24. Feb. 2020

Diese Patienten mit Halsschmerzen brauchen wirklich Antibiotika

Bei der akuten Streptokokkenangina steht der Nutzen einer Antibiotikatherapie außer Frage. Aber bei zahlreichen anderen Entzündungen in Larynx und Pharynx ist die Lage weniger eindeutig. HNO-Ärzte erläutern, wann die Antibiose sinnvoll ist. (Medical Tribune 7-8/20)

Kommt ein Patient mit akuter Tonsillopharyngitis in die Praxis, gilt es vor einer möglichen Antibiotikatherapie zunächst einmal, die Wahrscheinlichkeit für eine Streptokokken-Infektion zu ermitteln. Schließlich wird diese Erkrankung in 40–80 % der Fälle durch Viren ausgelöst. Streptokokken der Gruppe A erreichen bei Kindern einen Anteil von 15–30 % und bei Erwachsenen von 5–10 %, heißt es in der Leitlinie zur Antibiotika-Therapie im HNO-Bereich, die im Sommer 2019 unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie aktualisiert worden ist.

Scharlach eine Woche lang mit Penicillin V behandeln

Eine mikrobiologische Diagnostik wird nur bei Therapieversagen empfohlen und sollte dann eine EBV-Serologie einschließen. Im Regelfall reicht es, das Risiko für die bakterielle Infektion über einen Score einzuschätzen. Sowohl Centor- und McIsaac-Score umfassen vier klinische Kriterien, deren Vorhandensein jeweils mit einem Punkt bewertet wird:

  • Fieber > 38,5 °C
  • geschwollene Kieferwinkellymphknoten
  • eitrige Tonsillenexsudate
  • fehlender Husten

Der McIsaac-Score berücksichtigt zusätzlich noch das Alter der Patienten, da die Häufigkeit einer bakteriellen Infektion mit dem Alter abnimmt:

  • zwischen 4 und 14 Jahren (1 Punkt)
  • zwischen 15 und 44 Jahren (0 Punkte)
  • ab 45 (–1 Punkt)

Die Wahrscheinlichkeit für den Nachweis von Gruppe-A-Streptokokken im Abstrich erreicht mit einem Punkt maximal 10 %, mit zwei Punkten 15–17 %, mit drei Punkten 30–35 % und mit vier bis fünf Punkten 50–55 %. Eine Behandlung mit Antibiotika empfiehlt die Leitlinie nur bei einer hohen Wahrscheinlichkeit für A-Streptokokken, diese ist gegeben, wenn der Patient im Centor/ McIsaac-Score mindestens drei Punkte erreicht.

Als Therapie der Wahl gilt Penicillin V über sieben Tage. Alternativ können Cephalosporine der 1. bzw. 2. Generation, Makrolide oder Clindamycin eingesetzt werden. Multiple Rezidive machen eine zehntägige Therapie mit Cephalosporin (1. Gen.), Clindamycin oder Amoxicillin/Clavulansäure erforderlich. Gibt es allerdings Anzeichen einer Mononukleose, fallen Aminopenicilline aufgrund der Exanthemgefahr als Option weg. Eine weitere typische Streptokokkenerkrankung ist Scharlach. Die mikrobiologische Abklärung erscheint den Autoren hier nur sinnvoll, wenn ein Centor- bzw. McIsaac-Score ≥ 3 vorliegt und das Ergebnis der Erregerdiagnostik (Schnelltest, Kultur) zur Therapieentscheidung beiträgt.

Auch in diesem Fall bevorzugen die Experten Penicillin V über sieben Tage. Ersatzweise kann man auf ein Cephalosporin (1. Gen.), Makrolid oder Clindamycin ausweichen. Der Peritonsillarabszess wird im Regelfall durch eine Mischinfektion von grampositiven und gramnegativen Erregern ausgelöst und gehört daher nicht zu den reinen Streptokokkenerkrankungen. Auf eine mikrobiologische Diagnostik kann man für gewöhnlich verzichten. Zur Therapie raten die Leitlinienautoren zu einer Kombination von Aminopenicillin und Betalaktamase-Inhibitor als erste Wahl. Wenn möglich, sollte der Abszess inzidiert bzw. punktiert werden oder eine Abszesstonsillektomie erfolgen.

Mit Epiglottitis sofort in die Klinik

Eine bakterielle aerob-anaerobe Mischinfektion ist die Angina Plaut-Vincent. Sie erfordert immer eine Erreger-Diagnostik einschließlich Gram-Präparat. Bei leichtem Verlauf genügt eine Lokaltherapie, ansonsten kann man auf ein Oralpenicillin zurückgreifen bzw. alternativ ein Cephalosporin der 1. Generation, Doxycyclin (ab dem 9. Lebensjahr) oder Clindamycin einsetzen. Bei einer akuten Epiglottitis steht ein bakterieller Auslöser fast immer außer Frage. Die Häufigkeit der Erkrankung hat nach Einführung der HiB*-Impfung aber deutlich abgenommen. Therapeutisch sollte neben einer Blutkultur die sofortige stationäre Einweisung erfolgen (Intubationsbereitschaft). Die Erreger können mit einem Aminopenicillin plus Betalaktamase-Inhibitor erfolgreich bekämpft werden. Alternativ eignet sich ein Cephalosporin der 3. Generation, das bei Erwachsenen zusätzlich mit Clindamycin oder mit Metronidazol kombiniert wird.

Die Laryngitis subglottica tritt dagegen hauptsächlich als Folge einer Virusinfektion auf, auch bei der Laryngotracheobronchitis sind nur selten bakterielle Auslöser im Spiel. Entsprechend besteht bei beiden keine Indikation für eine Antibiotika-Therapie. Ein Diphtherieverdacht macht eine mikrobiologische Diagnostik zwingend erforderlich – mit Direktpräparat, Kultur und Toxinnachweis, heißt es in der Leitlinie. Die Therapie erfolgt mit Penicillin G über 14 Tage, alternativ Erythromycin. Schon der Verdacht ist meldepflichtig, außerdem muss Antitoxin verabreicht und der Patient stationär eingewiesen werden. Die Isolierung darf erst nach zwei negativen Abstrichen mindestens 24 Stunden nach dem Ende der Therapie aufgehoben werden. Enge Kontaktpersonen sollten eine antibiotische Postexpositionsprophylaxe erhalten.

* Haemophilus influenzae Typ b

S2k-Leitlinie „Antibiotika bei HNO-Infektionen“, AWMF-Register-Nr. 017/066

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune