Scharlach: von mild bis fulminant
Himbeerzunge, Tonsillopharyngitis, Facies scarlatinosa und typischer Hautausschlag – dies kennzeichnet den klassischen Scharlach. Viel häufiger sind aber milde, atypische Verläufe. Eher selten zeigt die „fünfte Kinderkrankheit“ eine schwere Ausprägung oder sogar Lebensbedrohlichkeit.
Scharlach ist eine toxinvermittelte Systemerkrankung durch betahämolysierende Streptokokken, die das Lancefield-Antigen-A auf ihrer Oberfläche tragen. Oft werden die Erreger auch als Gruppe-A-Streptokokken bezeichnet, schreiben Dr. Nicole Töpfner und Prof. Dr. Reinhard Berner von der Universitäts-Kinderklinik Dresden. Klassischer Scharlach beginnt mit Schüttelfrost, hohem Fieber, Tachykardie, oft auch mit Kopfschmerz und Erbrechen. Im geröteten Gesicht fällt eine abnorme Blässe um Mund und Nase auf (Facies scarlatinosa). Die geschwollenen Tonsillen sind mit weiß-gelblichen, abwischbaren Stippchen versehen, auf dem weichen Gaumen findet sich ein scharf abgegrenztes Enanthem.
Nach dem Ausschlag löst sich die Haut ab
In den ersten Tagen ist die Zunge belegt, doch dann zeigt sich die typische rote Himbeerzunge. Der meist juckende Scharlach-Hautausschlag beginnt in den Achseln und Leistenbeugen und breitet sich kleinfleckig über den Stamm und auf die Innenseiten von Armen und Beinen aus. Nach einigen Tagen beginnt die Desquamation – zunächst mit kleinen Schüppchen in Gesicht, Achseln und Leisten, dann an Händen und Füßen. Wesentlich häufiger als der klassische Scharlach tritt heutzutage ein milder, „atypischer“ Scharlach (Scarlatinella) auf.
Dabei können sich alle klassischen Symptome in abgemilderter Form zeigen: subfebrile Temperaturen, kaum beeinträchtigtes Allgemeinbefinden, gering ausgeprägter Ausschlag, diskretes Enanthem. Fehlen die typischen Haut- und Schleimhautveränderungen bei einem Patienten, wird für die Diagnose „Scarlatinella“ – in Abgrenzung zur einfachen Streptokokken- Tonsillopharyngitis – Folgendes gefordert: Neben Fieber muss im Verlauf der Erkrankung zumindest eine Hautschuppung auftreten. Auf diese Weise lässt sich ein milder Scharlachverlauf auch retrospektiv bestätigen. Ein Wundscharlach kann entstehen, wenn sich exotoxinbildende Gruppe-A-Streptokokken auf Epitheldefekten ansiedeln, etwa nach Verletzungen, Operationen oder Verbrennungen.
Diese Manifestationsform verläuft ähnlich wie klassischer Scharlach. Betroffene Patient:innen sind meist schwer krank und ein Übergang zum „septischen Scharlach“ ist möglich. Hohes Fieber und plötzlich fortschreitende, ausgeprägte Gewebsnekrosen: Septischer Scharlach zeigt typischerweise diese Befunde. Abszedierung, Sepsis und septische Streuung führen zu einer schweren invasiven Streptokokkeninfektion, die praktisch alle Organsysteme befallen kann. Wenn die Infektion vom Rachen ausgeht, bilden sich ggf. sogar Abszesse – bis zum Kehlkopf oder zur Luftröhre. Geht der septische Scharlach hingegen von einer Weichteil- oder Hautinfektion aus, entwickelt sich eine rasch fortschreitende Nekrose, die Haut, Subkutis und Faszien erfasst. Zu den möglichen klinischen Folgen gehören septischer Schock und Multiorganversagen.
Toxischer Scharlach auf die Intensivstation
Toxischer Scharlach – Scarlatina fulminans – ist die akute Verlaufsform, verursacht durch eine invasive Infektion mit exotoxinbildenden Streptokokken. Sehr hohes Fieber, anhaltendes Erbrechen, Delir, Meningismus und Krampfanfälle sind Ausdruck der ausgeprägten Intoxikation. Die Letalität beträgt rund 30 Prozent. Wichtig sind eine frühzeitige parenterale Antibiotikagabe und intensivmedizinische Betreuung der Patient:innen.
Penicillin – wann oral und wann systemisch?
Um Patient:innen mit Scarlatinella und Scharlach ohne invasive Infektion zu behandeln, empfehlen die Expert:innen eine orale Penicillingabe über sieben Tage (Penicillin V oder Phenoxymethylpenicillin-Benzathin). Schwerere Verläufe erfordern eine intravenöse Therapie mit Penicillin G. Liegt eine Penicillinallergie vor, können alternativ Makrolide oder Cephalosporine gegeben werden. Bei Scharlach mit lokalen Komplikationen ist eine parenterale Antibiotikagabe zwingend, ebenso beim septischen und toxischen Scharlach. Immunvermittelte Streptokokken-Folgeerkrankungen wie rheumatisches Fieber und Poststreptokokken-Glomerulonephritis treten heute eher selten auf – dürfen aber nicht übersehen werden.
Nicole Töpfner et al., Kinder- und Jugendarzt 2014; 45: 223–231
- Bei klassischer Scharlach-Symptomatik wird die Diagnose klinisch gestellt, der Streptokokkennachweis kann zur Bestätigung dienen. Alle anderen Scharlachformen sollten durch Erregernachweis gesichert werden. Goldstandard zum Nachweis beta-hämolysierender Streptokokken ist die Kultur. Schnelltests, die auf einem antigenbasierten Direktnachweis der sogenannten Gruppe-A-Streptokokken (GAS) aus dem Rachenabstrich basieren, erlauben eine raschere Diagnose – allerdings ist die niedrigere Schnelltestsensitivität zu bedenken.
- Um die Diagnosen „septischer oder toxischer Scharlach“ zu sichern, sollte ein kultureller Nachweis der Streptokokken in primär sterilem Material, beispielsweise in Blut, Liquor oder Gelenkflüssigkeit, erfolgen.
- Die häufig auftretende Streptokokken-Tonsillopharyngitis ist eine bakterielle Lokalinfektion. Wenn die auslösenden Streptokokken pyrogene Exotoxine bilden und der Patient nicht immun gegen diese Toxine ist, besteht das Risiko, Scharlach zu entwickeln.
- Somit steht beim Krankheitsbild Scharlach die systemische Immunantwort auf die pyrogenen Exotoxine im Mittelpunkt.
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