Auch Zoster kann sich aufs Ohr schlagen
Infektion beim Baden, Erkältung, Allergie, Fremdkörper oder Allgemeinerkrankung: Die möglichen Auslöser von Ohrenschmerzen sind zahlreich. Eine genaue Anamnese erleichtert die Ursachenfindung. (Medical Tribune 19/2017)
Erste Hinweise auf die Ursache von Ohrenschmerzen ergeben sich aus dem Alter des Patienten. Laut Leitlinie „Ohrenschmerzen“ der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) kommen gewisse Auslöser in bestimmten Altersgruppen häufiger vor als in anderen (s. Tabelle). Bei Säuglingen und Kindern steckt meist eine Otitis media acuta (AOM) dahinter. Bei Jugendlichen und Erwachsenen überwiegt die Otitis externa – insbesondere während der Badesaison. Zusätzlich können Reizungen des Kiefergelenks durch Furunkel oder Zahnschäden aber auch Infektionen mit Herpes-zoster-Viren dem Ohr zu schaffen machen.
Häufigster Auslöser bei Kindern: Erkältungen
Eine AOM ist die häufigste Diagnose bei Kindern, Auslöser ist zumeist eine Infektion der oberen Atemwege. Typisch sind plötzlich einsetzende, heftige Ohrenschmerzen mit Hörstörungen und Fieber. Die Kinder fühlen sich matt, schwindelig und sind leicht reizbar. Eine Rötung und Vorwölbung des Trommelfells bei der inspektorischen Untersuchung spricht für eine AOM. Studien haben gezeigt, dass eine AOM meist ohne Antibiotikagabe ausheilt, da es sich häufig um einen viralen Infekt handelt. Bei Kindern ab zwei Jahren empfiehlt die DEGAM-Leitlinie Paracetamol oder Ibuprofen, um das Fieber und die Schmerzen zu lindern. Zudem werden abschwellende Nasensprays zur besseren Belüftung des Mittelohres verabreicht.
Bessern sich die Beschwerden innerhalb von 48 Stunden nicht, sollte ein Antibiotikum 1. Wahl (= Amoxicillin) zum Einsatz kommen. „Häufig kommt es im Verlauf der AOM zu einer Ruptur des Trommelfells mit putridem, eventuell auch blutigem Ausfluss“, erklärt Dr. Klemens Dejakum, HNO-Abteilung am a.ö. Bezirkskrankenhaus Kufstein. „Trotz dieser für die Eltern meist besorgniserregenden Symptome bessern sich die Schmerzen in Folge meist rasch und die Ruptur verheilt in der Regel problemlos innerhalb von wenigen Tagen.“
Sommerkrankheit Schwimmbad-Otitis
Treten Ohrenschmerzen bei Jugendlichen oder Erwachsenen auf, steckt häufig eine akute Otitis externa dahinter. Die gängigste Form der Außenohrentzündung ist eine typische Erkrankung der Badesaison. Ausgelöst wird die Bade-Otitis oder Schwimmbad-Otitis zumeist von Bakterien wie Pseudomonas aeruginosa oder Staphylococcus aureus im Schwimmbad- oder Badesee-Wasser. Charakteristisch sind Ohrenschmerzen nach dem Wassersport ohne vorangehende Rhinitis. Druck auf den Tragus oder Ziehen an der Ohrmuschel sind schmerzhaft. Oft ist das Trommelfell wegen der Gehörgangsschwellung nicht einsehbar.
Dejakum: „Erscheint es, soweit einsehbar, in diesem Zusammenhang jedoch ebenfalls gerötet oder belegt, besteht in aller Regel nicht – wie häufig fälschlicherweise diagnostiziert – zusätzlich noch eine Otitis media, sondern man spricht von einer Myringitis – einer Entzündung des Trommelfells ohne Beteiligung des Mittelohres. Diese Unterschiede sind allerdings mit einem klassischen Otoskop kaum erkennbar und erschließen sich eher der ohrmikroskopischen Sicht des HNO-Arztes.“ Basis jeder Behandlung ist die gründliche Reinigung des Gehörgangs gefolgt von der lokalen Applikation von Kortikosteroiden und Antibiotika sowie eine ausreichende analgetische Therapie.
