18. Apr. 2017

Thrombektomie in Wien 24/7 verfügbar

Die endovaskuläre Therapie kann bei Schlaganfallpatienten mit großen Gefäßverschlüssen schwere bleibende Einschränkungen verhindern. Dank einer trägerübergreifenden Kooperation zwischen drei Zentren steht sie im Großraum Wien nun rund um die Uhr zur Verfügung. (Medical Tribune 15/2017)

Mit einer „Number needed to treat“ von 2,6 ist die Thrombektomie zweifellos eine hochwirksame Therapie. Doch der personelle und apparative Aufwand ist hoch. „Mindestens vier Personen stehen während der Angiographie am Bett des Patienten“, betont Prim. Univ.-Doz. Dr. Elisabeth Fertl, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Neurologie.

Interdisziplinär und nun auch zentrumsübergreifend

Ein Neurologe sei für die Indikationsstellung verantwortlich und fungiere als Case Manager. Den Eingriff selbst führe – zumindest hierzulande – ein interventioneller Radiologe durch. Außerdem werde noch ein Anästhesist und qualifiziertes Assistenzpersonal gebraucht. Die Interdisziplinarität hat daher bei dieser Therapieform einen hohen Stellenwert. In Wien geht die Zusammenarbeit jetzt noch einen Schritt weiter und wird spitals- und sogar trägerübergreifend aufgesetzt: Eine Kooperation zwischen dem Allgemeinen Krankenhaus (AKH), der Rudolfstiftung und dem Krankenhaus der Barmherzigen Brüder soll nun sicherstellen, dass die endovaskuläre Therapie in Wien rund um die Uhr verfügbar ist.

Damit soll nicht nur die Versorgung Wiens lückenlos abgedeckt werden, sondern auch Patienten aus den angrenzenden Bundesländern können profitieren. „Ziel ist, flächendeckend in ganz Österreich eine 24-Stunden-­Versorgung zu erreichen“, stellt Prim. Univ.-Prof. Dr. Wilfried Lang, Leiter der Abteilung für Neurologie am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Wien, klar. Lösungsansätze gebe es in allen Bundesländern, der Ausbau der Versorgungsstrukturen sei jedoch unterschiedlich weit fortgeschritten.

Sekundärtransport mit dem Hubschrauber

Über das gesamte Bundesgebiet verteilt gibt es derzeit insgesamt 38 Stroke Units und zehn Interventionszentren, von denen sich drei in Wien und zwei in Niederösterreich befinden. Im Burgenland und in Vorarlberg ist derzeit noch kein Interventionszentrum angesiedelt – bundesländer- und im Fall von Vorarlberg sogar staatenübergreifende Kooperation ist daher unerlässlich. „Patienten aus Vor­arlberg werden nach Innsbruck gebracht oder sogar nach Deutschland, wenn die Flugverhältnisse nicht zulassen, dass der Hubschrauber über den Arl­berg fliegt“, berichtet Lang.

Um die Kapazitäten der Interventionszentren für jene Betroffenen freizuhalten, die wirklich von einer Thromb­ektomie profitieren können, sei die Auswahl der geeigneten Patienten in der Stroke Unit extrem wichtig. „In Wien gibt es jeden Tag drei bis fünf Patienten, die für diese Therapie infrage kommen. Es sind aber sicherlich 20 Patienten, die mit einem Schlaganfallverdacht in die Krankenhäuser kommen“, erklärt Fertl. Wesentlich sei daher, dass alle Patienten mit Apoplex-Verdacht zuerst auf eine Schlaganfall-Station gebracht würden und erst nach Indikationsstellung durch einen Neurologen die Verlegung in ein Interventionszentrum erfolge. Daher sei auch nicht öffentlich einsichtig, welches Interventionszentrum aktuell angefahren werden könne. „Der Plan, welches Interventionszentrum wann zuständig ist, ist allen Beteiligten bekannt, ist aber ein interner Plan, weil es notwendig ist, dass die Kapazitäten dieses Interventionszentrums wirklich für diese Patienten freigehalten werden“, erläutert Fertl.

Das sind primär Patienten mit Thromben, die eine Größe von neun Millimetern überschreiten – einem Cut-off, bei dem die systemische Thrombolyse an ihre Grenzen stößt.  Wie viele Patienten das betrifft, zeigen die Zahlen des Schlaganfallregisters. „Wir sehen, dass in Wien zirka 400 Personen pro Jahr diese Hirnarterienverschlüsse haben“, so Lang. Festzuhalten sei allerdings, dass die endovaskuläre Therapie die Thrombolyse bei diesen Patienten nicht ersetze – die beiden Therapieformen schließen sich nicht aus, wie Lang betont: „Alle Patienten kommen in die Stroke Unit und alle Patienten bekommen eine systemische Thrombolyse, es sei denn, sie haben Kontraindikationen.“

Vom Symptombeginn zur Thrombektomie

  1. Laien müssen die Primärsymptome erkennen, an einen Schlaganfall denken und die Rettung rufen.
  2. Primärtransport zur nächstgelegenen Stroke Unit mit freien Kapazitäten.
  3. In der Stroke Unit entscheidet der Neurologe anhand von Klinik und Bildgebung, ob die Indikation für eine Thrombektomie vorliegt.
  4. Falls eine endovaskuläre Therapie indiziert ist: Sekundärtransport in ein Interventionszentrum.
  5. Durchführung der Trombektomie.
  6. Rückverlegung an die Stroke Unit.

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune