29. Aug. 2017

LDL-Senkung mit small interfering RNA

Die Hemmung der Proproteinkonvertase Subtilisin/Kexin Typ 9 (PCSK9) ist eine mittlerweile gut etablierte Option im Lipidmanagement und erlaubt dramatische LDL-Senkungen über die Effekte einer Statintherapie hinaus. Alle gegenwärtig am Markt verfügbaren PCSK9-Inhibitoren sind monoklonale Antikörper gegen die PCSK9, die die Zahl der LDL-Rezeptoren an den Hepatozyten reguliert. Ist wenig oder keine PCSK9 in der Zirkulation vorhanden, so werden in die Leberzelle aufgenommene LDL-Rezeptoren vollständig wieder an die Membran transportiert. Die Zahl der Rezeptoren bleibt hoch, es wird mehr LDL aus dem Plasma entfernt und in der Leber abgebaut. Die Antikörper haben, abgesehen vom Preis, einen entscheidenden Nachteil: Sie müssen in Abständen von wenigen Wochen injiziert werden.

Eingriff in die Proteinsynthese der PCSK9

Doch Anti-PCSK9-Therapien mit völlig anderen Wirkmechanismen befinden sich in Entwicklung. So zum Beispiel das mittlerweile in Phase II und auch bereits Phase III angekommene Inclisiran, eine „small interfering RNA“ (siRNA), die in Proteinsynthese der PCSK9 eingreift und diese stört. Damit besteht ein fundamentaler Unterschied zwischen den Antikörpern und der siRNA: Während die Antikörper im Plasma gegen die freie PCSK9 wirken und nicht in Zellen gelangen können, greift die siRNA intrazellulär an. Aufgrund einer hohen Affinität zur Leberzelle soll sie dies nur in der Leber und nicht in anderen Geweben (die ebenfalls PCSK9 produzieren) tun. Aus dem speziellen Wirkmechanismus könnten sich jedoch im Hinblick auf Wirkungen und Nebenwirkungen Unterschiede zwischen Inclisiran und den Antikörpern ergeben. Jedenfalls wird man mit weniger Injektionen auskommen. Da die siRNA nach ihrem Eingriff in die Proteinsynthese quasi recycled wird, dürften lediglich zwei Injektionen pro Jahr erforderlich sein, um konstant niedrige PCSK9-Spiegel zu erreichen.

Nebenwirkungen auf Placebo-Niveau

Nach aktuellem Datenstand läuft die Entwicklung von Inclisiran zur Zufriedenheit der beteiligten Forscher, wie Prof. Dr, Kausik Ray vom Imperial College London im Rahmen des ESC 2017 ausführte. Klinische Daten liegen bislang aus der randomisierten, kontrollierten Phase II Studie ORION I mit rund 500 Patienten vor. Die Studie war allerdings nicht für klinische Endpunkte gepowert, sondern sollte Daten für die Dosisfindung liefern. Die Studienpatienten litten entweder unter KHK und hatten trotz maximaler Statintherapie ein LDL >70 mg/ml oder hatten andere Risikofaktoren wie zum Beispiel Diabetes und ein LDL >100 mg/ml trotz maximal tolerierter Statintherapie. Primärer Endpunkt war die LDL-Senkung in Prozent. Dabei erwies sich die Dosierung von 300 mg Inclisiran als optimal, wie bereits publiziert wurde.1 In der Hotline des ESC wurden nun Ein-Jahresdaten der Studie vorgestellt. Sie zeigen für zwei Dosen der Dosierungen 100, 200 oder 300 mg Inclisiran LDL-Senkungen von -31.0 %, -41.1 % und -46.8 %. Die Auswertungen zeigen auch, dass es nach der Injektion zu einer maximalen LDL-Senkung kommt, gefolgt von einem Anstieg in der Größenordnung von zwei bis drei Prozent pro Monat. Hinsichtlich der Verträglichkeit wurden mit Ausnahme leichter Reaktionen an der Einstichstelle keine Unterschiede zwischen Placebo und Verum beobachtet.2

Referenzen:
1 Ray KK, et al. Inclisiran in patients at high cardiovascular risk with elevated LDL cholesterol. N Engl J Med. 2017;376(15):1430–1440
2 Ray KK, Impact of a single or two dose regimen of inclisiran, a novel siRNA inhibitor to PCSK9 on time averaged reductions in LDL-C over 1 year. ORION 1, präsentiert im Rahmen des ESC 2017, Abstract 3064