28. März 2014

Rheumakinder im Auge behalten

WIEN – Kindliches Rheuma ist für die Betroffenen eine schwere Belastung und führte bis vor Kurzem bei vielen jungen Patienten zu bleibenden Behinderungen. Die Situation hat sich durch den Einsatz von Methotrexat und Biologika deutlich gebessert.

Eine Sonderstellung unter den rheumatischen Erkrankungen nimmt die juvenile idiopathische Arthritis (JIA) ein. Eine JIA liegt gemäß Definition vor, wenn der Patient unter 16 Jahre alt ist, und seit mehr als sechs Wochen unter einer persistierenden Arthritis leidet, für die keine andere Ursache gefunden werden kann. „Nach ungefähr sechs Wochen wissen wir, dass es sich wohl nicht um eine reaktive Arthritis handelt. Nur in Einzelfällen kann eine Borrelien-Arthritis länger dauern, wird dann allerdings nach zweimaliger Antibiotika-Therapie auch wie Rheuma behandelt“, sagt Univ.- Prof. Dr. Wolfgang Emminger, Leiter der Rheumatologischen Ambulanz an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde am Wiener AKH.

Die Häufigkeit aller Formen von JIA liegt zusammen bei rund einem von 1000 Kindern. Die JIA kann sowohl als Oligoarthritis als auch als symmetrische Polyarthritis auftreten. Zudem gibt es eine systemische Verlaufsform mit Fieber und extraartikulären Manifestationen, Morbus Still genannt. Von der oligoartikulären JIA sind vor allem jüngere Kinder im Kindergartenalter betroffen. Fast alle Patienten sind ANA-positiv. In solchen Fällen muss immer auch an eine Uveitis gedacht werden, die sehr häufig im Verlauf einer oligoartikulären JIA auftritt. Prof. Emminger: „Die Augenbeteiligung ist sehr häufig. Kleinkinder mit Rheuma sollten daher sofort zum Augenarzt und in der Folge alle drei Monate auf eine Uveitis kontrolliert werden. Die rechtzeitige Diagnose und Behandlung reduzieren das Risiko von Fehlsichtigkeit.“

Häufig zusätzlich andere Autoimmunphänomene

Die JIA mit Befall von mehr als fünf Gelenken in den ersten sechs Monaten tritt hingegen häufiger bei älteren Kindern auf. Der Rheumafaktor ist dabei typischerweise negativ. Bei Jugendlichen kommt allerdings auch eine seropositive Form der JIA vor, die in ihrem Verlauf der RA beim Erwachsenen ähnlicher ist. Darüber hinaus gibt es auch bei Kindern die Psoriasis- Arthritis sowie die Enthesitis-bezogene Arthritis (häufig HLA-B27 positiv). Von einer undifferenzierten Arthritis spricht man, wenn die Erkrankung in keine oder in mindestens zwei der Kategorien passt. Kindliches Rheuma ist mit einem deutlich erhöhten Risiko weiterer immunologischer Probleme verbunden. So leiden Rheuma-Kinder häufiger unter Allergien und entwickeln überdurchschnittlich oft eine weitere Autoimmunerkrankung wie zum Beispiel einen Typ-1-Diabetes oder eine Zöliakie.

Zumindest vor der Methotrexat- und Biologika-Ära war auch das Risiko von Lymphomen rund vierfach erhöht. Die Prognose der juvenilen idiopathischen Arthritis hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch verbessert. „Noch für Kinder, die im Jahr 2000 erwachsen wurden, zeigten Registerdaten ein düsteres Bild. Sie nahmen im Schnitt vier bis sechs Medikamente und waren trotzdem deutlich eingeschränkt, viele hatten bereits Defektoperationen hinter sich“, weiß Prof. Emminger zu berichten. „Die Therapie war ineffizient und schlecht verträglich. Dementsprechend war auch ein hoher Anteil der jungen Patienten ausgeprägt depressiv. Dieses Bild hat sich verändert. Kommt man heute auf eine Kinder-Rheumaambulanz sieht man fast niemanden mehr humpeln, die meisten Kinder können in der Schule am Turnunterricht teilnehmen. Das haben wir in erster Linie dem Methotrexat und darüber hinaus den Biologika zu verdanken.“

Als Basistherapeutikum kommt heute praktisch nur noch Methotrexat zum Einsatz, in schweren Fällen ergänzt durch niedrig dosierte Kortikosteroide. NSAR spielen in der Praxis ebenfalls eine wichtige Rolle. Ein heißes Gelenk kann mit einem Cool-Pack gekühlt werden. Prof. Emminger betont, dass heiße Gelenke bei der JIA nicht rot sind. Ein heißes und rotes Gelenk weist in Richtung eines rheumatischen Fiebers oder einer Infektion. Unter den Biologika gibt es die längsten Erfahrungen mit Etanercept. Zehn-Jahres-Daten zeigen eine ausgezeichnete Verträglichkeit, was nicht zuletzt darauf zurückgeführt wird, dass Kinder nicht unter den bei Erwachsenen häufigen Komorbiditäten leiden. Die Wirksamkeit ist spektakulär.

Prof. Emminger: „Die meisten Kinder haben ab der ersten Biologika-Spritze eine deutlich verbesserte Lebensqualität mit weniger Morgensteifigkeit und besser funktionierenden Händen.“ Beim Einsatz von Methotrexat dauert es einige Wochen, bis die Wirkung eintritt. Diese Verzögerung wird mit niedrig dosiertem Kortison überbrückt. Die gegenwärtig unter Biologika-Therapie beobachteten Remissionsraten sind verbesserungsbedürftig und liegen in Abhängigkeit von der JIA-Form bei maximal um die 30 Prozent. Prof. Emminger: „Die Frage ist, welches Plateau wir bei den Kindern erreichen werden, wenn wir das Biologikum einmal länger haben und auch früher einsetzen können.“ Bereits jetzt ist die Wirkung auch ohne Remission klinisch bedeutsam, da ein bis zwei entzündete Gelenke eine erheblich geringere Belastung darstellen als acht bis zehn betroffene Gelenke.

Ausschleichen und schauen, was passiert

Erfreulich sind Daten, die zeigen, dass bei rund einem Drittel der Patienten ein Jahr nach Absetzen von Etanercept kein weiterer Schub auftritt. „Es ist in der Kindermedizin Praxis, nach sechs Monaten Entzündungsruhe das Medikament auszuschleichen und einmal zu sehen, was passiert. Wir fordern also das System heraus und sehen immer wieder Kinder, die mehrere Jahre ohne Medikamente und ohne Schub bleiben“, sagt Prof. Emminger. Allerdings müsse man diesen Patienten nahelegen, sich sofort an eine Erwachsenen- Rheumatologie zu wenden, wenn sie in späteren Jahren Anzeichen eines Schubs bemerken.

Ebenfalls für die Behandlung der JIA zugelassen sind Adalimumab und Abatacept i.v. im Falle des Anti-TNF-Versagens. Beim Morbus Still besteht Zulassung für den IL1-Antikörper Canakinumab und den IL6-Antikörper Tocilizumab. Der IL1-Rezeptorantagonist Anakinra findet außerhalb der Zulassung Verwendung.

Rheuma Days; Wien, März 2014

 

 

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune