27. Sep. 2019CheckMate-459-Studie

ESMO 2019: Klinischer Nutzen mit Nivolumab in Erstlinie beim fortgeschrittenen HCC

(c) European Society of Medical Oncology

Nivolumab als Erstlinientherapie beim fortgeschrittenen HCC zeigt im Vergleich zur Standardbehandlung mit Sorafenib einen Trend zu klinisch bedeutsamen Verbesserungen der Überlebens- und Ansprechraten sowie ein günstigeres Sicherheitsprofil.

Das zeigen die Daten der CheckMate-459-Studie1, die am ESMO-Kongress 2019 präsentiert wurden. Die Studie erreichte zwar keine statistisch signifikante Verbesserung ihres primären Endpunkts des Gesamtüberlebens, zeigte aber Trends zu Verbesserungen bei Gesamtüberleben und Ansprechraten sowie ein günstiges Sicherheitsprofil.

Keine statistische Signifikanz, aber klinischer Nutzen in Subgruppen

In der Phase-III-Studie CheckMate 459 wurden 743 Patienten mit fortgeschrittenem hepatozellulärem Karzinom in der Erstlinie randomisiert mit Nivolumab (n=371) oder Sorafenib (n=371) behandelt. In der nun präsentierten Analyse betrug das mediane Gesamtüberleben 16,4 Monate für Nivolumab und 14,7 Monate für Sorafenib (HR: 0,85; 95%-KI: 0,72–1,02; p = 0,0752). Dieses Ergebnis verfehlte zwar den vordefinierten Schwellenwert für eine statistische Signifikanz, in einigen Subgruppen wurde jedoch ein klinischer Nutzen beobachtet, einschließlich Patienten mit Hepatitis-Infektion, vaskulärer Invasion und/oder extrahepatischer Krankheitsbeteiligung.
Die Gesamtansprechrate betrug 15 Prozent für Nivolumab, einschließlich 14 Patienten mit vollständigem Ansprechen, und sieben Prozent für Sorafenib (fünf Patienten mit vollständigem Ansprechen). Behandlungsbedingte Nebenwirkungen der Grade drei oder vier wurden bei 22 Prozent der Patienten im Nivolumab-Arm (81 Patienten) und bei 49 Prozent der Patienten mit Sorafenib (179 Patienten) beobachtet. Diese führten bei vier (16) bzw. acht Prozent (29) der Patienten zu einem Abbruch der Therapie.

Verbesserte Lebensqualität relevant

Für Studienautor Dr. Thomas Yau, Universität Hongkong, sind die Ergebnisse insofern wichtig, als es bei der Erstlinienbehandlung des HCC seit über einem Jahrzehnt keine signifikanten Fortschritte gegenüber Sorafenib gegeben habe: „HCC wird häufig im fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert, in dem effektive Behandlungsmöglichkeiten rar sind. Die ermutigende Wirksamkeit und das günstige Sicherheitsprofil von Nivolumab zeigen den potenziellen Nutzen der Immuntherapie als Erstbehandlung für Patienten mit diesem aggressiven Krebs.“

Yau räumte zwar ein, dass die Studie den festgelegten Schwellenwert für eine statistisch signifikante Verbesserung des Gesamtüberlebens nicht erfüllte, er betonte jedoch den klinisch relevanten Gesamtüberlebensvorteil, der insbesondere hinsichtlich einer nachfolgenden systemischen Therapie, einschließlich einer Immuntherapie im Sorafenib-Arm, von Bedeutung ist. Außerdem sei die höhere Komplettansprechrate von Nivolumab im Vergleich zu Sorafenib sowie Beurteilungen aus Patientensicht, die auf eine verbesserte Lebensqualität von Patienten im Nivolumab-Arm schließen lassen, relevant.
Laut ESMO-Kommentatorin Dr. Angela Lamarca vom Christie NHS Foundation Trust, Manchester, dürften die Ergebnisse aufgrund des verfehlten Studienendpunkts den aktuellen Pflegestandard zwar vorerst nicht ändern, es werde jedoch immer offensichtlicher, dass die Immuntherapie eine Rolle bei der Erstlinienbehandlung von fortgeschrittenem HCC spielen könne. Außerdem seien für sie die Unterschiede in den Ansprechraten klinisch bedeutsam. Enttäuscht zeigte sie sich darüber, dass die höhere Ansprechrate von Nivolumab sich nicht in ein verbessertes progressionsfreies oder Gesamtüberleben übersetzte. Das günstige Sicherheitsprofil, das sich in Form von weniger Toxizitäts-indizierten Behandlungsabbrüchen äußerte, ist für sie ebenfalls von Bedeutung. Auch den potenziellen Einfluss auf die Lebensqualität der Patienten betonte sie: „In einem hypothetischen Szenario, in dem beide Optionen (Sorafenib und Immuntherapie) verfügbar und erstattungsfähig wären, und wenn gezeigt würde, dass die Lebensqualität mit Nivolumab besser ist, könnten Kliniker und Patienten die Option mit dem besseren Sicherheitsprofil bevorzugen.“ Vorzeitige Schlussfolgerungen sollten jedoch vermieden werden, da der primäre Endpunkt nicht erreicht worden sei und die hohen Kosten der Immuntherapie nicht außer Acht gelassen werden dürften.

Kritik an Studiendesign: unselektierte Patienten, hoher statistischer Schwellenwert

Außerdem wies sie auf zwei mögliche Limitationen hin. Einerseits die unselektierte Patientenpopulation und andererseits die vordefinierte Schwelle der statistischen Signifikanz. So deuteten die Ergebnisse darauf hin, dass Patienten mit hoher PD-L1-Expression im Nivolumab-Arm eine erhöhte Ansprechrate aufwiesen, was auf dessen mögliche Rolle als prädiktiver Biomarker schließen lässt. „Es sind jedoch weitere Untersuchungen erforderlich, um besser zu verstehen, wie Patienten am besten für die Immuntherapie ausgewählt werden. PD-L1 sieht hier vielversprechend aus, aber wir brauchen einen verlässlicheren Marker um jene Patienten zu selektionieren, die einen Nutzen von der Immuntherapie haben.“ Sie wies darauf hin, dass ein Mangel an verlässlichen Markern zum Verfehlen des Studienendpunkts beigetragen haben könnte: „Im Studiendesign war ein sehr hoher statistischer Schwellenwert beim Gesamtüberleben vorgesehen, der allgemeine Verwirrung über potenziell wirksame Therapien stiften könnte, indem er statistisch negative Studien erzeugt.“

Biomarker und Kombinationspartner identifizieren

In einem Interview zur Studie erklärt Ass.-Prof. Priv.-Doz. Dr. Gerald Prager, Universitätsklinik für Innere Medizin I, MedUni Wien, dass die Effizienz, Sicherheit und Lebensqualität unter der Immuntherapie zwar besser als mit dem Tyrosinkinaseinhibitor gewesen sei, diese aber nicht zu einem signifikanten Überlebensvorteil geführt hätten. „Es gilt daher nun, zu fragen, wer von einer Immuntherapie profitiert und wer mit einem TKI behandelt werden sollte. Zwar hat die Subgruppenanalyse ergeben, dass Patienten mit einem positiven PD-L1-Status eine bessere Response hatten als PD-L1-negative, PD-L1 aber ein sehr schwacher Biomarker für ein Therapieansprechen war.“ Neben der Identifikation von einem für das Therapieansprechen prädiktiven Panel an Biomarkern sieht Prager die Notwendigkeit, Kombinationspartner für die Immuntherapie zu finden, etwa mit anderen TKIs oder Biologicals.

Referenz

1 Yau T et al. Checkmate 459: A randomized, multi-center phase 3 study of nivolumab (nivo) vs sorafenib (sor) as first-line (1L) treatment in patients (pts) with advanced hepatocellular carcinoma (AHCC). LBA38_PR

Quelle

ESMO Congress 2019