Neue Virengruppen entdeckt: FERV und JONV
Bonner Forscher entdeckten im Tropenwald der Elfenbeinküste zwei neue Virusgruppen innerhalb der Familie Bunyaviridae: FERV und JONV. Die evolutionäre und phänotypische Analyse der Lebendvirus-Isolate lässt einen arthropoden Ursprung der pathogenen RNA-Virus-Familie vermuten.
In den Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) berichten Virologen des Universitätsklinikums Bonn und des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) von der Entdeckung zwei neuer Virusgruppen, die zur Familie Bunyaviridae gehören, von denen bislang nur fünf Gruppen bekannt waren. An den beiden neuen Virusgruppen belegten die Forscher, dass sich humane Krankheitserreger, die durch blutsaugende Insekten übertragen werden, aus Insektenviren entwickelt haben.
Die fünf zur Familie der Bunyaviridae zählenden Virengruppen lösen bei Menschen und Tieren ernsthafte Erkrankungen aus und können bei Gemüsekulturen schwere Schäden anrichten. Zu den bekanntesten Viren der Bunyaviridae zählt das Rifttalfieber-Virus, das beim Menschen Fiebererkrankungen mit schweren Blutungen verursachen kann. Das Schmallenberg-Virus, das von winzigen Insekten übertragen wird, verursachte in Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg, den Niederlanden, Spanien und Großbritannien bei trächtigen Rindern, Schafen und Ziegen schwere Missbildungen der Föten.
Entschlüsselung des Genoms der Jonchet- und Ferak-Viren
Sandra Junglen vom Institut für Virologie des Universitätsklinikums Bonn und vom Deutschen Zentrum für Infektionsforschung suchte in den afrikanischen Tropenwäldern der Elfenbeinküste nach neuen Viren aus der weitverzweigten Familie der Bunyaviridae. Da die meisten Bunyaviridae durch blutsaugende Insekten übertragen werden, fing die Forscherin mehr als 7.500 Moskitos und fasste die nach Spezies und Fangort spezifizierten Tiere zu 432 Mischproben zusammen. In 26 Proben entdeckten Sandra Junglen, Marco Marklewitz und Florian Zirkel Partikel unbekannter Viren, die sie schließlich Jonchet-Virus und Ferak-Virus nannten.
Die Wissenschaftler rekonstruierten in einer vierjährigen Prozedur die komplette Genom-Sequenz und fanden dabei heraus, dass es sich bei Jonchet und Ferak stammesgeschichtlich um zwei eigenständige Linien der Bunyaviridae handelt. An Zellkulturen durchgeführte Infektionsversuche bei verschiedenen Temperaturstufen ergaben, dass beide Virenlinien weder Menschen noch Wirbeltiere infizieren können, da sie – im Gegensatz zu den anderen Bunya-Viren, die sich über einen weiten Wärmebereich vermehren können – ab 32 Grad Celsius das Wachstum einstellen.
Durch die Rekonstruktion der Abstammungsgeschichte der gesamten Virusfamilie konnten die Forscher erstmals darlegen, dass sich durch blutsaugende Moskitos übertragene Viren aus insektenspezifischen Viren entwickelten. Durch die Entschlüsselung des Genoms der Jonchet- und Ferak-Viren dürfte es den Forschern zufolge künftig möglich sein, das Verhalten und Gefahrenpotenzial unbekannter Viren mit ähnlicher RNA-Sequenz zu finden und besser einzuordnen. Darüber hinaus lassen sich die Temperaturversuche zur Abschätzung des Übertragungsrisikos auch auf andere Viren übertragen.
Marco Marklewitz, Florian Zirkel, Andreas Kurth, Christian Drosten, Sandra Junglen
Evolutionary and phenotypic analysis of live virus isolates suggests arthropod origin of a pathogenic RNA virus family
Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), published online before print June 2, 2015, doi: 10.1073/pnas.1502036112
Quelle: Universität Bonn, DZIF