23. Okt. 2017

5 Komponenten zum Entstauen von Lymphödemen

LEITLINIE – Schon konservative Maßnahmen führen oft zur Ödemfreiheit. Doch was tun, wenn sie kontraindiziert sind oder nicht das gewünschte Ergebnis liefern? Eine aktuelle Leitlinie bewertet die Therapieangebote des Lymphödems. (Medical Tribune 42/17)

Da sich das Lymphödem nicht heilen lässt, strebt die Therapie einen ödemfreien Zustand bzw. ein niedrigeres Krankheitsstadium an. Standard in der konservativen Behandlung ist nach wie vor die komplexe physikalische Entstauungstherapie (KPE). Sie besteht aus den folgenden fünf Komponenten:

  • Hautpflege (bzw. Hautsanierung),
  • manuelle Lymphdrainage,
  • Kompressionstherapie,
  • entstauungsfördernde Sport- und Bewegungstherapie sowie
  • Schulung zur Selbstbehandlung.

Frequenz und Intensität an aktuellen Befund anpassen

Außerdem gliedert sich die KPE in zwei Phasen: In der ersten Phase wird die vermehrte interstitielle Flüssigkeit mobilisiert, um die Gewebshomöostase zu normalisieren. Sie sollte ein- bis zweimal täglich in einer spezialisierten Einrichtung erfolgen (stationär oder ambulant) und kommt bei Bedarf, z.B. bei interkurrenten Erkrankungen, wiederholt zum Einsatz. Phase II dient der Optimierung des Therapieerfolges, wobei sich Frequenz und Intensität der KPE-Komponenten nach dem aktuellen Befund richten, schreibt die aktuelle S2k-Leitlinie unter Federführung der Gesellschaft deutschsprachiger Lymphologen (GDL) und unter Mitarbeit mehrerer österreichischer Gesellschaften. Durch die KPE gehen Schwellung, Schwere- und Spannungsgefühl stark zurück, Beweglichkeit sowie lymphatische Hautveränderungen bessern sich deutlich. Zudem belegen Ultraschallaufnahmen eine Reduktion von Fibrose und Fibrosklerose.

Langfristig verringert sich auch die Zahl der Erysipelschübe. Ein unverzichtbarer Bestandteil der KPE ist die Kompression. Sie sollte in Phase I mit mehrlagigen Wechselverbänden erfolgen, in Phase II mit maßgefertigten, flachgestrickten Kompressionsstrümpfen. Ab einem fortgeschrittenen Krankheitsstadium erfolgt eine dauerhafte Kompression. Als Bewegungstherapie eignen sich z.B. Walking, Radfahren, Schwimmen und Wassergymnastik. Auch intensive Atemtherapie kann den Lymph- sowie den venösen Blutfluss steigern. Unerlässlich ist außerdem die tägliche Hautpflege, um Sekundärinfektionen zu vermeiden. Verletzungen, stauungsbedingte Läsionen wie rupturierte Zysten oder Fisteln und Superinfektionen müssen sofort behandelt werden. Die isolierte Anwendung einzelner KPE-Komponenten lehnen die Leitlinienautoren wegen der geringeren Wirksamkeit ab, insbesondere die manuelle Lymphdrainage eignet sich nicht als Monotherapie.

Vom elastischen Lymphtape halten Experten nichts

Eine Gewichtsreduktion kann die Behandlung unterstützen, denn eine Adipositas verschlechtert die Funktion der Lymphgefäße und gilt als wichtiger Risikofaktor für die Entwicklung eines sekundären Lymphödems. Ab einem BMI > 40 kg/m2 sollte man mit dem Patienten über eine bariatrische OP sprechen. Potenziell ergänzt die apparative intermittierende Kompression die KPE, bei der sich die Flüssigkeit aus den Gewebespalten nach zentral verschiebt. Von ihr profitieren v.a. Patienten mit distal betontem Arm- oder Beinlymphödem (ohne Rumpfbeteiligung) und eingeschränkter Mobilität. Von einem elastischen Lymphtape als Kompressionsersatz raten die Experten dagegen ab. Auch als Zusatz unter dem Strumpf reduziert es weder das Ödemvolumen noch den Spannungsschmerz. Für Thermotherapie und Softlaser ließen sich ebenfalls keine Wirkungen nachweisen. Rekonstruktive OPs vermögen die Lebensqualität dagegen beträchtlich zu steigern. So werden sichtbare (Arm-)Ödeme oft als stigmatisierend empfunden – mit entsprechendem Leidensdruck. Bei hoher Therapieadhärenz und dennoch starkem Leidensdruck bzw. einer Zunahme von sekundären Gewebeveränderungen kann der chirurgische Eingriff in Betracht kommen. Eine mindestens sechsmonatige KPE sollte jedoch der OP vorangehen.

Keine Eingriffe bei maligner Stauung

Zur Behandlung eines Armödems nach Axilladissektion oder einseitiger Beinödeme eignet sich die mikrochirurgische autogene Lymphgefäßtransplantation. Mit ihrer Hilfe lässt sich die Drainage langfristig verbessern, sogar eine Normalisierung des Lymphabstromes ist möglich. Wenn keine zusätzliche venöse Abflussbehinderung besteht, gelingt mittels lymphovenöser Anastomosen eine dauerhafte Besserung von primären sowie sekundären Lymphödemen. Resektive Verfahren bleiben Patienten mit schweren Lymphödemen (Stadium II/III) an Extremitäten oder Genitalien vorbehalten. Kontraindiziert sind OPs bei malignen Lymphödemen.

KPE ist nicht für jeden geeignet

  • Absolute Kontraindikation: dekompensierte Herzinsuffizienz, tiefe Beinvenenthrombose, erosive Dermatosen, pAVK* Stadium III/IV, akutes schweres Erysipel
  • Relative Kontraindikation: malignes Lymphödem, Hautinfektionen, pAVK Stadium I/II

* periphere arterielle Verschlusskrankheit

Stadien des Lymphödems

  • Stadium 0: Latenzstadium, noch nicht klinisch apparent, aber z.T. pathologische Lymphszintigraphie
  • Stadium I: weiche Konsistenz, spontan reversibel, Hochlagern reduziert Schwellung
  • Stadium II: Ödem mit sekundären Gewebsveränderungen, häufig Lymphzysten, subkutane Fisteln, spontan nicht reversibel, keine Reduktion durch Hochlagern
  • Stadium III: deformierende harte Schwellung, z.T. mit typischen Hautveränderungen

S2k-Leitlinie „Diagnostik und Therapie der Lymphödeme“, AMWF-Reg.-Nr. 058-001

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune