CANTOS Studie: Antikörper gegen den Herztod
Mit besonderer Spannung erwartet wurde die Präsentation der Ergebnisse der Studie CANTOS im Rahmen der Hotline des europäischen Kardiologenkongresses ESC. Denn CANTOS liefert in zweierlei Hinsicht wertvolle Evidenz: Zum einen stand die Inflammations-Hypothese der Atherosklerose erstmals auf dem Prüfstand einer großen klinischen Studie, zum anderen wurde auch erstmals die Wirksamkeit einer gezielt in die Pathophysiologie der Inflammation eingreifenden Therapie auf das kardiovaskuläre Risiko getestet.1
Studienautor Dr Paul M. Ridker, Direktor des Center for Cardiovascular Disease Prevention am Brigham and Women’s Hospital in Boston, wies anlässlich der Präsentation der Daten auf Entzündung als wesentlichen Aspekt in der Entstehung kardiovaskulärer Ereignisse hin, der beispielsweise erkläre, warum es auch bei maximaler LDL-Senkung bei manchen Patienten zur Progression der Atherosklerose sowie zu Myokardinfarkten und Schlaganfällen komme.
Eingriff in die Pathophysiologie der Entzündung
In CANTOS erfolgte nun in einem Kollektiv von Hochrisiko-Patienten ein gezielter Eingriff in die Entzündungskaskade. Und zwar mit dem gegen Interleukin 1β gerichteten monoklonalen Antikörper Canakinumab. Die mehr als 10.000 Studienpatienten hatten bereits einen Herzinfarkt hinter sich, wiesen erhöhte Spiegel des Entzündungsmarkers hochsensitives C-reaktives Protein (hsCRP) auf und erhielten entweder 50, 150 oder 300 mg Canakinumab oder Placebo als subkutane Injektion alle drei Monate. Die Beobachtungszeit betrug vier Jahre, primärer Endpunkt war das Auftreten von nicht tödlichem Myokardinfarkt, nicht tödlichem Schlaganfall oder kardiovaskulärem Tod. Der sekundäre Endpunkt schloss zusätzlich die Hospitalisierung wegen instabiler Angina mit Bedarf nach sofortiger Revaskularisierung ein.
Weniger Herzinfarkte, weniger Lungenkrebs
Canakinumab reduzierte in den Dosierungen von 150 oder 300 mg das Risiko eines kardiovaskulären Ereignisses (den primären Endpunkt) signifikant um 15% bzw. 14%. Der sekundäre Endpunkt wurde ebenfalls signifikant um 17 Prozent reduziert. Insgesamt wurde Canakinumab als sicher eingestuft, obwohl bei einem von 1.000 Patienten eine potentiell lebensbedrohliche Infektion auftrat. Gänzlich ausgeblieben ist hingegen, der bei Eingriffen in das Immunsystem immer befürchtete Anstieg der Inzidenz von Malignomen. Im Gegenteil: Unter Canakinumab kam es zu einer Reduktion der Karzinom-Sterblichkeit im Allgemeinen und des Auftreten von Lungenkarzinomen im Speziellen.
„Diese Resultate sind der Endspurt von mehr als zwei Jahrzehnten Forschungsarbeit, an deren Beginn die Beobachtung stand, dass sich rund die Hälfte aller Herzinfarkte bei Personen ereignen, die kein erhöhtes Cholesterin haben. Nun ist es uns zum ersten Mal gelungen, zu zeigen, dass eine Beeinflussung der Entzündung unabhängig von den Lipiden das kardiovaskuläre Risiko reduziert. Indem wir nun einen völlig neuen Weg der Therapie der koronaren Herzerkrankung beschreiten, eröffnen wir die Möglichkeit, bei bestimmten Hochrisikopatienten die Prognose signifikant zu verbessern“, kommentierte Ridker und wies in diesem Zusammenhang auch auf das CRP als wichtigen Biomarker hin. Auswertungen von CANTOS zeigen nämlich, dass bei jenen Patienten, bei denen das hsCRP besonders deutlich auf den Antikörper reagierte, auch der Effekt auf das Risiko besonders deutlich war. Dies könne man in der Praxis nützen, um jene Patienten frühzeitig zu identifizieren, die von der teuren Therapie am meisten profitieren können.
Referenz:
1 The Canakinumab Anti-Inflammatory Thrombosis Outcomes Study, präsentiert von P.Ridker im Rahmen der Hotline Session des ESC 2017, Abstract 1151