29. Okt. 2021

Raus aus der Fatigue

Was gegen die Erschöpfung bei rheumatischen Erkrankungen hilft

Trauriger reifer Mann, der sich mit Regentropfen an ein Fenster lehnt - konzentrieren Sie sich auf die Hände und das Fenster
iStock/ArtmannWitte

Fatigue als Symptom einer rheumatischen Erkrankung darf nicht unterschätzt werden, betonte Professor Dr. Jette Primdahl vom Danish Hospital for Rheumatic Diseases am University Hospital of Southern Denmark. Doch oft fühlen sich betroffene Patienten von ihrem Arzt und sozialen Umfeld unverstanden, wenn sie keine Energie für irgendwelche Aktivitäten aufbringen. Dabei ist die Fatigue häufig: Je nach Definition geben 35–80 % der rheumatologischen Patienten an, darunter zu leiden. Die genauen Definitionen variieren – gemeint ist eine übermäßige Müdigkeit oder Erschöpfung, die das Maß des Normalen übersteigt und oft auch durch Schlaf oder Ausruhen nicht wieder vergeht.

Nach einer Untersuchung sind 41 % der Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) davon betroffen, bei ankylosierender Spondylitis sind es 45 %, bei Psoriasisarthritis 57 % und bei systemischem Lupus erythematodes 52 %. Auch ein Drittel der Patienten mit Arthrose klagt über Fatigue. Jüngere Patienten mit kürzerer Krankheitsdauer sind insgesamt häufiger betroffen – ältere Menschen scheinen Fatigue eher zu ignorieren oder dem Alter zuzuschreiben. Frauen klagen häufiger über dieses Symptom als Männer.

Als Faktoren, die Fatigue begünstigen, haben sich hohe Schmerzintensität, höherer Behinderungsgrad, schlechter Schlaf sowie Depressionen, Sorgen und Angst erwiesen. Auch mangelnde soziale Unterstützung, Rollenkonflikte im Alltagsleben, das Gefühl von Hilflosigkeit und Kontrollverlust sowie eine gestörte Krankheitswahrnehmung gehen gehäuft mit Fatigue einher.

In der Patientenwahrnehmung ist Fatigue ein unsichtbares, unvorhersehbares und unkontrollierbares Symptom, dass alle Aspekte des Lebens beeinträchtigt, sagte die Rheumatologin. Neben der bodenlosen Erschöpfung werden u.a. Appetitmangel, Konzentrations- und Gedächtnisprobleme, Schwierigkeiten bei geplanten und spontanen Aktivitäten und ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit beschrieben. Jeden Tag müssen die zu erledigenden Aufgaben priorisiert werden – der erhöhte Bedarf an Schlaf und Ruhezeiten führt zu einem ständigen Zeitmangel.

Zur Messung des Ausmaßes der Fatigue stehen zahlreiche validierte Fragebogen zur Verfügung. Für rheumatologische Patienten hält Prof. Primdahl den Bristol Rheumatoid Arthritis Fatigue Multidimensional Questionnaire (BRAF-MDQ) als am besten geeignet, der u.a. auch in Deutsch validiert ist.

Die tägliche Sitz- und Liegezeit reduzieren

Wie kann man den Patienten helfen? Eine wichtige Säule ist die antiinflammatorische Therapie zur Unterdrückung der Krankheitsaktivität und damit auch der Schmerzen, sagte die Rheumatologin. Biologika sollen zu einem leichten bis moderaten Rückgang der Fatigue führen. Auch bietet sich die zusätzliche Gabe von Schmerzmitteln an – die Medikamente sollten aber möglichst nicht zusätzlich müde machen. Eine effektive Behandlung von Depressionen kann die Fatigue ebenfalls bessern.

Unter den nicht-pharmakologischen Maßnahmen ist die vermehrte körperliche Aktivität die stärkste Waffe. Hierbei brauchen die Patienten aber oft Unterstützung, etwa wenn es darum geht, sich individuelle Ziele zu setzen oder das Training zu planen und durchzuführen. Einem Patienten, der vor Müdigkeit kaum den Alltag bewerkstelligt, ist oft schwer zu vermitteln, dass er jetzt auch noch zum Sport gehen soll, so die Erfahrung Prof. Primdahls. Daher muss in kleinen Schritten vorgegangen werden. Ein erstes Ziel kann beispielsweise sein, die tägliche Sitz- und Liegezeit etwas zu reduzieren. In besonders ausgeprägten Fällen wirkt eine Verhaltenstherapie unterstützend.

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Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune