur schwer geboten werden kann“, meint Wolff. In Zeiten ohne militärische oder terroristische Bedrohung funktioniere das Spital, „genau wie jedes andere“. Zum Betrieb gehören jedoch auch Logistikeinheit sowie eine Operationsabteilung, sodass der Betrieb rasch umgestellt werden kann: Im Einsatzfall werden nur Kernaufgaben im Sanitätszentrum behalten, die meisten anderen Funktionen in eine Feldambulanz ausgelagert.
Wolff erklärt in diesem Zusammenhang auch die besonderen Anforderungen für Chirurgen in der Militärmedizin: „In einem Feldspital steht die Damage Control Surgery an erster Stelle, die sich von sonst üblichen chirurgischen oder unfallchirurgischen Verfahren deutlich unterscheidet. Im Prinzip werden Verletzte dabei durch Stoppen der Blutung und Verhindern von Auskühlen und Kontamination soweit stabilisiert und intensivmedizinisch versorgt, dass sie zur weiteren Behandlung ausgeflogen werden können.“ Alle Ärzte am Sanitätszentrum Ost sind verpflichtet, an Sanitätsübungen des Bundesheeres teilzunehmen. „Dabei wird mithilfe von Simulationen trainiert, mit eingeschränkten technischen Mitteln auszukommen – Hightech-Geräte wie ein Laparaskop können schließlich nicht per Fallschirm aus einem Hubschrauber abgeworfen werden“, betont Wolff.
Präventivmedizin
Die Vorbereitung auf den Auslandseinsatz für Bundesheerangehörige bzw. Mitarbeiter des Innenministeriums findet am Institut für International Medical Support mit Impfzentrum unter der Leitung der Allgemeinmedizinerin Majorarzt Dr. Margot Puschl statt. „Rund 3.600 Personen absolvieren jährlich ein zweitägiges Screening-Programm zur Feststellung ihrer Auslandseignung“, erklärt Puschl. Die Fachambulanzen arbeiten hier eng zusammen – von der Augen- bis zur zahnärztlichen Untersuchung. „Daraus wird ein medizinisches Kalkül erstellt, ähnlich wie bei einer Stellung, nur etwas strenger. Schließlich muss gesichert sein, dass die Person im Ausland ihren Dienst verrichten und sich im Notfall selbst evakuieren kann.“ Genau wie ihren Kollegen kommt Puschl die eigene Auslandserfahrung zugute: „Wir müssen etwa abschätzen, ob eine chronische Erkrankung, die hier vielleicht gut behandelbar wäre, bei Exazerbationen mit der lokalen medizinischen Versorgung ebenso behandelbar ist.“ Zudem heißt es, die weltweite epidemiologische Entwicklung zu beobachten und individuell den Impfschutz für den Auslandseinsatz herzustellen. Aufgrund des hohen Aufkommens sind laut Puschl stets alle Impfstoffe vorrätig. Gegenwärtig planen Puschl und ihr Team zudem ein Forschungsprojekt zur Untersuchung von Keimbesiedelung und Resistenzentwicklung vor und nach Auslandseinsätzen.
Tropenmedizin und Dermatologie
Tropenmedizinische Fragen gewinnen auch in der Abteilung für Dermatologie unter der Leitung von Oberstarzt Prim. Dr. Gerhard Mooseder zunehmend an Bedeutung. Geforscht wird zum Beispiel zu Hepatitis E oder Leishmaniose: „Letztere habe ich selbst erst bei meinem Einsatz in Afghanistan genauer kennengelernt. Sie ist gar nicht so einfach zu diagnostizieren, wenn man sie nicht kennt“, sagt Mooseder. Um die durch Sandmücken übertragene Protozoen-Infektion zu verhindern, brauche es spezielle Moskitonetze und das Wissen, wo genau das Feldbett aufgestellt werden sollte. Beach-Volleyball in der Freizeit sei in einem Endemie-Gebiet dagegen ein No-go. Mooseder hat während seines Einsatzes in Afghanistan gemeinsam mit deutschen und Schweizer Einheiten vorrangig Minenopfer notärztlich versorgt.
Im Gegensatz zu einem Feldspital verfügt die Dermatologische Abteilung am Sanitätszentrum Ost über modernste Ausstattung: Neben einem Auflichtmikroskop zur Muttermalkontrolle – jährlich werden mehrere hundert Muttermale präventiv entfernt – stehen etwa auch Lasergeräte zur Verfügung. Spezialisiert ist man hier auch auf die Behandlung von Nagelerkrankungen: Personen mit schmerzhaft eingewachsenen Fußnägeln können laut Mooseder rasch wieder fit gemacht werden. Am gesamten Sanitätszentrum werden jährlich rund 70.000 Patienten ambulant behandelt, unter gewissen Voraussetzungen können vereinzelt auch Zivilpersonen das Angebot nutzen.
Ärztlicher Leiter: Oberstarzt PD Dr. Klaus Wolff
Das Medizinstudium war ein lange gehegter Wunsch des Chirurgen und Leiter der Sanitätsanstalt Ost, Oberstarzt PD Dr. Klaus Wolff. Als Milizoffizier und Militärbeobachter kam er zunächst während eines UNO-Einsatzes im Kaukasus erstmals mit Minen-Verletzten in Kontakt und unterstützte in seiner Freizeit das Sanitätsteam der deutschen Bundeswehr. „Mit jedem weiteren Einsatz wurde meine Motivation stärker, nach dem inzwischen begonnenen
Medizinstudium die Ausbildung zum Chirurgen zu machen“, schildert Wolff. Das Studium absolvierte Wolff übrigens in Wien in verkürzter Studiendauer (acht Semester), die Ausbildung zum Chirurgen am Donauspital SMZ Ost und am UKH Meidling. 2002 begann Wolff seine Tätigkeit am Heeresspital und war seither als Arzt vielfach im Auslandseinsatz, so 2013 als ärztlicher Leiter des mit österreichischem Know-how betriebenen multinationalen Feldspitals für das EU-Kontingent in Mali.
Wolff erhielt dafür das Ehrenkreuz in Silber der Deutschen Bundeswehr. Parallel befasst sich Wolff mit wissenschaftlichen Fragestellungen wie der Entwicklung eines Landminen-Explosionsschutzes für Fahrzeuginsassen, wofür er mit dem Theodor-Körner-Preis ausgezeichnet wurde. 2012 habilitierte sich Wolff im Fach Allgemeinchirurgie/Kriegschirurgie, seit 2015 ist er Kommandant des Sanitätszentrums Ost und Ärztlicher Leiter der Sanitätsanstalt. Wolff ist darüber hinaus seit 2017 Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie, die sich in ihren Fortbildungen mit Themen wie Verletzungsmustern nach Selbstmordanschlägen oder posttraumatischer Stressbelastung befasst. www.wehrmedpharm.at
Stimmen der Mitarbeiter
„In der Beratung vor Auslandseinsätzen vermitteln wir vor allem präventive Maßnahmen unter Berücksichtigung der lokalen Gegebenheiten. Da ist es wertvoll, selbst in internationalen Camps gearbeitet zu haben. Ich war insgesamt rund zwei Jahre in Auslandseinsätzen.“
Majorarzt Dr. Margot Puschl, Institut für International Medical Support mit Impfzentrum
„Die Auslandseinsätze waren für mich stets eine große Motivation, genauso wie die Teamarbeit hier. Hinzu kommt, dass ich als Dermatologe mit einem derart weiten Spektrum zu tun habe, wie ich es an anderen Einrichtungen nur schwer finden würde.“
Oberstarzt Prim. Dr. Gerhard Mooseder, Dermatologische Abteilung
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