Dejakum: „Bei stark geschwollenem Gehörgang empfiehlt sich das Einbringen von Salbenstreifen, bei geringer Schwellung reichen Ohrentropfen aus. Wichtig ist in Folge der Schutz vor Feuchtigkeit, zudem soll der Gehörgang nicht vom Patienten selbst gereinigt werden.“ Eine systemisch antibiotische Therapie ist in aller Regel nicht notwendig oder sinnvoll, erklärt der Facharzt: „In Folge der Behandlung treten gelegentlich Pilzinfektionen des Gehörganges auf, die dann ebenso durch Reinigung und lokale Applikation von Antimykotika behandelt werden.“
Ohrenschmerzen durch Irritationen
Kleinste Verletzungen im Gehörgang begünstigen eine Entzündung. Sie können beim Reinigen des Ohrs mit Wattestäbchen oder durch die Verwendung von Ohrstöpseln oder Hörgeräten entstehen. Ohrenschmerzen können außerdem auf einen Fremdkörper im Gehörgang hinweisen. Bei Erwachsenen führen am häufigsten Wattereste oder Insekten, bei Kindern Spielzeug oder Hülsenfrüchte zu einer Irritation. Der Gebrauch von Wattestäbchen kann den Selbstreinigungsmechanismus des Gehörganges stören und zu einer Verdichtung von Ohrenschmalz führen. Dieser Cerumenpfropf führt dann ebenso zu Ohrenschmerzen, wenn er im Gehörgang durch Feuchtigkeit aufquillt. Dejakum: „Die Therapie besteht aus der Entfernung des Fremdkörpers, der Reinigung des Gehörgänges und gegebenfalls lokaler Applikation von Kortikosteroiden.“
Weitere Ursachen: Akne, Diabetes, Psoriasis, Herpes
Ohrenschmerzen treten ebenso als Folge von Grunderkrankungen wie Diabetes, Akne oder Psoriasis auf, weil diese die Hautbeschaffenheit im Gehörgang beeinflussen. Als Manifestation einer generellen Hauterkrankung kommt die Otitis externa bei Ekzemen, Erysipel, Perichondritis, Otomykosen, Herpes-simplex- und Herpes-zoster-Infektionen vor. Insbesondere bei älteren Patienten sollte an eine Reaktivierung von Herpes-zoster-Viren gedacht werden. Diese verursachen nicht nur die typischen Symptome einer Gürtelrose mit Bläschenbildung im Gehörgang: Beim Zoster oticus im Gehörgang rufen die Viren eine Entzündung der VII. und VIII. Hirnnerven hervor, die zu einer sonsorineuralen Hörminderung und Schwindel führt. Tritt eine Faszialisparese auf, spricht man vom Ramsey-Hunt-Syndrom.
Die Therapie des Zoster oticus erfolgt wie bei der Gürtelrose mit systemischen Virustatika, Analgetika und bei Bedarf mit austrocknenden Externa. Zu den nicht seltenen Komplikationen gehören laut Dejakum die Meningitis und Enzephalitis: „Deshalb sollte der Patient zur Behandlung nach Möglichkeit einem Krankenhaus mit Neurologie und HNO-Abteilung zugewiesen werden.“ Erwachsene mit Ohrenschmerzen ohne pathologischen Ohrenbefund kann eine Konsultation beim Zahnarzt und/oder Orthopäden empfohlen werden – relativ häufig stecken Erkrankungen des Kiefergelenks, der Bandscheiben oder der Zervikalgelenke dahinter.
S2k-Leitlinie Ohrenschmerzen; AWMF Reg.Nr. 053/009
Nachgefragt
Dr. Klemens Dejakum
HNO-Abteilung am a.ö. Bezirkskrankenhaus Kufstein
Welche Fallstricke können beim diagnostischen Vorgehen bei Ohrenschmerzen auftreten?
Dejakum: Aus meiner Erfahrung anhand von zahllosen Zuweisungen sind die häufigsten Probleme einerseits die Unterscheidung zwischen Otitis externa und media sowie andererseits das Erkennen einer Trommelfellruptur. Das klingt zwar eigentlich einfach, ohne Ohrmikroskop und Absauganlage ist es das aber keineswegs. Auch für mich ist es trotz 18 Jahren HNO-Erfahrung schwer, einen Gehörgang und ein Trommelfell mit dem Otoskop sicher zu beurteilen.
Wenn der Patient bereits beim Einführen des Ohrtrichters vor Schmerzen das Gesicht verzieht und zudem das Trommelfell nicht sicher erkannt werden kann, wird es sich aller Wahrscheinlichkeit nach um eine Otitis externa handeln. Das gleichzeitige Vorliegen einer Otitis media und externa ist aufgrund der unterschiedlichen Genese unwahrscheinlich.
Häufig scheinen Cerumen-Membranen einem Trommelfell ähnlich und lassen fälschlicherweise eine Trommelfellruptur vermuten. Dies lässt sich leicht dadurch überprüfen, dass man den Patienten ein Valsalva-Manöver durchführen lässt. Das für die Ruptur typische Entweichen von Luft aus dem Gehörgang ist hör- und spürbar.