4. Mai 2020Allergien - Teil 2

Allergien: Diagnostik & Therapie

Allergologe spritzt einem jungen Mädchen, einem Arzt, gegen Allergien. Allergenspezifische Immuntherapie
Henadzi Pechan/GettyImages

Allergische Erkrankungen sind auch im Frühjahr wieder ein Thema in der hausärztlichen Praxis. Die geeignete Diagnostik ist wegweisend für eine erfolgreiche Behandlung und erfolgt idealerweise über den Facharzt in einer Spezialambulanz.

Birken- und Rapspollen sind aktuell unterwegs. Gut zu wissen, worauf man allergisch ist, denn so kann man rechtzeitig handeln. Viele Patienten wissen jedoch nicht mit Sicherheit, was der Auslöser der rinnenden Nase und juckenden Augen oder der Verdauungsprobleme bei Nahrungsmittelallergien ist.

Die Suche nach dem Allergen

Beim Auftreten einer Allergie ist das wichtigste Ziel der ärztlichen Diagnostik das Aufspüren des Allergens als Ursache der Erkrankung. Grundlage der Diagnose ist die ausführliche Anamnese, wobei vor allem die Art und Stärke der Symptome und der Zeitpunkt des Auftretens (perennial versus saisonal) zu erfragen ist. Dies kann bereits wichtige Hinweise auf mögliche Allergenquellen liefern. Wird ein inhalatives Allergen als Ursache vermutet, ist der nächste Schritt ein Hauttest zur Identifizierung der Allergenquelle (Box 1).1

Hauttests erlauben eine parallele Testung von Allergenen und ermöglichen so die rasche Identifizierung der Auslöser, z.B. für allergische Rhinokonjunktivitis und Asthma, Kontaktdermatitis, Nahrungsmittel, Bienen- und Wespengift und Urtikaria. Durch Einbringen einer Allergendosis auf oder in die Haut wird eine allergische Reaktion ausgelöst.
Die Auswahl der Allergenquelle für den Hauttest wird durch die Anamnese bestimmt. Meist wird der Test mit Extrakten der Allergenquelle durchgeführt, um alle darin enthaltenen Haupt- und Nebenallergene abzudecken. Als zu testendes Hautareal bieten sich die Innenseiten der Unterarme oder auch der Rücken an. Antihistaminika sind einige Tage vor dem Test abzusetzen.

Bei Verdacht auf inhalative Allergien (z.B. gegen Pollen) wird als häufigste und auch in der Hausarztpraxis einzusetzende Methode der Pricktest angewendet, bei der mit einer Lanzette durch einen Tropfen der Allergenlösung hindurch etwa 1mm in die Haut gestochen wird; Tropfen mit Histamin und isotonischer Kochsalzlösung dienen als Referenz. Nach ca. 15 Minuten kann die Soforttyp-Reaktion bewertet werden (Größe von Quaddel/Erythem); ein mittlerer Quaddeldurchmesser von über 3mm wird als positiv gewertet. Der Patient soll für weitere 30 Minuten überwacht werden. Alternativ kann die Allergenlösung auch intradermal injiziert werden (z.B. bei Insektenstich- und Medikamentenallergie); diese Art der Ausführung gehört jedoch in die Hand eines Facharztes.

Die seltener eingesetzten Reibe- und Scratchtests eignen sich bei Verdacht auf hohe Sensibilisierung und zur Testung unstandardisierter Allergene.
Beim Reibetest wird die Haut mit dem zerkleinerten, festen Allergen eingerieben; beim Scratchtest wird eine Allergenlösung aufgetragen und die Haut oberflächlich mit einer Nadel angeritzt. Aufgrund der geringen Standardisierungsmöglichkeit und daher hohen Erfahrung, die zur Auswertung notwendig ist, wird für diese Tests eine Überweisung zum Allergologen empfohlen.
Bei Verdacht auf Kontaktallergien und Typ-IV-Medikamentenallergien gilt der Epikutantest (= Patchtest) als Standard, bei dem das Allergen z.B. in Vaseline mittels eines Pflasters meist am Rücken appliziert wird. Hier kann ein positives Ergebnis frühestens nach 24 Stunden erwartet werden (verzögerte Typ-IV-Reaktion). Der Test ist aufwendig und sollte vom Facharzt durchgeführt werden. Der Patient sollte bei allen Hauttests über mögliche Spätreaktionen aufgeklärt werden, und sich diesbezüglich für mindestens weitere 24 Stunden selbst beobachten.

