ASH 2019: Blinatumomab, die effektive Brücke zur Transplantation

Die Therapie mit Blinatumomab verbessert das Überleben von Kindern mit rezidivierter B-Zell-akuter lymphatischer Leukämie (B-ALL) im Vergleich mit Standard-Chemotherapie signifikant. Das zeigt eine Studie, die heute auf dem Meeting der American Society of Hematology (ASH) vorgestellt wurde.

„Aus den bisherigen Erfahrungen ist unser Verständnis, dass eine Stammzelltransplantation (HSCT) die beste Therapie für Kinder und junge Erwachsene mit einer rezidivierenden B-ALL ist. Sie bringt die größte Chance auf Heilung“, sagt Prof. Dr. Patrick A. Brown, Johns Hopkins Kimmel Cancer Center, Baltimore, USA. „Basierend auf den Daten unserer Studie scheint Blinatumomab die wesentlich effektivere Bridging-Therapie zur Transplantation für diese Patientenpopulation zu sein. Mit Blinatumomab kann ein wesentlich größerer Anteil von Patienten transplantiert werden als mit der aktuellen Standard-Chemotherapie. Wir glauben, dass das der Grund ist für die bemerkenswerte Verbesserung des Überlebens der Patienten, die Blinatumomab erhielten.“

Neue und bisherige Therapieoptionen

Blinatumomab ist ein bispezifischer Antikörper, der gleichzeitig gegen den CD3-Rezeptor der T-Zellen und gegen das Oberflächenprotein CD19 der B-Zellen gerichtet ist. Blinatumomab ist der erste therapeutisch verwendete sogenannte BiTE-Antikörper. Zugelassen ist Blinatumomab in der EU seit 2015 (bedingt) bzw. Juni 2018 (voll) für die Behandlung von Erwachsenen mit Philadelphia-Chromosom-negativer (Ph-) rezidivierender oder refraktärer B-Zell-Vorläufer ALL. Im August wurde die Zulassung auf Kinder über einem Jahr erweitert, die eine rezidivierende oder refraktäre Ph-, CD19-positive, B-Zell-Vorläufer ALL haben. Die aktuelle beim ASH vorgestellte Studie ist die erste, die Blinatumomab bei pädiatrischen Patienten mit minimaler Resterkrankung (MRD) bzw. Rezidiv nach einer initialen Chemotherapie untersucht.

Die derzeitige Standardtherapie von Patienten mit rezidivierter B-ALL besteht in einer drei Monate dauernden Chemotherapie, nach der, so möglich, die Stammzelltransplantation durchgeführt werden sollte. Das Problem ist, dass viele Patienten Nebenwirkungen der Chemotherapie erleiden bzw. trotz dieser Therapie nicht die für einen optimalen HSCT-Erfolg notwendige MRD-negative Zweitremission erreichen.

 

Children’s Oncology Group Study AALL1331

Für die Studie der Children’s Oncology Group wurden Kinder und jugendliche Erwachsene mit rezidivierter B-ALL ein Monat lang mit Chemotherapie behandelt. Jene Patienten, die aufgrund des Zeitpunkts ihres Rezidivs oder der MRD als Hoch- oder Intermediär-Risiko-Fälle eingestuft wurden, wurden randomisiert. Eine Gruppe erhielt zwei Monatszyklen Blinatumomab (n=105), während die zweite Gruppe (n=103) zwei weitere Zyklen der Chemotherapie erhielt. Der Studieneinschluss wurde nach einer geplanten Zwischenanalyse aufgrund des substanziellen Benefits von Blinatumomab gestoppt.

Die Ergebnisse nach einem medianen Follow-up von 1,4 Jahren zeigen ein krankheitsfreies Überleben (DFS, der primäre Endpunkt der Studie) von 59 vs. 41 Prozent unter Standard-Chemotherapie. Das 2-Jahres-Gesamtüberleben lag unter der Antikörper-Therapie bei 79 vs. 59 Prozent im Standard-Arm und die Fähigkeit eine HSCT zu erhalten betrug 73 Prozent unter Blinatumomab vs. 45 Prozent in der Vergleichsgruppe. Unter jenen Patienten, die bei Studieneinschluss eine detektierbare MRD (≥0,01%) hatten, erzielten immerhin 79 Prozent eine Nicht-Detektierbarkeit (<0,01%) gegenüber 21 Prozent unter der alleinigen Chemotherapie.

Was die Toxizität betrifft, war die Rate an ≥Grad-3-Nebenwirkungen unter der Chemotherapie bei den bekannten Nebenwirkungen (Neutropenie, Infektion, Sepsis und Mucositis) hoch. Unter Blinatumomab wurden typische Nebenwirkungen beobachtet (Zytokin-Freisetzungs-Syndrom, Neurotoxizität), die aber selten ≥Grad 3 erreichten und sich alle vollständig zurückbildeten. Während unter der Chemotherapie vier Patienten verstarben (alle an Infektionen), war dies bei keinem Patienten der Blinatumomab-Gruppe der Fall.

 

Standard für Intermediär- und Hochrisiko-Gruppen

Studienautor Brown kündigte an, dass die in die Studie aufgenommenen Patienten weiter beobachtet werden, um das Langzeit-Outcome zu erheben. Schon jetzt ist er der Meinung, dass Blinatumomab der neue Standard ist – allerdings nur bei den in der Studie untersuchten Gruppen: jenen rezidivierenden mit intermediärem und hohem Risiko, also nicht bei Niedrig-Risiko oder Patienten ohne Rezidiv. Brown weiters: „Wir brauchen weitere Studien, um das Potential des bispezifischen Antikörpers früher im Einsatz bei der B-ALL zu beleuchten und um herauszubekommen, ob die Blinatumomab-Therapie durch Kombination mit anderen therapeutischen Ansätzen weiter optimiert werden kann .“

Die Studie AALL1331 wurde von der Children’s Oncology Group (COG) durchgeführt, die Teil des vom National Cancer Institute (NCI) finanzierten National Clinical Trials Network ist. Das NCI ist wiederum Teil der National Institutes of Health. Amgen hat im Rahmen eines Zusammenarbeitsvertrags mit dem NCI die Studienmedikation zur Verfügung gestellt. Mehr Informationen über die Arbeit der COG finden Sie hier: https://www.childrensoncologygroup.org/

 

Brown, Patrick A et al., Abstract LBA-1
LBA-1 A Randomized Phase 3 Trial of Blinatumomab Vs. Chemotherapy As Post-Reinduction Therapy in High and Intermediate Risk (HR/IR) First Relapse of B-Acute Lymphoblastic Leukemia (B-ALL) in Children and Adolescents/Young Adults (AYAs) Demonstrates Superior Efficacy and Tolerability of Blinatumomab: A Report from Children’s Oncology Group Study AALL1331

https://ashpublications.org/blood/article-abstract/134/Supplement_2/LBA-1/428839

Quelle: ASH Annual Meeting 2019