27. Okt. 2014

Blick in die pränatale Gehirnentwicklung

Die funktionale Magnetresonanz-Tomographie lässt Wissenschaftler in die Gehirne von Föten blicken. Durch die in vivo-Beobachtung konnten Wiener Wissenschaftler herausfinden, dass später für die Sehfunktion verantwortliche Gehirnregionen bereits im Fötalstadium aktiv sind.

Abbildung: Überlagerte separierte bilaterale Occipital-, unilaterale Temporal- und bilaterale Frontalaktivierungen bei einem Gehirn-Modell des Fötus (MRI Rekonstruktion)
Abbildung: Überlagerte separierte bilaterale Occipital-, unilaterale Temporal- und bilaterale Frontalaktivierungen bei einem Gehirn-Modell des Fötus (MRI Rekonstruktion)
DI Dr. Veronika Schöpf, Foto: privat
DI Dr. Veronika Schöpf, Foto: privat

In einer aktuellen Studie konnte eine von Veronika Schöpf und Georg Langs geleitete Studiengruppe aufzeigen, dass Ungeborene bereits in der 30. bis 36. Schwangerschaftswochen beginnen, Netzwerke des Gehirns, die später für das Sehen verantwortlich sind, zu nutzen.

Bekanntlich müssen Neugeborene die “Verarbeitung” optischer Reize nach der Geburt erst lernen. Durch die Untersuchung des Zusammenhangs von Augenbewegungen mit Gehirnaktivitäten konnten die Wissenschaftler nun zeigen, dass diese wichtige Entwicklung bereits pränatal einsetzt. Schon in diesem Stadium der Entwicklung verknüpfen sich motorische Sehbewegungen mit den für die Verarbeitung der optischen Signale zuständigen Bereichen im Sehzentrum des Gehirns. Erstautorin Schöpf zufolge wurde in Wien erstmals der Zusammenhang zwischen Augenbewegungen und zuständigen Gehirnarealen in utero gezeigt.

Veronika Schöpf, Thomas Schlegl, Andras Jakab, Gregor Kasprian, Ramona Woitek, Daniela Prayer, Georg Langs
The Relationship Between Eye Movement and Vision Develops Before Birth
Frontiers in Human Neuroscience 2014; 8 :775, Published online Oct 2, 2014

Kortikale und subkortikale Strukturen im fetalen Gehirn

Da sich im zweiten Trimenon die “Architektur” des Gehirns entwickelt, untersuchte eine andere Forschungsgruppe am Computational Imaging Research Lab 32 Föten von der 21. bis zur 38. Schwangerschaftswoche.

Die Messung der neuronalen Aktivität mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) führte zu wichtigen Erkenntnissen über bedeutende kortikale und subkortikale Strukturen des sich entwickelnden Gehirns.

In der 26. bis 29. Schwangerschaftswoche entwickeln sich neuronale Verbindungen von kurzer Reichweite besonders aktiv, während im Gegensatz dazu Langstreckenverbindungen eher ein lineares Wachstum während der Schwangerschaft anzeigen.

“Es zeigte sich, dass im Gehirn zuerst die Bereiche für die Sinneswahrnehmungen entwickelt werden und dann erst etwa vier Wochen später die Bereiche für komplexere, kognitive Fähigkeiten”, erklärt Erstautor Andras Jakab.

Andras Jakab, Ernst Schwartz, Gregor Kasprian, Gerlinde M. Gruber, Daniela Prayer, Veronika Schöpf and Georg Langs
Fetal functional imaging portrays heterogeneous development of emerging human brain networks
Frontiers in Human Neuroscience 2014; 8:852, Published online Oct 22, 2014

Zeitlicher Entwicklungsverlauf funktioneller und struktureller Netzwerke im fetalen Gehirn

Um Fehlbildungen und Pathologien bei Föten frühzeitig erkennen zu können, kooperieren Mitarbeiter des Computational Imaging Research Lab im Rahmen des Projekts „Der zeitliche Entwicklungsverlauf von funktionellen und strukturellen Netzwerken im fetalen Gehirn“ mit Forschern der Abteilung für Neuroradiologie und Muskuloskeletale Radiologie der Medizinischen Universität Wien an einem Referenzmodell der gesunden Gehirnentwicklung.

>> FETLAS: Assessing Fetal Brain Development Based on a Spatio-Temporal in vivo Atlas Learned from Ultra-Fast Magnetic Resonance Images

Quelle: MedUni Wien