Eine Typ-I-Allergie wird in der Regel von einer Erhöhung des Gesamt-IgE-Spiegels im Blut begleitet. Als alleiniger Marker zum Beweis oder Ausschluss einer Allergie ist der Gesamt-IgE Spiegel allerdings ungeeignet. Dagegen kann der Nachweis allergenspezifischer IgE-Antikörper im Serum eine sinnvolle Ergänzung der Hauttests darstellen. Dabei können die Allergenquellen (wie beim Hauttest mittels Extrakten) oder aber die einzelnen Allergene bestimmt werden, gegen die die IgE-Antikörper gerichtet sind. Durch diese sogenannte Komponentendiagnostik kann abgeklärt werden, ob ein Patient tatsächlich gegen eine Allergenquelle sensibilisiert ist oder ob eine Kreuzreaktivität vorliegt. Auch kann so ermittelt werden, ob ein Patient für eine Immuntherapie geeignet ist.

Provokationstests sind der Goldstandard der Allergiediagnostik. Sie ermöglichen, das Krankheitsbild unter kontrollierten Bedingungen am Zielorgan zu reproduzieren. Wohl am häufigsten wird die nasale und konjunktivale Provokation mit einer Allergenlösung eingesetzt. Eine spezifische bronchiale Allergenprovokation wird in der Arbeitsmedizin (z.B. bei Verdacht auf Bäckerasthma) gelegentlich durchgeführt – wegen möglicher Nebenwirkungen stationär. Generell sind Provokationstestungen Spezialuntersuchungen, die in die Hände des Allergologen gehören. Die Ressourcen für die Durchführung von aufwändigen Provokationstests sind in Österreich aber generell eher begrenzt.

Box 1: Diagnostik der Allergie

  1. Anamnese
  2. Hauttests
    * Pricktest: Standardverfahren bei Typ-1-, Insektenstich- und Medikamentenallergie sowie bei Nahrungsmittelallergien
    * Prick-to-Prick-test: vor allem zur nativen Testung von Nahrungsmitteln
    * Intradermaltest: eventuell bei Insektenstich- und Medikamentenallergie
    * Reib- und Scratchtest: bei unstandardisierten Allergenen
    * Patchtest: Konktaktallergene; Typ-IV-Medikamentenallergie
  3. Spezifisches IgE (optional als Ergänzung des Hauttests)
  4. Organprovokationstest: nasal, konjunktival, bronchial, oral

Patienten mit vermuteter Nahrungsmittelallergie sollten nach Verzehr der wichtigsten Auslöser (Kuhmilch, Hühnerei, Soja, Fisch, Schalentiere, Baum- und Erdnüsse, Weizen) gefragt werden. Eventuell kann im Zuge der Anamnese auch ein Symptom- und Nahrungsmittelprotokoll bzw. ein Karenzversuch erfolgen.2 Das weitere diagnostische Vorgehen hängt davon ab, ob ein ernährungstechnisch relevantes Allergen vermutet wird oder nicht. Beispielsweise wird man bei Verdacht auf Kuhmilch-Allergie bei einem Kleinkind die volle Diagnostik und eventuell eine Provokation durchführen, nicht jedoch bei einem leicht zu vermeidenden Allergen bei einem Erwachsenen. Die volle Diagnostik ist auch bei gefährlichen Allergenen geboten, etwa Erdnüssen (Ara h 2) oder Speicherproteinen bei Nüssen (Cor a 9/14).

Wenn erforderlich, wird bei Erwachsenen für die Diagnostik in erster Linie ein Hauttest durchgeführt, z.B. ein Pricktest mit kommerziellen Extrakten oder ein Prick-to-Prick-Test mit nativen Nahrungsmitteln.2 Bei Kindern steht dagegen die In-vitro-Diagnostik mittels spezifischer IgE-Bestimmung im Vordergrund. Abschließend kann dann die Übereinstimmung von diagnostischen Parametern und klinischen Symptomen durch kontrollierte orale Provokation erfolgen.
Bei Verdacht auf Allergie gegen Insektenstiche aufgrund übermäßiger Lokalreaktion bestätigt der Nachweis spezifischer IgE-Antikörper oder ein Hauttest die Diagnose. Bei Medikamentenallergien können Hauttests die Diagnose leiten.3

