27. März 2014

Sklerodermie: Hände weg vom Kortison!

WIEN – Die Sklerodermie ist unter den rheumatischen Erkrankungen besonders gefürchtet. Das liegt einerseits an den häufigen und lebensbedrohlichen Organbeteiligungen, andererseits aber auch an den nach wie vor sehr begrenzten therapeutischen Optionen.

Während bei der rheumatoiden Arthritis und anderen rheumatischen Erkrankungen in den letzten Jahren erhebliche Verbesserungen in der Therapie erreicht werden konnten, sind die rheumatischen Bindegewebserkrankungen nach wie vor deutlich schlechter zu behandeln. Das gilt besonders für die Sklerodermie, die nach wie vor eine ungünstige Prognose mit – abhängig von der Manifestationsform – hoher Mortalität aufweist. Bislang gibt es keine Therapie der Grundkrankheit. Allenfalls lassen sich die diversen Organmanifestationen durch spezifische Behandlung günstig beeinflussen. „Nach wie vor wird die Sklerodermie vielerorts mit Kortison behandelt“, sagt Prim. Univ.- Prof. Dr. Ludwig Erlacher, Leiter der 2. Medizinischen Abteilung am Kaiser-Franz-Josef-Spital in Wien. „Dies ist allerdings als echter Therapiefehler zu werten, da Kortison bei Sklerodermie nachweislich die Mortalität erhöht.“

Entzündung, Fibrose & Vaskulitis

Im Vordergrund stehen bei Sklerodermie zunächst Hautveränderungen mit Verdickung, Verlust der Anhangsgebilde, Ulzera und Entzündungszellen in der Epidermis. Pathophysiologisch stehen Inflammation, Fibrose und Vaskulopathie in einem wechselseitigen Zusammenhang. Eine genetische Suszeptibilität spielt sicher eine gewisse, wenn auch nur eine geringe Rolle. Die Konkordanz bei eineiigen Zwillingen liegt bei lediglich fünf Prozent. Daneben werden jedoch auch (in den meisten Fällen vermutlich nicht relevante) Umweltfaktoren wie organische Lösungsmittel mit dem Auftreten einer Sklerodermie in Verbindung gebracht. In der Praxis lassen sich also nur die allerwenigsten Sklerodermie-Fälle auf eine bekannte Ursache zurückführen. Die drei grundlegenden Faktoren der Sklerodermie – Entzündung, Fibrose und Vaskulitis – führen schließlich auch zu den potenziell lebensbedrohlichen Organkomplikationen wie Lungenhochdruck und renalen Krisen.

Klassifikationskriterien für Diagnostik hilfreich

Seit letztem Jahr existieren neue Klassifikationskriterien (van den Hoogen F et al., Arthritis Rheum. 2013 Nov; 65(11): 2737–47). Diese gehen nach einem Punktesystem vor, wobei die geforderten neun Punkte bereits erreicht werden, wenn die charakteristischen Hautverdickungen an den Fingern auftreten. Ist dies nicht der Fall, kann eine Sklerodermie anhand anderer Symptome wie z.B. Raynaud-Phänomen, digitaler Ulzera, Lungenhochdruck sowie charakteristischer Autoantikörper identifiziert werden. Prof. Erlacher betont, dass es sich nicht um Diagnose-, sondern lediglich um Klassifikationskriterien handelt, die z.B. in klinischen Studien Anwendung finden.

Sehr wohl praxisrelevant ist jedoch der Katalog von Symptomen, den diese Kriterien liefern. So bedeuten die neun Punkte letztlich nichts anderes, als dass bei charakteristischen Veränderungen an den Fingern eine klinische Diagnose auch ohne Antikörpernachweis gestellt werden kann. Prof. Erlacher: „Die Hautverdickungen an den Fingern sind so ausgeprägt, dass man die Haut nicht mehr abheben kann. Und wenn diese Veränderungen über die Metacarpophalangealgelenke hinausgehen, dann handelt es sich um eine Sklerodermie. Gehen die Verdickungen nicht über die Metacarpophalangealgelenke hinaus, so ist das eine Sklerodaktylie, die alleine nicht für die Sklerodermie- Diagnose ausreicht.“

Raynaud-Syndrom als Risikofaktor

Patienten, bei denen das Vollbild der Sklerodermie nicht besteht, aber einzelne der charakteristischen Symptome vorhanden sind, können ein erheblich erhöhtes Risiko aufweisen, in den nächsten Jahren eine Sklerodermie zu entwickeln. In diesem Sinne bedeutsam ist das Raynaud-Phänomen, das Anlass zur Suche nach weiteren Sklerodermie-Symptomen geben sollte. Die Kombination eines Raynaud-Phänomens, positiven Autoantikörpern und einer auffälligen Nagelfalz-Mikroskopie bedeutet ein 80-prozentiges Sklerodermie- Risiko innerhalb von 15 Jahren (Koenig M et al., Arthritis Rheum. 2008 Dec; 58(12): 3902– 12). Prof. Erlacher: „Daher sollten Patienten mit Morbus Raynaud immer dem Rheumatologen vorgestellt werden. In der Praxis heißt das: untersuchen und Autoantikörper messen. Prognosen sind allerdings schwierig zu stellen. Ich kenne zum Beispiel einige Patienten mit Sklerodaktylie, die bislang – über viele Jahre – keine Sklerodermie entwickelt haben.

