Kampf gegen Delta nützt auch gegen Omikron; WHO gegen Genesenen-Plasma als Therapie
+++ EU-Behörden empfehlen Kreuzimpfungen gegen Covid-19 – WHO: Bekämpfung von Delta hilft auch gegen Omikron – Roche erhielt EU-Zulassung für Covid-Medikament – WHO rät von Therapie mit Genesenen-Plasma ab – Studien aus Israel: Booster erhöhen Schutz enorm – USA lassen Medikament mit künstlichen Corona-Antikörpern zu – Prognose-Experten: Rückgang bei Intensivbelag mit Zeitverzug +++
EU-Behörden empfehlen Kreuzimpfungen gegen Covid-19
Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA und die EU-Gesundheitsbehörde ECDC sprechen sich angesichts steigender Infektionszahlen für Kreuzimpfungen gegen Covid-19 aus. Damit könne mehr Flexibilität bei den Impfprogrammen in der Europäischen Union geschaffen werden, teilten die beiden Behörden am Dienstag, 7.12., mit. Studien zeigten, dass die Kombination von viralen Vektorimpfstoffen und mRNA-Impfstoffen gute Antikörperspiegel hervorrufen.
Außerdem kommt es dabei zu einer stärkeren Reaktion der T-Zellen als bei der Verwendung desselben Vakzins. Das gelte unabhängig davon, ob es sich um die Grundimmunisierung oder die Auffrischungsimpfung handle.
Die bisher vorliegenden Daten deuteten zudem darauf hin, dass sogenannte heterologe Auffrischungsimpfung in Bezug auf die Immunreaktion genauso gut oder sogar besser sei als die Auffrischungsimpfung mit demselben Impfstoff. Kreuzimpfungen seien generell gut vertragen worden. Die EMA und die ECDC wiesen allerdings auch darauf hin, dass die Verwendung eines viralen Vektorimpfstoffs als zweite Dosis bei der Grundimmunisierung oder die Verwendung von zwei verschiedenen mRNA-Impfstoffen noch weniger gut untersucht sei. Weitere Forschungen seien im Gange. Kreuzimpfungen könnten aber für mehr Flexibilität sorgen, insbesondere falls ein Impfstoff, aus welchen Gründen auch immer, nicht verfügbar sein sollte.
Die Behörden wiesen darauf hin, dass sie mit ihrer Empfehlung die Entscheidungsträger der nationalen Impfkampagnen dabei unterstützen wollen, dass möglichst viele EU-Bürger so schnell wie möglich geimpft und geschützt werden. Sie forderten alle Bürger auf, sich vollständig zu impfen und die jüngsten Empfehlungen zu Booster-Impfungen zu befolgen. (APA/Reuters)
Bekämpfung von Delta hilft auch gegen Omikron
Jeder zehnte Europäer wird nach Angaben des Europa-Büros der Weltgesundheitsorganisation WHO bis Ende dieser Woche eine nachgewiesene Corona-Infektion hinter sich haben. Das sagte WHO-Regionaldirektor Hans Kluge am Dienstag, 7.12., auf einer aus Kopenhagen übertragenen Online-Pressekonferenz. Die Neuinfektions- und Todesfallzahlen hätten sich in den vergangenen zwei Monaten mehr als verdoppelt.
Zugleich bleibe die Zahl der Todesfälle deutlich unter vorherigen Höchstständen, unterstrich Kluge. Ohne die Impfungen gegen Covid-19 wäre die Sterblichkeit erheblich schlimmer gewesen.
Die WHO zählt 53 Länder zur Region Europa, darunter neben der EU auch weiter östlich gelegene Staaten wie Russland, die Ukraine und Türkei. Den jüngsten WHO-Zahlen zufolge sind fast 90 Millionen Infektionen in dieser Region nachgewiesen worden, es gab fast 1,6 Millionen damit in Verbindung stehende Todesfälle. Die Zahl der Neuinfektionen steigt laut Kluge in allen Altersgruppen, während die höchsten Zahlen derzeit in der Gruppe der Fünf- bis 14-Jährigen beobachtet werden.