Allergenkarenz und Therapie

Meidung des Allergens

Die Allergenkarenz, also das Vermeiden eines Allergenkontakts, ist der erste Schritt in der Sekundär- und Tertiärprävention, aber auch der Therapie der Allergie. Welche Maßnahmen zur Allergenkarenz empfehlenswert sind, hängt von der Art der Allergene und der Exposition ab, wie folgende Beispiele zeigen:

  • Bei Nahrungsmittelallergien muss über das Vorkommen der jeweiligen Allergene in den Lebensmitteln und über Kreuzallergien aufgeklärt werden.
  • Bei Kontaktallergien ist auf die Vermeidung der auslösenden Allergene, etwa beim Kauf von Körperpflegeartikeln, Modeschmuck oder auch bei der zahnärztlichen Behandlung, zu achten.
  • Bei Pollenallergien sollen Vorhersagen des Pollenflugs für die Planung von Aufenthalten im Freien genutzt werden.
  • Bei Tierallergien muss zur Entfernung des Tieres aus dem Haushalt geraten werden.
  • Bei Milbenallergie kann die Allergenbelastung durch spezielle Matratzenüberzüge reduziert werden; zur Primärprävention einer Hausstaubmilbenallergie ist diese Maßnahme allerdings nicht geeignet.4

Symptomatische Behandlung

In vielen Fällen reicht eine Allergenkarenz alleine nicht aus, um die Erkrankung zu kontrollieren. Die benötigte medikamentöse Therapie beschränkt sich allerdings auch heute bei allen Formen der Allergie – mit Ausnahme der allergenspezifischen Immuntherapie (AIT, siehe weiter unten) – auf eine symptomatische Behandlung, z.B.:

  • Abschwellung der Nasenschleimhaut bei der allergischen Rhinitis durch kurzfristigen Einsatz von Alpha-1-Sympathomimetika;
  • Blockade der Histaminwirkung bei Typ-I-Allergien (H1-Antihistaminika);
  • Bronchodilatation bei Asthma (Anticholinergika, Beta-2-Sympathomimetika);
  • Entzündungshemmung bei Asthma (Glukokortikoide, Leukotrien-Rezeptor-Antagonisten);
  • Entzündungshemmung bzw. Immunsuppression bei atopischer Dermatitis (Glukokortikoide bzw. Calcineurinhemmer).

Bei unzureichender Kontrolle der Erkrankung durch diese Medikamente können in einigen Fällen gezielte Antikörper-Therapien eingesetzt werden: anti-IgE bei allergischem Asthma; anti-IL4/13R bei atopischer Dermatitis, Asthma und Polyposis nasi; anti-IL-5 und anti-IL-5Rα bei schwerem eosinophilem Asthma.

Allergen-spezifische Immuntherapie (AIT) und subkutane Immuntherapie (SCIT)

Die einzige kausale Behandlung bei Typ-I-Allergien ist die Allergen-spezifische Immuntherapie (AIT, früher auch als Hyposensibilisierung oder Desensibilisierung bezeichnet). Diese ist nicht mit der onkologischen Immuntherapie zu verwechseln. Durch die Gabe von Allergenen in Impfstoffen werden blockierende Antikörper sowie toleranzinduzierende Zellen und Zytokine induziert, die die Immunantwort auf die Allergene blockieren und Entzündungsreaktionen dämpfen. Bei Allergien im Kindes- und Jugendalter sollte der Therapiebeginn früh gewählt werden (min. 5 Jahre), um Neusensibilisierungen und das Asthmarisiko zu vermindern.

Bei der allergischen Rhinokonjunktivitis ist die Wirksamkeit der subkutanen Immuntherapie (SCIT) bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen gut belegt; es existieren zahlreiche kontrollierte Studien für Pollen- und Hausstaubmilbenallergien, einige bei Schimmelpilzallergie.5 Eine AIT gegen Haustiere wird nur in Ausnahmefällen empfohlen, weil sie wenig wirksam und nebenwirkungsreicher als andere Immuntherapien sind. Auch bei stabilem Asthma kann eine SCIT erwogen werden, wenn eine allergische Ursache der Erkrankung klar festgestellt ist und eine Allergenkarenz nicht zur Asthmakontrolle führt; durch die AIT wird die bronchiale Überempfindlichkeit und die Symptomatik deutlich vermindert. Zur Wirksamkeit bei atopischer Dermatitis zeigte sich dagegen in bisherigen Studien nur ein moderater und uneinheitlicher Therapieeffekt.

