28. Sep. 2019CheckMate-227-Studie

ESMO 2019: Immuntherapie-Kombi übertrifft Chemo beim NSCLC

ESMO9
(c) European Society for Medical Oncology

Die First-Line-Therapie mit Nivolumab und Ipilimumab verbessert das Gesamtüberleben bei Patienten mit metastasiertem NSCLC mehr als die Chemotherapie.

Mit Spannung erwartete Studienergebnisse der CheckMate-227-Studie (NCT02477826)1 zur dualen Immuntherapie beim fortgeschrittenen nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) wurden kürzlich im Presidential Symposium am ESMO präsentiert.

Studiendesign

Die globale sechsarmige Phase-III-Studie untersuchte zuvor unbehandelte Patienten mit NSCLC im Stadium IV. Im ersten Teil dieser mehrteiligen Studie wurden nicht-verblindet verschiedene Nivolumab-Therapieregimes mit einer Platin-basierten Chemotherapie in zwei Patienten-Subgruppen mit unterschiedlichem PD-L1-Status verglichen. Alle Patienten waren ALK- und EGFR-negativ.

Der erste Teil von CheckMate 227 schloss 1.189 Patienten ein, bei denen eine PD-L1-Expression von einem Prozent oder darüber gemessen wurde. Diese Patienten wurden 1:1:1 randomisiert in eine von drei Therapieoptionen eingeschlossen und erhielten entweder Nivolumab mit niedrig dosiertem Ipilimumab, Nivolumab alleine oder eine an die Histologie angepasste Chemotherapie.

Die Patienten der zweiten Subgruppe mit einem PD-L1-Wert unter einem Prozent (n=550) wurden ebenfalls 1:1:1 randomisiert und erhielten entweder Nivolumab mit niedrig dosiertem Ipilimumab, Nivolumab mit Chemotherapie oder Chemotherapie alleine.

Besseres Gesamtüberleben mit Nivolumab plus Ipilimumab als mit Chemotherapie

Koprimäre Studienendpunkte waren das progressionsfreie Überleben sowie das Gesamtüberleben der nach PD-L1-Expression stratifizierten Patienten.

Die Überlegenheit der Immuntherapie-Kombi versus Chemotherapie beim progressionsfreien Überleben bei Patienten mit PD-L1 <1% und hoher Mutationslast (TMB, >10 Mutationen/Mb) wurde bereits analysiert und die Ergebnisse am jährlichen Meeting der American Association for Cancer Research (AACR) 2018 präsentiert (wir haben berichtet https://medonline.at/innere-medizin/onkologie/digital/n/2018/10000157/nivo-ipi-in-der-erstlinie-bei-nsclc-mit-hohem-tmb/).

In der ersten Subgruppe (PD-L1 ≥1%) zeigte sich unter Nivolumab plus Ipilimumab nicht nur ein längeres Gesamtüberleben als unter Chemotherapie (17,1 vs. 14,9 Monate; HR: 0,79; 97,72% KI: 0,65–0,96; p= 0,007), die zweifache Immuntherapie war der alleinigen Chemotherapie auch beim progressionsfreiem Überleben, objektiven Ansprechraten auf die Therapie und der Dauer des Ansprechens überlegen.

Auch in der zweiten Subgruppe (PD-L1 <1%) und im gesamten untersuchten Patientenpool war das Gesamtüberleben mit Nivolumab plus Ipilimumab besser als mit Chemotherapie (17,2 vs. 12,2 Monate; HR: 0,62; 95% KI: 0,48–0,78).

In einer vorab festgelegten Analyse war die Therapie mit Nivolumab plus Ipilimumab in der PD-L1-positiven Gruppe der alleinigen Behandlung mit Nivolumab in ihrer Wirksamkeit überlegen, wobei diese besser abschnitt als die alleinige Chemotherapie. Bei den PD-L1-negativen Patienten zeigte die Analyse eine bessere Wirksamkeit von Nivolumab plus Ipilimumab verglichen zur Kombination aus Nivolumab und Chemotherapie.

Nebenwirkungen der Grade drei oder vier wurden bei 36 Prozent aller Patienten im Chemotherapie-Arm und bei 33 Prozent der Patienten mit der Kombinationstherapie aus Nivolumab und niedrig dosiertem Ipilimumab beobachtet. Unter Nivolumab alleine zeigten nur 19 Prozent derartige Nebenwirkungen. Die häufigsten Nebenwirkungen mit kombiniertem Nivolumab und Ipilimumab waren Diarrhoe, Hautausschläge und Fatigue, unter Chemotherapie waren Fatigue, gastrointestinale Beschwerden und Hämatotoxizität am häufigsten.

Richtungsweisende Ergebnisse mit Kritikpunkten

Für Erstautorin der CheckMate-227-Studie, Prof. Solange Peters vom Centre Hospitalier Universitaire Vaudois in Lausanne, sind diese Ergebnisse richtungsweisend für eine Änderung im bisher bewährten therapeutischen Vorgehen. „Wir haben bereits einige Frontline-Therapieoptionen für diese Patienten, inklusive Chemotherapie mit einem Anti-PD1-Antikörper oder auch die Monotherapie mit einem Checkpoint-Inhibitor. Nun haben wir eine chemo-freie Option bestehend aus Nivolumab und Ipilimumab“, sagt Peters.

Als Hauptlimitation gibt sie an, dass die CheckMate-227-Studie begonnen hat, bevor die kombinierte Chemo- und Immuntherapie bzw. die alleinige Immuntherapie als Erstlinie in der Behandlung des NSCLC zugelassen wurde. Dadurch wurden in der CheckMate-227-Studie die doppelte Immuntherapie nicht mit diesen aktuellen Therapiestandards verglichen. Auch gab es bei den PD-L1-positiven Patienten keinen vierten Therapie-Arm mit einer Kombi aus Nivolumab und einer Chemotherapie, so Peters.

„Der nächste wichtige Schritt besteht nun darin, einen Algorithmus zu entwickeln, um die beste Front-Line-Therapie für jeden Patienten auszuwählen. Wir müssen hier noch etwas länger warten, um zu sehen, welche Behandlung tatsächlich zu einem verbesserten Langzeitüberleben führt“, so Peters.

Auch Dr. Marina Chiara Garassino vom Istituto Nazionale dei Tumori in Mailand sieht Potenzial in diesen Ergebnissen, sieht jedoch vorerst keine Veranlassung zur Änderung der klinischen Praxis: „Wir müssen verstehen, welche Therapie für welchen Patienten die beste ist: Chemotherapie plus Immuntherapie, einfache Immuntherapie oder Immuntherapie plus Immuntherapie.“ Insbesondere mehr Information zu prädiktiven Biomarkern ist laut Chiara nötig, um eine individualisierte Therapie anbieten zu können.

Viele Therapieoptionen

In einem Interview mit medonline.ch gab Erstautorin Peters an, dass die Ergebnisse darauf schließen lassen, dass die zusätzliche Gabe von Ipilimumab den Langzeit-Benefit der Therapie verbesserte. Aus ihrer Sicht erweitere sich das Therapiespektrum bestehend aus anti-PD-1-Monotherapie für Patienten mit hohen PD-L1-Levels, und der Kombination Checkpoint-Inhibitor plus Chemotherapie um eine Chemo-freie Kombinationsvariante. „Nun können wir diese Optionen in der Frontline-Therapie mit dem Patienten diskutieren.“

Auch OA Dr. Georg Pall, Universitätsklinik für Innere Medizin V, Innsbruck, kommentierte die Resultate für medonline.at: „Viele PD-L1 Subgruppen hatten in der Studie einen Überlebensbenefit von der kombinierten Checkpoint-Inhibitor-Therapie, auch die Gruppe der PD-L1-negativen Patienten – das ist die größte Neuheit der Studie. In der Zwischenzeit haben sich aber die Standards verändert, und die Daten sind nicht so eindeutig hinsichtlich dessen, wie viel Benefit die neue Kombination gegenüber der anderen Therapieoptionen bringt.“ Am ehesten sieht er für die Immuntherapie-Kombi eine Nische in der Gruppe der PD-L1-negativen Patienten, bei denen allerdings der Vergleich mit der aktuellen Standardtherapie der kombinierten Immun- und Chemotherapie schwierig ist. Bei PD-L1-positiven sei dagegen fraglich, ob sich ein Benefit durch die zusätzliche Ipilimumab-Gabe einstellen würde. Auch bei Patienten, die kategorisch eine Chemotherapie, etwa aufgrund der Toxizitäten, ablehnen, ist die neue Kombination für Pall eine Option.

Referenz

1 Peters S et al., Nivolumab (nivo) + low-dose ipilimumab (ipi) vs platinum-doublet chemotherapy (chemo) as first-line (1L) treatment (tx) for advanced non-small cell lung cancer (NSCLC): CheckMate-227 part 1 final analysis. LBA4_PR

Quelle

ESMO Congress 2019