5. Jän. 2016

Klinik, Diagnose und Therapie von Herpes Zoster

Herpes Zoster ist eine schmerzhafte, meist einseitige, auf ein Dermatom beschränkte bläschenbildende Erkrankung der Haut, die durch das Varicella-zoster-Virus ausgelöst wird. Die Infektion mit diesem Virus erfolgt meist in der Kindheit und verursacht bei 90 Prozent der Infizierten Varizellen (Synonyme: Windpocken, Feuchtblattern oder Schafblattern), zehn Prozent der Serokonvertierten erleben eine stille Feiung. 

(von links nach rechts) 1. Zahlreiche Erytheme mit gruppierten Bläschen; diese sind bereits teilweise geplatzt und verkrustet.
2. Hämorrhagisch nekrotischer Herpes Zoster im Versorgungsgebiet des Ramus ophthalmicus des Nervus trigeminalis.
3. Akuter Herpes Zoster an der linken oberen Extremität bei einem Kind.
4. Ausgedehnte Narben nach nekrotisierendem Herpes Zoster trigeminalis.

Die Durchseuchungsrate in der Bevölkerung mit dem Varicella-zoster-Virus wird auf etwa 95 Prozent geschätzt. Nach der Erstinfektion ziehen sich die Viren in die Zellkerne sensomotorischer Ganglien im Hinterhorn des Rückenmarks und/oder der Hirnnerven zurück und treten in eine Latenzphase ein. Wenn die latenten Viren reaktiviert werden und neue, infektiöse Viren gebildet werden, können diese zentrifugal entlang der Neuriten in das entsprechende Dermatom wandern und eine, Herpes Zoster (Gürtelrose) verursachen.

Epidemiologie

In Europa und Nordamerika entwickeln drei bis sechs von 1.000 Personen jährlich einen Herpes Zoster, wobei Frauen etwas häufiger betroffen sind als Männer. Das amerikanische Center for Disease Control and Prevention (CDC) schätzt, dass etwa ein Drittel aller Amerikaner im Laufe des Lebens an einem Herpes Zoster erkrankt. Üblicherweise tritt eine Gürtelrose einmalig auf. Rezidive werden vor allem bei immunkompromittierten/immundefizienten Patienten beobachtet.

Pathogenese und viraler Lebenszyklus

Das Varicella-zoster-Virus gehört zur Familie der Herpesviridae und wird auch als Humanes Herpes-Virus-3 bezeichnet. Durch eine Tröpfcheninfektion werden die Viren über das oro-nasale-pharyngeale Epithel aufgenommen, wandern über das regionale lymphatische Gewebe (v.a. Waldeyer‘scher Rachenring) weiter in das systemische retikulendotheliale System; die Viren vermehren sich, und nach einer Inkubationszeit von zehn bis 21 Tagen kommt es zur Virämie und zum Ausbruch der Varicellen: Meist am Kopf und im Gesicht beginnend, treten generalisiert linsengroße, zentral meist genabelte Bläschen auf entzündlich gerötetem Grund an der Haut („Sternenhimmel“) und den hautnahen Schleimhäuten auf.

Gleichzeitig mit dem Auftreten der Haut-Schleimhautmanifestationen gelangen die epithelio-neurotropen Viren in sensomotorische Nervenfasern und wandern in zentripetaler Richtung in deren Kerne im Hinterhorn/in den Hirnnerven. Dort integrieren sie sich in zirkulären DNA-Strukturen, den Episomen, und treten in einen Ruhezustand, die Latenzphase, die unterschiedlich lange, im besten Fall lebenslang, dauern kann.

Verschiedene Mechanismen, die in ihrer Komplexität bis heute nicht eindeutig definiert sind, erlauben es, dass die Viren „aktiviert“ werden und aus der Latenzphase in ihre Replikationsphase treten: Die virale DNA wird durch virale und humane Proteinkinasen phosphoryliert, neue virale Proteine werden gebildet und setzen sich zu unreifen Viruspartikeln zusammen. Die Viren erhalten bei der Ausschleusung aus dem Kern ins Zytoplasma eine Hüllmembran, den „envelope“, und wandern dann entlang der Neuriten, nun in zentrifugaler Richtung, in das innervierte Dermatom. Dort treten sie als reife virale Partikel aus dem Zytoplasma in den Extrazellularraum und infizieren neuerlich Epithelzellen. Es kommt zur Gürtelrose.