Generell sind die Verläufe individuell sehr unterschiedlich. Manche Betroffene erleben einen Schub und dann keine weitere Verschlechterung, bei manchen wird die Haut sogar wieder besser. Und dann gibt es natürlich auch die schweren, systemischen Verläufe mit schlechter Prognose.“ Ungünstige prognostische Marker sind männliches Geschlecht, Proteinurie, erhöhte Senkung und eingeschränkte Lungenfunktion. Insgesamt ist die Sklerodermie mit einer Prävalenz von rund 300 pro einer Million Einwohner relativ selten, aber durchaus keine Rarität.

Jährlich zur Lungen- Funktionsdiagnostik

Die pulmonale arterielle Hypertonie ist eine der gefürchtetsten Komplikationen der Sklerodermie. Die Prävalenz von PAH bei Sklerodermie- Patienten liegt lediglich zwischen acht und zwölf Prozent. Gleichzeitig macht der Lungenhochdruck jedoch 30 Prozent der gesamten Sklerodermie-Mortalität aus. Unter den PAH-Patienten haben jene mit einer Sklerodermie als Hintergrunderkrankung eine besonders ungünstige Prognose. Ein regelmäßiges Screening auf PAH wird daher dringend empfohlen. Prof. Erlacher: „Bei allen Patienten mit Sklerodermie oder Kollagenosen mit Sklerodermie- ähnlichen Features sollte eine große Lungenfunktionsdiagnostik inklusive Diffusionskapazität durchgeführt werden. Desweiteren eine Echokardiographie und eine Bestimmung des proBNP – und das einmal im Jahr.“

Endothelinantagonisten bei muliplen Ulzera & PAH

Für die Therapie der Sklerodermie gibt es EULAR-Guidelines (Kowal-Bielecka O et al., Ann Rheum Dis 2009; 68: 620–8). Diese geben (auf Basis der bescheidenen Evidenz) Empfehlungen für die Behandlung der verschiedenen Manifestationen bzw. Komplikationen der Erkrankung. So werden beim Raynaud-Phänomen Kalziumantagonisten oder intravenöse Prostanoide empfohlen. Letztere begünstigen auch die Abheilung digitaler Ulzera. Hingegen führt der Endothelinantagonist Bosentan nicht zur Heilung von Ulzera, kann aber deren Auftreten verhindern und stellt daher eine Option bei Patienten mit multiplen digitalen Ulzera dar, die auf andere Therapien nicht angesprochen haben. In der Behandlung der PAH haben die Endothelinantagonisten die Situation etwas verbessert. Hinsichtlich der Hautsymptomatik empfiehlt die EULAR Methotrexat. Prof. Erlacher unterstreicht nicht nur dessen Wirksamkeit, sondern betont zudem, dass viele Sklerodermie-Patienten auch unter Arthritis leiden und daher zusätzlich von MTX profitieren.

Zur Prävention und Behandlung von Nierenkomplikationen werden ACEHemmer empfohlen, obwohl dazu bislang Studiendaten fehlen. Kortison spielt, wie bereits erwähnt, in der Behandlung der Sklerodermie keine Rolle. Eine Basistherapie wie z.B. für die rheumatoide Arthritis gibt es für die Sklerodermie bislang nicht. Hoffnung macht eine kürzlich publizierte Arbeit mit Rituximab, die über sieben Monate eine Verbesserung der Hautsymptomatik und der Lungenfunktion zeigt (Jordan S, Ann Rheum Dis. 2014 Jan 17. doi: 10.1136/annrheumdis- 2013-204522. [Epub ahead of print]). Allerdings fehlen bislang Daten aus randomisierten kontrollierten Studien. Gute Ergebnisse wurden auch mit Knochenmarktransplantation erzielt, denen allerdings eine Mortalität von rund zehn Prozent infolge der toxischen Therapie gegenübersteht. Die Methode könnte allerdings in schwersten, verzweifelten Fällen Zukunft haben.

Rheuma Days; Wien, März 2014

 

 

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune