Den Schmerz „kurieren“

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Chronisch rezidivierende und anhaltende Schmerzen können im Rahmen eines Kuraufenthalts deutlich gebessert werden. Eckpfeiler der Behandlung sind vor allem verschiedene Methoden der Physiotherapie.(ärztemagazin 12/17)

SERIE CHRONISCHER SCHMERZ – TEIL 9

PATIENTEN MIT chronisch rezidivierenden und langanhaltenden Schmerzen vor allem im Bereich des Bewegungs- und Stützapparats sind prädestiniert für einen Kuraufenthalt („Heilverfahren“). In Kureinrichtungen werden spezifische Therapien angeboten, die gezielt auf die individuellen Beschwerden der Patienten ausgerichtet sind. Für Patienten mit derartigen Schmerzen kann unter bestimmten Umständen auch ein Rehabilitationsaufenthalt („Anschlussheilverfahren“) – beispielsweise nach einer Bandscheibenoperation – infrage kommen.*)

KUR UND REHA

Ein Kuraufenthalt dient in der Regel der Vorsorge, hat also in erster Linie die Verhinderung der Verschlechterung eines bestehenden Zustandes als Ziel. Im Gegensatz dazu dient die Rehabilitation vordringlich der Wiederherstellung der Gesundheit nach körperlicher Beeinträchtigung. Dementsprechend findet eine Rehabilitation nach einem akuten Krankheitsgeschehen bzw. unmittelbar im Anschluss an einen Krankenhausaufenthalt statt. Rehabilitation kann sowohl stationär als auch ambulant durchgeführt werden und umfasst in der Regel mehr Behandlungen als die Kur. Rehabilitation und Kur befassen sich mit dem biopsychosozialen Modell von Krankheit und Gesundheit. Im Unterschied zu Kur liegt das oberste Ziel der Reha darin, den Patienten wieder zu einem selbstständigen Leben zu verhelfen bzw. eine Rückkehr ins Arbeitsleben zu ermöglichen. Die Rehabilitation kann dementsprechend medizinisch, beruflich oder sozial ausgerichtet sein. Beide Verfahren dauern in der Regel etwa drei Wochen. Eine Kur kann zweimal in fünf Jahren in Anspruch genommen werden. Eine Rehabilitation kann bei Bedarf verlängert werden, ambulante Rehabilitationen können sogar bis zu 18 Monate dauern. Bei einer Rehabilitation muss der Patient imstande sein, zwei bis drei Stunden Behandlungen täglich zu absolvieren.

VOR ALLEM RÜCKENBESCHWERDEN

Das Gros der Erkrankungen mit chronischen Schmerzzuständen im Bereich von Kur und Rehabilitation stellen entzündliche und degenerative Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates inklusive rheumatische Erkrankungen dar. Darunter fallen auch Wirbelsäulenverkrümmungen, Bandscheibenschäden, muskuläre Schwächen, Instabilitäten, Listhesen oder Osteoporose.

ABLAUF UND ANGEBOTE

Am Beginn des Kuraufenthaltes stehen eine ärztliche Untersuchung und eventuell Laboruntersuchungen. Von diesen ausgehend, wird ein individueller Therapieplan erstellt – im Hinblick darauf, dass sich nicht jede Therapieform für jeden Patienten gleich gut eignet. Ein beispielhafter Überblick über mögliche Behandlungen bei Rückenschmerzen ist in Tabelle 1 dargestellt. Therapien, die bei bestimmten Erkrankungsformen unter anderem empfohlen sind, finden sich in der Tabelle 2.

Tab.1: Therapieoptionen bei Rückenschmerzen

  • Physiotherapie
  • Heilgymnastik
  • Elektrophysikalische Behandlungen
  • Massagen
  • Rückenschule
  • Wirbelsäulen-Training (z.B. mittels David-System)
  • Extension der Wirbelsäule
  • Hydrotherapie nach Kneipp
  • Physikalische Therapien wie Moorvollbäder, Medizinalbäder, Massagen
  • Entspannungstraining
  • Ernährungsmaßnahmen
  • Informationen über die Erkrankung

PHYSIOTHERAPIE

Einen der Eckpfeiler der Therapien – insbesondere bei Rückenbeschwerden – stellt die Physiotherapie dar. Diese dient dazu, die Muskulatur aufzubauen und zu stärken und erfordert eine praktische Schulung durch einen Therapeuten. Unterstützend können Wärmeanwendungen oder etwa Massagen durchgeführt werden, wobei der Patient darüber informiert werden muss, dass diese Anwendungen – obwohl sie natürlich für den Patienten sehr angenehm, weil passiv, sind – keinen nachhaltigen Effekt aufweisen.

Massagen lockern die Muskulatur, verbessern die Durchblutung und den Lymphfluss. Häufige, vor allem bei Rückenbeschwerden angewendete Massagen sind:

  • Klassische Massage
  • Bindegewebsmassage und Periostmassage: Dabei sollen Verspannungen im Bereich tieferer Bindegewebestrukturen und des Periosts gelockert werden.
  • Unterwassermassage/Hydro-Jet-Massage: Die Massagen erfolgen mittels eines Wasserstrahls im warmen Wasser.
  • Lymphdrainage
  • Reflexzonenmassage

Wirbelsäulen-Taining. Beim Wirbelsäulen- Training werden gezielt betroffene Muskelgruppen trainiert und aufgebaut. Als Grundlage dafür wird häufig das David-System herangezogen. Dabei handelt es sich um computergesteuerte Geräte, mit deren Hilfe eine biomechanische Funktionsanalyse der Wirbelsäule durchgeführt werden kann und muskuläre und Bewegungsdefizite diagnostiziert werden können. An diesen Geräten wird dann auch trainiert und der Erfolg des Trainings gemessen.

QUELLE: WWW.MOORHEILBAD-HARBACH.AT

Bewegungstherapie dient dazu, neben der Muskelkraft auch Beweglichkeit und Koordination zu verbessern. Sie kann einzeln oder in Gruppen durchgeführt werden. Dazu gehören etwa Laufbandtraining oder Nordic Walken.

Rückenschule. Im Rahmen einer Rückenschule soll der Patient ergonomische Haltungsabläufe wie beispielsweise richtiges Sitzen, Stehen, Bücken, Heben und Tragen von Lasten erlernen.

Weitere Therapien. Neben elektrophysikalischen Therapien, Wirbelsäulenextension und Hydrotherapie nach Kneipp kommen in verschiedenen Indikationen auch Heilbäder und Heilpackungen zur Anwendung (s. Tabelle 3).

Tab. 3: Heilbäder und Heilpackungen

  • Fango: Der mineralische Schlamm wird in Packungen verabreicht. Er ist ein guter Wärmespeicher. Die Wärmeentwicklung führt zu einer Erhöhung der Temperatur im Anwendungsbereich und damit verbunden zu Durchblutungsförderung sowie Sauerstoffanreicherung zum Abtransport von Schadstoffen. Dies wirkt entzündungshemmend und schmerzlindernd bei Krankheiten von Muskeln, Knochen und Gelenken.
  • Heilerde kann als Auflage, Wickel oder als Badezusatz angewendet werden. Die Heilerde soll Krankheitsstoffe binden, und wirkt in Kombination mit kaltem Wasser auch schmerzlindernd.
  • Moor besteht zu einem Großteil aus organischem Material. Dieses kann viel Wasser binden und Wärme sehr gut speichern. Beim Moorbad wird das Moor mit Warmwasser aufbereitet. Die Schmerzbesserung wird auf entzündungshemmende, durchblutungsfördernde und hormonaktivierende Wirkung zurückgeführt. Moor kann auch als Wickel oder Auflagen verwendet werden.
  • Paraffinhandbad: Das Paraffinhandbad wird bei Gelenksentzündungen (Hand, Finger) zur Schmerzlinderung verwendet.

Quelle: www.moorheilbad-harbach.at

PROBLEM ÜBERGEWICHT

Insbesondere bei chronischen Rückenschmerzen, aber beispielsweise auch bei Arthrosen stellt Übergewicht ein häufig begleitendes Problem dar. Ernährungsanamnese und Bio-Impedanz-Analyse bilden die Basis für ein individuelles Ernährungskonzept. Während der Kur wird nicht nur eine Gewichtsreduktion angestrebt. Die diätologische Beratung soll helfen, auch nach Beendigung der Kur eine vernünftige Ernährungsweise aufrechterhalten zu können.

ENTSPANNUNGSMETHODEN

Bei Kuren werden auch Entspannungsmethoden wie beispielsweise die Progressive Muskelentspannung nach Jacobsen, Autogenes Training, Yoga, Atemtraining oder Biofeedback vermittelt. Zudem erhalten die Patienten Informationen über ihre Erkrankung und den Umgang damit. Der Patient wird während des Kuraufenthaltes medizinisch betreut und erhält zum Abschluss der Kur einen ärztlichen Befundbericht.

NACHHALTIGKEIT ERZIELEN

Um den unmittelbaren positiven Effekt einer Kur oder Reha zu einem nachhaltigen zu machen, ist es erforderlich, dem Patienten ein persönlich umsetzbares Konzept mit auf den Weg zu geben. Dieses muss maßgeschneidert und mit dem Patienten abgestimmt werden. Nur so besteht eine Chance, ein Zurückfallen in die alten Gewohnheiten zu vermeiden, sobald sich die Patienten wieder in ihrem vertrauten Familien-und Arbeitsumfeld befinden.

Dieser Artikel wurde wissenschaftlich geprüft von Prim. Dr. Johannes Püspök, Ärztlicher Leiter des Lebens. Resort Ottenschlag und des Moorheilbads Harbach

*) Rehabilitationskompass: www.gesundheit.gv.at/service/gesundheitssuche/rehasuche/inhalt