Pneumonien: Von der CAP zur VAP
Die aktuelle Klassifikation der Pneumonie, welche als Basis für Diagnose und Therapie dient, orientiert sich an der Situation, in der diese erworben wurde. Die häufigste Form ist die ambulant erworbene Pneumonie (Community Acquired Pneumonia, CAP). Von dieser wird die nosokomiale Pneumonie (Hospital-Acquired Pneumonia, HAP) unterschieden, die frühestens 48 Stunden nach Hospitalisation auftritt. Die Ventilator-Associated Pneumonia (VAP) ist eine Sonderform der HAP, die sich bei beatmeten Patienten mindestens 48 Stunden nach Intubation zeigt.
Ambulant erworbene Pneumonie
Die CAP ist die häufigste tödliche Infektionskrankheit in Europa. Allein in Deutschland erkranken pro Jahr etwa 400.000 bis 600.000 Menschen, davon werden 200.000 stationär aufgenommen. Die Inzidenz der Erkrankung steigt mit zunehmendem Alter rapide an und ist bei älteren Menschen mit einer erhöhten Morbidität und Mortalität behaftet. Prognosen gehen davon aus, dass sich die Neuerkrankungsrate aufgrund der stetig älter werdenden Bevölkerung in den nächsten zwanzig Jahren mehr als verdoppeln wird.
Erregerspekrum. Der mit Abstand häufigste Erreger der CAP ist nach wie vor Streptococcus pneumoniae mit einem Anteil von etwa 50 Prozent. Deutlich seltener sind Erreger wie Haemophilus influenzae, Mycoplasma pneumoniae, Viren oder Legionella spp. In ungefähr einem Viertel der Fälle bleibt der Erreger ungeklärt. In der Diagnostik spielt neben der Klinik, dem Labor und dem Thoraxröntgen die Mikrobiologie eine wichtige Rolle – ohne sie kann keine Korrelation zum Erreger hergestellt werden.
Schweregrad und Prognose. Der Risiko-Score CRB-65 ermöglicht eine Aussage über den Schweregrad und die Prognose der Pneumonie. Er dient außerdem als Entscheidungshilfe für eine ambulante oder eine stationäre Behandlung. Bei einem CRB-65-Index von _1 sollte die stationäre Einweisung erwogen werden (siehe Tab. 1)
Therapie. Essenziell für eine erfolgreiche Behandlung der Pneumonie ist die rasche Einleitung einer Antibiotikagabe. Die antimikrobielle Therapie sollte bei verifizierter Pneumonie immer sofort erfolgen, da eine Verzögerung von vier Stunden bereits zu einer erhöhten Mortalität führt. Die Pneumokokken-Penicillin- Resistenz variiert von Jahr zu Jahr und beträgt in Österreich etwas über zwei Prozent. In einer Studie von Hoenigl et al. konnte gezeigt werden, dass die Pneumokokken-Penicillin- Resistenz in der Steiermark über einen Zeitraum von elf Jahren im Schnitt nur 0,2 Prozent betrug. Die Pneumokokken-Markrolid- Resis tenz hingegen liegt bei über 20 Prozent. Folglich bleiben Penicilline nach wie vor Standardtherapie der CAP (siehe Tab. 2)
Bei einem CRB-65-Score _2 oder bei klinischem Verdacht auf atypische Er reger sollte zusätzlich ein Makrolidantibiotikum oder Fluorchinolon (Moxifloxacin) verwendet werden. Eine Therapiedauer von fünf bis sieben Tagen ist bei der CAP ausreichend. Bei der hospitalisierten CAP sollte der Urin auf Legionellen-Antigen getestet werden.
Health-Care Associated Pneumonia (HCAP). Der Begriff der HCAP fasst Pneumonien zusammen, die vor allem bei Patienten in Pflegeheimen vorkommen. Wobei man hier erwähnen muss, dass die Definition der HCAP alleine ein schlechter Prädiktor für multiresistente Erreger darstellt, da Pflegeheime allein kein Risikofaktor dafür sind. Die Exzessmortalität bei HCAP resultiert aus den diversen Komorbiditäten der Patienten. Deshalb ist eine Übertherapie bei Patienten aus Pflegeheimen nicht indiziert.
Nosokomiale Pneumonie
Von der CAP wird die HAP unterschieden, welche frühestens 48 Stunden nach Krankenhausaufnahme auftritt. Eine Sonderform der HAP ist die VAP, welche bei beatmeten Patienten mindestens 48 Stunden nach Intubation auftritt. In Deutschland gibt es etwa 120.000 nosokomiale Pneumonien im Jahr. Die HAP/VAP ist die zweithäufigste nosokomiale Infektion und die häufigste Infektion auf der Intensivstation. Die Letalität liegt bei zehn bis 30 Prozent.
Erregerspektrum. Während in den ersten 48 Stunden nach Krankenhausaufnahme (early onset) Erreger wie Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae und Methicillin- sensitiver Staphylococcus aureus (MSSA) dominieren (entspricht im Erregerspektrum im Wesentlichen der CAP), rücken ab dem fünften stationären Tag (late onset) multiresistente Erreger wie Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus (MRSA; siehe Bild), Pseudomonas aeruginosa und andere gramnegative Bakterien in den Vordergrund.
Multiresistenz bei gramnegativen Bakterien stellt weltweit ein zunehmendes Problem dar. Von großer Bedeutung sind dabei Resistenzen gegen Antibiotika aus der Gruppe der Carbapeneme, da diese noch als Reserve-Antibiotika gegen schwere Infektionen und Infektionen durch ESBL-bildende Enterobakterien eingesetzt werden können. Auch in Österreich ist eine Ausbreitung von Carbapenemase-produzierenden gramnegativen Bakterien zu beobachten.
Therapie der HAP/VAP. Diese ist abhängig von Risikofaktoren, wie Antibiotikavortherapie, Hospitalisierung über vier Tage, invasive Beatmung mehr als vier bis sechs Tage, Malnutrition, Aufenthalt auf einer Intensivstation sowie strukturelle Lungenerkrankung. Insgesamt sollte hier eine – meist parenterale – Antibiotikatherapie von acht Tagen, in Einzelfällen auch länger, angestrebt werden (siehe Tab. 3.)
Pneumonie bei Immunsuppression
Eine weitere Untergruppe in der Einteilung der Pneumonien umfasst die Pneumonie bei Immunsuppression (angeborene und erworbene Immundefekte). Das ätiologische Erregerspektrum ist deutlich breiter als bei immunkompetenten Patienten. Zu den Hauptkomplikationen in der Therapie von hämatologischen Neoplasien zählt die invasive pulmonale Aspergillose. Ihr Nachweis kann sich als schwierig erweisen, wodurch prognostisch entscheidende Verzögerungen entstehen. Deshalb wird intensiv an der Entwicklung neuer Frühmarker für Pilzerkrankungen gearbeitet.
Aufgrund der Resistenzentwicklung und der Stagnation bei der Substanzentwicklung werden nosokomiale Pneumonien auch in Zukunft eine Herausforderung für den klinischen Alltag darstellen. Mehr Bedeutung wird künftig vor allem Pneumonien bei immunsupprimierten Patienten zukommen. Hier besteht noch viel Forschungsbedarf für eine raschere Diagnostik und einer Optimierung des therapeutischen Managements.
Literatur bei den Autoren
Dr. Manuela Drescher, Priv.-Doz. Dr. Martin Hoenigl
Klinische Abteilung für Pulmonologie, Universitätsklinik für Innere Medizin, Graz