Bei dieser Wanderung können beträchtliche Verletzungen des Gewebes der Neuriten entstehen, die auch morphologisch ultrastrukturell nachgewiesen werden können. Diese Verletzungen und einsetzende Reparaturmechanismen sind wahrscheinlich die Ursache der heftigen Akutschmerzen und der Post-Zoster Neuralgie. 

Klinik

Haut und hautnahe Schleimhäute. Der Herpes Zoster präsentiert sich normalerweise mit einem typischen Exanthem, welches von (mehr oder weniger starken) Schmerzen begleitet sein kann. In dorso-ventraler Richtung entwickeln sich Gruppen linsengroßer Bläschen auf entzündlich geröteter Haut „gürtelförmig“ über den Stamm. Sind Nervenzellen betroffen, welche v.a. Extremitäten innervieren, so breiten sich die Hautveränderungen von zentral nach peripher aus. Die Bläschen platzen, verkrusten und heilen in etwa vier bis sieben Tagen wieder ab. Seltener entwickeln sich Pusteln, gelegentlich treten Hämorrhagien und Nekrosen auf.

Die Erkrankung ist meist einseitig auf ein Dermatom begrenzt, kann aber auch (mehrere) angrenzende Dermatome erfassen; rar ist ein multisegmentaler Herpes Zoster nicht benachbarter Dermatome (Herpes Zoster multiplex). Ist der Nervus trigeminus (Ramus maxillaris oder Ramus mandibularis) betroffen, findet man immer Bläschen an der Mundschleimhaut, aber bei entsprechendem Befall peripherer Neuriten auch genitale Schleimhautläsionen.

Systemzeichen. Etwa ein Fünftel der Patienten klagt über systemische Symptome wie Kopf-, Gelenks- und Muskelschmerzen, Fieber und Müdigkeit.

Schmerzen. Drei Viertel der Patienten erleben Dermatomlokalisierte Prodromalschmerzen oft schon Tage vor Ausbruch der Gürtelrose. Diese imponieren wellenförmig oder persistierend und werden als brennend, pochend oder stechend beschrieben. Begleitet sind die Schmerzen oft von Par- und Dysästhesien. Abhängig von der Lokalisation werden bei (noch) fehlenden Hautmanifestationen häufig verschiedene „schmerzassoziierte“ Krankheiten fehldiagnostiziert. Dazu zählen ein Myokardinfarkt, eine akute Appendizitis, Gallen- und Nierenkolik, Bandscheibenvorfall u.a.m. Diese Akutschmerzen klingen mit Rückbildung der Hautveränderungen meist kontinuierlich ab und müssen streng von der sehr unangenehmen Post-Zoster-Neuralgie unterschieden werden (siehe Komplikationen).

Diagnose

Meist kann die Diagnose eines Herpes Zoster klinisch gestellt werden, wichtige Differenzialdiagnosen sind ungewöhnliche Herpes-simplex-Infektionen oder eine Kontaktdermatitis. In schwierigen Fällen kann mittels PCR der Virusnachweis aus der Bläschenflüssigkeit gemacht werden. Viel einfacher, rascher und billiger ist die „Exfoliativzytologie“, der Tzanck-Test: Dabei wird Bläschenflüssigkeit und Material von der Unterseite des Blasendaches mittels Meißel-Sonde ab- und auf einem Objektträger ausgestrichen, Hitze-fixiert, kurz mit Methylblau gefärbt, mit Leitungswasser gespült und mit Löschpapier getrocknet.

Bei 60- bis 100-facher Vergrößerung imponieren im Lichtmikroskop die infizierten Keratinozyten als mehrkernige, akantholytische epidermale Riesenzellen (die gleiche Untersuchungstechnik kann auch beim Herpes simplex angewendet werden). Auch Biopsien für histopathologische Untersuchungen können in Zweifelsfällen hilfreich sein. Auch hier ist der Nachweis mehrkerniger, akantholytischer Riesenzellen im Epithel und in der Blasenflüssigkeit, gegebenenfalls in der Kruste beweisend für eine Herpes-Virus-(Typ 1, 2 oder 3)-Infektion.