Eine SCIT kann bei nachgewiesener IgE-vermittelter Allergie gegen Pollen uneingeschränkt empfohlen werden, bei Milben dann, wenn Maßnahmen zur Karenz nicht ausreichend sind. Eine eingeschränkte Empfehlung besteht bei Tierepithelen, vor allem von Katzen, und Schimmelpilzen, gegen deren Allergene eine AIT eher schlecht anspricht. Nach einer Aufdosierungsphase von bis zu drei Monaten wird die Hyposensibilisierung mit einer Erhaltungsdosis fortgeführt: Insgesamt dauert die SCIT meist drei Jahre; sie sollte abgebrochen werden, falls nach zwei Jahren kein Erfolg sichtbar ist. Nebenwirkungen (insbesondere lokalen Irritationen) kann durch prophylaktische Gabe von Antihistaminika begegnet werden. Die Indikation für die SCIT sollte durch einen Allergologen gestellt werden; eine weitere Therapie (z.B. die Nachinjektionen), kann auch in der Hausarztpraxis erfolgen.

Nur allergologisch weitergebildete Allgemeinärzte sollten eine AIT durchführen. Zu den Kontraindikationen für die AIT gehören ein unkontrolliertes Asthma, schwere Autoimmunerkrankungen und eine aktuelle Krebserkrankung. Bei Behandlung des Patienten mit Betablockern oder ACE-Hemmern bzw. Sartanen ist eine Insektengift-AIT keine Kontraindikation, bei AIT mit inhalativen Allergenen eine relative Kontraindikation; wenn möglich, sollten Betablocker im letzteren Fall mit einer Alternative substituiert werden.6
Patienten, die eine SCIT erhalten, dürfen keinen akuten Infekt haben, und der Abstand zu Impfungen sollte mindestens eine Woche betragen. Wichtig ist auch das Einhalten einer Wartezeit von mindestens 30 Minuten nach der SCIT, um auf etwaige anaphylaktische Reaktionen noch in der Praxis reagieren zu können.

Die sublinguale Immuntherapie (SLIT)

Zunehmende Bedeutung gewinnt die sublinguale Immuntherapie (SLIT); hier werden die Allergene in Tropfenform oder als Schmelztablette über die Mundschleimhaut aufgenommen. Die Metaanalysen zur Wirksamkeit der SLIT mit Tropfen müssen aufgrund der heterogenen Resultate kritisch betrachtet werden; offenbar wirkt sich hier der geringere Allergengehalt dieser Darreichungsform negativ aus. Dagegen zeigt die SLIT mit Hochdosispräparaten als sublinguale Tabletten ähnlich gute Ergebnisse in Symptomreduktion und Langzeitwirkung wie die SCIT. Es existieren hier gute Studien bezüglich der allergischen Rhinokonjunktivitis, vor allem zu Gräserpollen, aber auch zu Baumpollen und Milben.5 Auch wurde die Wirksamkeit der SLIT bei schlecht kontrolliertem, durch eine Hausstaubmilbenallergie bedingtem Asthma gezeigt.7

Die Compliance des Patienten ist bei der SLIT oft ein Problem, denn die sublingual gegebenen Tabletten oder Tropfen erzeugen meist ein brennendes Gefühl im Mund, über das die Patienten aufgeklärt werden müssen. Gut geeignet ist die SLIT z.B. für Personen, welche die für die SCIT notwendigen häufigen Arztbesuche vermeiden wollen.
Wichtig ist zu beachten, dass die neuen Hochdosis-SLIT-Präparate auch häufiger schwerere Nebenwirkungen verursachen, wie z.B. eosinophile Ösophagitis. Eine enge Führung der Patienten ist wichtig, denn die gute Compliance ist der wichtigste Erfolgsfaktor, damit die Wirksamkeit einer SLIT die Wirksamkeit einer SCIT erreichen kann, was in der Praxis oft schwierig ist.

Weiter zu Entstehung und Prävention

Referenzen:

1 Klimek L Dtsch Arztebl 2015; 112:[13]
2. Worm M et al. Allergo J Int 2015; 24: 256–93
3. Chang KL & Guarderas JC. Am Fam Physician 2018; 98: 34–39
4. Schäfer T et al. Allergo J Int 2014; 23
5. Pfaar O et al. Allergo J Int 2014; 23: 282–319
6. Pitsios C et al. Allergy. 2015; 70: 897–909
7. Virchow JC et al. JAMA. 2016; 315: 1715–25