Kluge berichtete, dass es bis Montag 432 bestätigte Infektionen mit der Omikron-Variante des Coronavirus in insgesamt 21 Mitgliedstaaten der Region gegeben habe. "Omikron ist in Sicht und auf dem Vormarsch, und wir sind zurecht besorgt und vorsichtig", sagte der Belgier. Das jetzige Problem sei jedoch die weiterhin dominierende Delta-Variante.
"Wie wir heute gegen Delta erfolgreich sind, ist ein Sieg über Omikron morgen", sagte Kluge. Es gehe jetzt vor allem darum, die Lage in der Pandemie zu stabilisieren, und dies bedeute, nicht nur gegen eine Variante, sondern gegen alle Varianten auf einmal vorzugehen. Impfraten müssten gesteigert, Auffrischungsdosen verabreicht werden. Mehr Masken müssten in Innenräumen getragen, Räume gelüftet werden. Kluge wies zugleich darauf hin, dass Pflichtimpfungen nur "ein absoluter letzter Ausweg" seien, wenn alle machbaren Optionen zur Verbesserung der Impfzahlen ausgeschöpft seien. (APA/dpa)
Roche erhielt EU-Zulassung für Covid-Medikament
Nur einen Tag nach der Empfehlung des Ausschusses für Humanarzneimittel (CHMP) hat Roche die EU-Zulassung für sein Mittel RoActemra (Tocilizumab) erhalten. Eingesetzt werden darf es künftig auch zur Behandlung von Covid-19-Patienten, wie Roche am Dienstag, 7.12., mitteilte.
Konkret geht es um Patienten mit einem schweren Verlauf, die eine systemische Behandlung mit Kortikosteroiden erhalten und zusätzlichen Sauerstoff oder mechanische Beatmung benötigen. Das Roche-Medikament ist in der EU bereits zur Behandlung der Entzündungskrankheiten rheumatoide Arthritis, systemische juvenile idiopathische Arthritis, juvenile idiopathische Polyarthritis, Riesenzellarteriitis und Zytokinfreisetzungssyndrom (CRS) zugelassen.
Die Entscheidung der Europäischen Kommission folgt auf eine Bewertung durch den CHMP, der die Ergebnisse von vier Studien mit Actemra/RoActemra bei über 5.500 Patienten mit schwerer oder kritischer Covid-19 geprüft hat. Dabei wurden Patienten mit der Arznei behandelt, die an schwerer Covid-19 litten und zusätzlichen Sauerstoff oder mechanische Beatmung benötigten und hohe Werte an C-reaktivem Protein im Blut aufwiesen (was auf eine Entzündung hinweist).
Die Studien zeigten demnach, dass die Behandlung mit RoActemra, das als Infusion zusätzlich zur Standardbehandlung verabreicht wird, das Sterberisiko im Vergleich zur Standardbehandlung allein verringert.
Nach dem jüngsten Auftauchen der neuen SARS-CoV-2-Variante Omikron (B.1.1.529) habe die WHO berichtet, dass Interleukin-6-Rezeptorblocker wie Actemra/RoActemra bei der Behandlung von Patienten mit schwerem Covid-19 weiterhin wirksam sein dürften, teilte Roche ergänzend mit. (APA/dpa-AFX)
WHO rät von Therapie mit Genesenen-Plasma ab
Corona-Patienten sollten laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nicht mit Immunplasma von Genesenen behandelt werden. Eine Expertengruppe der WHO rät von solchen Transfusionen ab, wie sie in der Fachzeitschrift "BMJ" schreibt. Nach derzeitiger Studienlage hätten Covid-19-Patienten weder eine bessere Überlebenschance noch senke eine Transfusion mit Plasma das Risiko, dass sie beatmet werden müssen, heißt es in dem Artikel.
Die Experten hätten 16 Studien mit insgesamt mehr als 16.000 Patienten begutachtet. In besonders schweren Fällen sei die Studienlage noch unsicher, deshalb sprechen sich die Experten nicht gegen weitere Studien bei solchen Patienten mit Plasma aus.
Im Herbst 2020 galt eine passive Immunisierung mit Hilfe von Blutplasma von Menschen, die Covid-19 überstanden und Antikörper gegen Coronaviren gebildet haben, noch als vielversprechende Therapie. So etwas sei auch bei anderen Erkrankungen schon eingesetzt worden, etwa SARS, MERS oder Influenza, hieß es damals beispielsweise bei einer Tagung der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie (DGTI). Die Wirkung war zu dem Zeitpunkt aber noch nicht belegt, weil es noch keine randomisierten Studien mit Kontrollgruppen gab. (APA/dpa)
Studien aus Israel: Booster erhöhen Schutz enorm
Eine Booster-Impfung mit dem mRNA-Impfstoff von BioNTech/Pfizer senkt das coronabedingte Erkrankungs- und Sterberisiko deutlich. Das zeigen zwei Studien aus Israel, die im "New England Journal of Medicine" veröffentlicht wurden. Sie beziehen sich auf einen Zeitraum vor der Entdeckung der neuen Variante Omikron.
Ein Team um Shlomit Yaron von den Clalit Health Services in Tel Aviv verglich die Sterblichkeit von Menschen, die zwei Mal mit dem mRNA-Impfstoff geimpft wurden, mit der von Menschen, die zusätzlich eine Auffrischungsimpfung bekommen hatten. In die Studie flossen Daten ein von mehr als einer dreiviertel Million Menschen. Sie waren 50 Jahre oder älter und ihre Zweitimpfung lag mindestens fünf Monate zurück. In der Gruppe mit Auffrischungsimpfung lag das Risiko, an Corona zu sterben, nur bei einem Zehntel im Vergleich zur Gruppe ohne Booster.
Eine andere Gruppe um Ron Milo vom Weizmann Institute of Science in Rehovot konzentrierte sich in ihrer Arbeit auf die Wirksamkeit der Booster-Impfungen in verschiedenen Altersgruppen. Dabei werteten sie Daten von 4,7 Millionen Menschen ab 16 aus. Verglichen wurden Menschen, die mindestens zwölf Tage zuvor geboostert worden waren, mit Menschen ohne Drittimpfung. Bei den dreifach Geimpften war die Zahl der bestätigten Infektionen über alle Altersgruppen hinweg in etwa um den Faktor 10 niedriger als bei nur zweifach Geimpften. Schwere Verläufe bei Menschen ab 60 Jahren waren in der Booster-Gruppe um den Faktor 17,9 seltener, Todesfälle gab es um den Faktor 14,7 weniger. (APA/dpa)
USA lassen Medikament mit künstlichen Corona-Antikörpern zu
Die US-Gesundheitsbehörden haben die Verwendung eines Medikaments mit synthetischen Antikörpern zugelassen, das Menschen gegen eine Corona-Infektion schützen soll. Die US-Arzneimittelbehörde FDA erteilte am Mittwoch, 9.12. (Ortszeit) eine Notfallzulassung für das von AstraZeneca entwickelte Medikament Evusheld. Die Behörde warnte allerdings, das Medikament sei "kein Ersatz" für Menschen, bei denen die Impfung empfohlen wird.
Das Medikament dürfe nur bei Menschen mit einem geschwächten Immunsystem oder solchen, die aus medizinischen Gründen wie einer starken allergischen Reaktion gegen Impfstoffe nicht geimpft werden können, eingesetzt werden. In diesen begrenzten Fällen kann das Medikament an Betroffene ab zwölf Jahren verabreicht werden.
Evusheld kombiniert zwei Arten von synthetischen Antikörpern, die in Form von zwei Spritzen direkt nacheinander verabreicht werden. Diese Antikörper helfen dem Immunsystem, das Virus zu bekämpfen, indem sie auf das Spike-Protein anspringen, das es dem Virus ermöglicht, in die Körperzellen einzudringen.
Der FDA zufolge schützt das Medikament bis zu sechs Monate vor einer Corona-Infektion. Laut der Behörde darf es nicht an Menschen verabreicht werden, die bereits infiziert sind – AstraZeneca erforscht jedoch eine entsprechende Anwendung.
Zu den Nebenwirkungen können eine allergische Reaktion, Blutungen an der Injektionsstelle, Kopfschmerzen und Müdigkeit gehören. Die FDA-Zulassung basiert auf einer klinischen Studie, die an nicht geimpften Menschen über 59 Jahren oder mit einer chronischen Krankheit oder einem hohen Infektionsrisiko durchgeführt wurde. Während der Studie an 3.500 Menschen wurde etwa der Hälfte der Teilnehmer ein Placebo verabreicht. Die Studie zeigte, dass die Behandlung das Risiko, an Covid-19 zu erkranken, um 77 Prozent verringerte.
Derzeit sind zwei weitere Antikörper-Medikamente der Firmen Regeneron und Eli Lilly in den USA zugelassen. Die Zulassung ist allerdings noch deutlich eingeschränkter: Sie gilt nur für Menschen, die kurz zuvor mit dem Virus in Berührung gekommen sind oder aufgrund ihrer Position eine hohe Wahrscheinlichkeit haben, damit in Berührung zu kommen, wie bspw. Pflegepersonal. Die Betroffenen müssen dabei nicht nur nicht geimpft oder immungeschwächt sein, sondern auch ein hohes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf aufweisen. (APA/ag)
Prognose-Experten: Rückgang bei Intensivbelag mit Zeitverzug
Die Experten des Covid-Prognose-Konsortiums gehen davon aus, dass sich der Abwärtstrend bei den Corona-Infektionszahlen in Österreich fortsetzt. "Mit entsprechendem Zeitverzug kann daher auch ein Rückgang der Fallzahlen auf den Intensivstationen erwartet werden", hieß es in dem am Mittwoch, 8.12., veröffentlichten wöchentlichen Update. Erste Rückgänge bei den Spitalszahlen erfolgen "jedoch nach wie vor auf teilweise systemkritisch hohem Auslastungsniveau", wurde betont.
Für den letzten Prognosetag am 15. Dezember wird von einer Sieben-Tage-Inzidenz im Bereich von 180–300 Fällen je 100.000 Einwohner ausgegangen. Die geringste Inzidenz wird in Wien mit einem Wert von 140–230 erwartet und die höchste in Vorarlberg mit 380–620. Am 12. oder 13. Dezember möglicherweise in Kraft tretende Öffnungsschritte seien für die aktuelle Fallprognose noch nicht ausschlaggebend, heißt es in der im Auftrag des Gesundheitsministeriums erstellten Expertenvorschau.
Zeitversetzt zum Höhepunkt der vierten Welle geht die enthaltene Belagsprognose für die Spitäler von einem Rückgang der Bettenauslastung auf Intensiv- und Normalstationen aus. Die kritische Marke von 33 Prozent Auslastung der Intensivstationen mit Covid-Patienten wird österreichweit Ende der Prognoseperiode in zwei Wochen am 22. Dezember nur mit 2,5 Prozent Wahrscheinlichkeit überschritten.
Das sei unter der Annahme, dass das Aufnahme- und Entlassungsregime in den Spitälern unverändert bleibt, aufgrund der Annäherung von Auslastungsgrenzen "sind jedoch Änderungen des Aufnahme- und Entlassungsregimes zu erwarten", betonten die Modellrechner. In einer Woche, am 15. Dezember, ist die Überschreitung der 33-prozentigen Auslastungsgrenze in allen Bundesländern möglich. Am geringsten ist die Wahrscheinlichkeit jedoch in Wien mit 0,5 Prozent und recht hoch in Vorarlberg mit 84 Prozent.
Die Annahmen der vorangegangenen Prognose zum Intensivbelag waren in der Realität in einigen Bundesländern übertroffen worden, hielten die Experten fest. Im Burgenland lagen die Zahlen sogar über dem 95-Prozent-Intervall und in Niederösterreich und Vorarlberg über dem 68-Prozent-Konfidenzintervall.
Insbesondere in Bundesländern mit niedrigen absoluten Fallzahlen wie im Burgenland und in Vorarlberg seien auch in den vergangenen Tagen noch Anstiege beim Intensivbelag verzeichnet worden. Das könnte eine Erhöhung des zeitlichen Abstandes zwischen positivem Test und Intensivaufnahme nahelegen, vermuten die Prognoserechner. Dies könne jedoch aufgrund einer fehlenden Verknüpfung von Daten nicht überprüft werden. Das Covid-Prognose-Konsortium setzte sich aus Vertretern der TU Wien, der MedUni Wien/Complexity Science Hub Vienna (CSH) und der Gesundheit Österreich GmbH zusammen. (APA)