Sonderformen. Bei stark immunsupprimierten Personen kann es zu atypischen und auch septischen Erscheinungsformen und Beteiligung des ZNS kommen. In diesen Fällen muss zusätzlich zur klassischen Diagnostik (Klinik, Tzanck-Test, eventuell PCR) eine Liquor-Punktion durchgeführt werden. Der „Zoster sine herpete“ ist eine seltene Form, bei der nur die Schmerzsymptomatik, aber keine Hautveränderungen bestehen. Manifestationen in den Versorgungsgebieten von Hirnnerven sind immer mit besonderer Sorgfalt zu betrachten.

Der „Zoster ophthalmicus“ betrifft den Augenast (Nervus ophthalmicus) des fünften Gehirnnerven (Nervus trigeminus); Konjunktivitis und Keratitis können zu Erblindung führen, daher müssen Augenärzte in der Versorgung beigezogen werden. Außerdem scheint ein Herpes Zoster des Nervus trigeminalis mit einer erhöhten Inzidenz von „Schlaganfällen“ assoziiert zu sein; diese Komplikation ist zwar äußerst selten, endet aber in 20 Prozent tödlich; Überlebende tragen meist bleibende neurologische Schäden davon.

Beim Zoster oticus mit Befall des Ganglion geniculi und des Nervus intermedius können neben den typischen Hautveränderungen in der Ohrregion und im Gehörgang Neuralgie und Fazialisparese den Verlauf erschweren (Ramsay-Hunt-Syndrom), es kann auch zu Veränderungen des Geschmacksinnes und des Tränenflusses kommen. Ist der benachbarte achte Hirnnerv (Nervus vestibulocochlearis) betroffen, können Schwindel, Tinnitus und Hörverlust auftreten. Frühe Diagnose und Therapiebeginn mit Virostatika ist imperativ zur Vorbeugung von dauerhaften Schäden (s.u.).

Komplikationen

Schwere, nekrotisierende Verlaufsformen können narbig abheilen oder zu einer jahrelang andauernden Hypo- oder Hyperpigmentierung der betroffenen Hautareale führen. Bakterielle (Super-)Infektionen durch Streptokokken oder Staphylokokken (Impetiginisierung, Begleiterysipel) sind nicht selten; in solchen Fällen ist, zusätzlich zur antiviralen, eine antibakterielle Therapie indiziert.

Post-Zoster-Neuralgie. Die häufigste Komplikation des Herpes Zoster ist die Post-Zoster-Neuralgie, die etwa 20 Prozent der Patienten betrifft. Diese setzt Wochen bis Monate nach einer Gürtelrose im betroffenen Areal ein, seltener ist ihre Entwicklung unmittelbar aus den Akutschmerzen. Der weitere Verlauf ist unvorhersehbar, die Schmerzattacken können aber lebenslang persistieren. Das  Risiko einer Post-Zoster- Neuralgie steigt mit dem Alter und dem Schweregrad der Gürtelrose.

Herpes-Zoster-Rezidive sind selten und betreffen v.a. immundefiziente Patienten, die auch häufig atypische und fulminante Krankheitsverläufe mit Disseminierung und ZNSBefall entwickeln. Extrem selten ist eine (meist) tödliche Beteiligung viszeraler Organe mit Pneumonie, Hepatitis, Pankreatitis und Meningoenzephalitis. Bei einer verzögerten Heilung, schweren Krankheitsformen, sowie beim Auftreten von Komplikationen müssen (zugrundeliegende) bösartige Krankheiten, chronische Infektionen (HIV) und Autoimmunerkrankungen abgeklärt werden.

Risikofaktoren

Die Gürtelrose ist eine Krankheit des „älteren Menschen“. Die Wahrscheinlichkeit, an Herpes Zoster zu erkranken, erhöht sich mit zunehmendem Alter und wird durch die „altersassoziierte Immundysregulation/Defizienz“ erklärt, die offensichtlich auch die Varicella-zoster-spezifische Immunabwehr betrifft. Jede Schwächung des Immunsystems kann eine Reaktivierung des Varicella-zoster-Virus begünstigen. Patienten, die immunmodulierende Therapien erhalten oder HIV infiziert sind, haben oft atypische oder schwere Verläufe und Komplikationen wie chronische Ulzera, hyperkeratotischverruköse Läsionen oder eine disseminierte Erkrankung (mehr als 20 Vesikel in nicht benachbarten Dermatomen). Die Inzidenz des Herpes Zoster ist bei diesen Patientengruppen im Vergleich zur „Normalbevölkerung“ bis um ein 20-Faches erhöht.

Therapie

Eine unkomplizierte Gürtelrose am Stamm oder an den Extremitäten junger Personen ohne Risikofaktoren bedarf gelegentlich gar keiner Therapie. Unkomplizierte Verlaufsformen können aber virostatisch gegebenenfalls zusätzlich mit entzündungshemmenden und analgetisch wirkenden Medikamenten behandelt werden. Die Nucleosid-Analoga Aciclovir, Valaciclovir, Famciclovir und Brivudin haben weitgehend gleichwertigen therapeutischen Nutzen. Nach oraler Verabreichung sind Valaciclovir, Famciclovir und Brivudin wesentlich besser bioverfügbar, deshalb wird Aciclovir heute nur mehr bei schweren Verlaufsformen intravenös verabreicht. Bei normaler Nierenfunktion werden die drei Virostatika oral über sieben Tage verabreicht (Indikation und Dosierung siehe Tabelle).

Die Behandlung sollte innerhalb von 72 Stunden nach Auftreten des Hautausschlages begonnen werden. Generell wird die antivirale Therapie gut vertragen, selten treten Nebenwirkungen wie Übelkeit, Diarrhoe und Kopfschmerzen auf. Die Dosierung von Aciclovir liegt bei 7,5mg/kg Körpergewicht alle acht Stunden über sieben Tage; bei einer ZNS-Beteiligung kann diese Dosis jedoch individuell angepasst und deutlich erhöht werden. Die begleitende Schmerztherapie erfolgt mit nicht steroidalen Antiphlogistika. Starke Schmerzen können mit Opioiden (Tramadol, Codein) behandelt werden, zusätzlich werden häufig Antiepileptika (Gabapentin, Pregabalin oder Carbamazepin), aber auch trizyklische Antidepressiva (Amitriptylin) eingesetzt.

Kontrovers ist die Datenlage zur Verwendung von systemischen Kortikosteroiden. Manchmal werden sie gemeinsam mit Aciclovir verwendet, um die Entzündungsreaktionen vor allem im Nervengewebe zu verringern. Meist werden Kortikosteroide in fallender Dosierung über drei Wochen peroral verabreicht, wobei die Initialdosis (an das Körpergewicht angepasst) bei etwa 60mg 6-Methylprednisolon/d peroral liegt. Eine signifikante Prävention einer Post-Zoster-Neuralgie wurde mit dieser Therapie nie eindeutig wissenschaftlich bewiesen.

Bei schweren Verläufen, ausgeprägter Schmerzsymptomatik oder einer disseminierten Erkrankung sollten die Patienten hospitalisiert und mit Aciclovir intravenös behandelt werden. Beim immundefizienten Patienten sollte die Therapie noch nach 72 Stunden begonnen werden. Besteht der Verdacht einer Resistenz des Virus auf die gängigen Virostatika, dies stellt außer bei HIV-Infizierten eine extreme Seltenheit dar, kann Foscarnet (60mg/kg Körpergewicht dreimal pro Tag i.v. eingesetzt werden.

Prävention

Seit 2007 steht eine „Herpes-Zoster-Impfung“ zur Verfügung. Diese wird Personen ab dem 50. Lebensjahr angeboten. Die Impfung soll das Risiko, eine Gürtelrose zu entwickeln, halbieren, Erkrankungen nach Impfung verlaufen meist mild. Schließlich soll die Wahrscheinlichkeit einer Post-Zoster-Neuralgie auf ein Drittel gesenkt werden. In besonderen Fällen (Spätschwangerschaft, Peripartalperiode, konsumierende Krankheiten) können Zoster- Immunglobuline verabreicht werden.


Dr. Marin Vujic (Foto),
Univ.-Prof. Dr. Klemens Rappersberger
Abteilung für Dermatologie und Venerologie Krankenanstalt Rudolfstiftung