Wenn Hitze und Herz müde machen

Der Fall. „Meiner Mutter geht es bei dieser Hitze gar nicht gut“, schildert Frau G. Ihnen ihr Problem. „Sie ist vor 2 Monaten 80 Jahre alt geworden und bisher ging es ihr eigentlich erstaunlich gut. Sie nimmt zwar etwas gegen ihren Blutdruck ein, aber das schon länger. Seit es so heiß ist, ist ihr den ganzen Tag so schwindlig, dass sie fast nur auf dem Sofa liegt. Wenn ich sie animieren möchte, etwas spazieren zu gehen am Abend, wenn es nicht mehr so heiß ist, winkt sie ab, sie sei zu müde. Sobald die Hitze rum ist, sagt sie, gehe es ihr sicher wieder besser, daher möchte sie auch nicht zum Arzt gehen. Der kann gegen die Hitze schließlich auch nichts tun, sagt sie. Aber das geht nun schon fast 2 Wochen so. Ich kann das nicht mehr mitansehen. Da kann doch auch was anderes als die Hitze dahinterstecken, oder?“ Frau G. ist sichtlich beunruhigt. Welche Ratschläge können Sie ihr geben bzw. welche Maßnahmen können Sie ergreifen? (ärztemagazin 7/19)

„Die Antihypertensiva werden zunächst in der Dosis reduziert“

Dr. Gunther Cichocki
Arzt für Allgemeinmedizin mit Kassenpraxis in Wiener Neustadt
DIE TOCHTER HAT natürlich Recht, als Ursache der Beschwerden kommt mehreres in Frage. Zunächst die banalste Maßnahme: Trinkt die Mutter genug? Zu geringe Flüssigkeitszufuhr und hitzebedingter Flüssigkeitsverlust können nicht nur bei hochbetagten Menschen zu Kreislaufproblemen führen. Ich sehe mir ihre Zunge an: Die wird wohl ziemlich trocken sein. Ich prüfe eine Hautfalte am Unterarm, die lange stehen bleibt. Als Nächstes messe ich den Blutdruck, der erwartungsgemäß mit 105/60 ziemlich niedrig ist. Die Einnahme von Antihypertensiva verbunden mit einer Exsikkose führt häufig zu inadäquatem Blutdruckabfall. Ein EKG ist unerlässlich, denn es könnte sich durchaus auch um Vorhofflimmern, einen AV-Block oder eine Extrasystolie handeln. Das alles trifft aber nicht zu.

Daraufhin veranlasse ich eine Laboruntersuchung, wobei vor allem auf die Elektrolyte und die Schilddrüsenfunktion das Augenmerk zu richten ist. Bis zum Eintreffen der Blutbefunde empfehle ich als Erstmaßnahme vor allem ausreichendes Trinken. Am einfachsten eine Eineinhalbliterflasche Mineralwasser hinstellen, die bis zum Abend leer sein sollte. Wenn man Kaffee, Tee und Suppe dazurechnet, müsste das ausreichen. Die Speisen sollten ausreichend gesalzen werden, um auch dadurch Wasser im Körper zu binden. Die Antihypertensiva werde ich in der Dosis zunächst reduzieren und zumindest vorübergehend eventuell eingesetzte Diuretika weglassen. Am ehesten würde ich zu einem ACE-Hemmer wie Lisinopril greifen und informieren, dass sie sich bei ev. Reizhusten zur Umstellung auf einen ATII-Blocker melden möge. In jedem Fall wird eine Kontrolle in sieben bis zehn Tagen vereinbart.

„Einiges kann die Tochter rasch und problemlos selber überprüfen“

Dr. Anna Kreil, MPH
FÄ f. Innere Medizin Zusatzfachärztin für Gastroenterologie und Hepatologie Zusatzfachärztin für internistische Intensivmedizin Wahlärztin und KFA
DIE SORGEN VON FRAU G. über die anscheinend rasch auftretende Verschlechterung der Gesundheit ihrer Mutter sind gut nachvollziehbar. Natürlich kann der Schwindel und die Müdigkeit hitzebedingt sein, aber es kann gerade in diesem Alter auch eine ernsthafte Erkrankung dahinterstecken. Die Ablehnung einer zeitnahen ärztlichen Untersuchung ist auch leider eine häufige und teils auch verständliche Reaktion von bis dahin relativ gesunden Menschen. Es gibt ein paar Dinge, die Frau G. als beunruhigte Tochter rasch und problemlos selber überprüfen kann. Wichtig bei großer Hitze ist einerseits die Trinkmenge, gerade bei älteren Patientinnen und Patienten, die oft kein Durstgefühl mehr empfinden, und andererseits der Blutdruck. Mit Steigerung der Flüssigkeit und auch Salzzufuhr sowie ev. in Kombination mit Coffein lässt sich das Schwindelgefühl oft deutlich verbessern. Mit einem Blutdruckmessgerät zu Hause kann und soll der Blutdruck mehrmals am Tag, vor allem bei Schwindel und Müdigkeit, gemessen werden.

Bei deutlich erniedrigten Werten, in so einem Fall wohl nicht so selten, kann die blutdrucksenkende Medikation, vor allem Diuretika, für die Phase der Hitze reduziert werden. Außerdem fällt unter Umständen beim regelmäßigen Blutdruckmessen auch eine Herzrhythmusstörung auf – viele Blutdruckmesser fragen nach einer Arrhythmie, was wiederum ein Hinweis auf ein Vorhofflimmern sein könnte. Wenn sich normale RR-Werte und ausreichende Flüssigkeitszufuhr zeigen, sollte eine kardiologische Kontrolle rasch erfolgen, es können natürlich auch AV-Blockierungen oder die Erstmanifestation einer Herzinsuffizienz sein, die sich in dieser Situation mit Schwindel und Müdigkeit zeigt, oder andere internistische Erkrankungen (z.B. Niereninsuffizienz, Infektionen etc.) dahinterstecken. Natürlich kann die Symptomatik auch in eine ganz andere Richtung deuten, wenn eventuell bei genauerer Befragung oder Untersuchung ein zusätzliches neurologisches Defizit auffällt – hier sollte dann rasch eine Bildgebung (z.B. cerebrale Computertomographie, Carotisduplex etc.) erfolgen, um eine cerebrale Durchblutungsstörung auszuschließen oder nachzuweisen und gegebenenfalls eine Therapie einzuleiten.

„ Die Erschöpfung durch Hitze kann davon unabhängige Probleme verstärken“

Dr. Claudia Wainke
Ärztin für Allgemeinmedizin, Gesundheitszentrum Wien-Süd
IN DER ANAMNESE gilt es kühlen Kopf zu behalten und zu bedenken, dass neben einer recht häufigen, direkt aus der Belastung durch Hitze stammenden Erschöpfungsreaktion auch die Verschlechterung einer organischen Störung oder ein davon unabhängiges Problem der Fall sein können. Ich bestärke Frau G. also darin, gekommen zu sein, obwohl ich „gegen die Hitze auch nichts tun kann“. Ich prüfe auf Hinweise einer Exsikkose (trockene Haut/ Schleimhaut; Hautturgor – stehen bleibende Hautfalten; halonierte, trockene Augen, recap-Zeit), wiege, messe RR, schreibe ein EKG und kläre den mentalen Zustand bzw. rezente Änderungen. Währenddessen beginne ich den beiden den Einfluss der Hitze zu schildern, um letztlich ein besseres Verständnis für Maßnahmen zu ermöglichen.

Ich erkläre, dass der Körper die Kerntemperatur auf plus/minus ein Grad Celsius zu regulieren versucht, was Energie und Ressourcen kostet, die anderweitig gebraucht würden. Schon bei leichter Erhöhung auf 38°C sinkt die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit beträchtlich, ebenso bei Austrocknung. Im Extremfall des Hitzeschocks führt die periphere Vasodilatation zu relativer Hypovolämie und folglich zu Minderperfusion innerer Organe und des ZNS. Die Kompensation bei moderater Hitze geht milder in die gleiche Richtung. Die Hautdurchblutung steigt enorm, es folgen Schwellungen, zentrale Minderperfusion und folglich Müdigkeit und langsame Verdauung. Ob mit oder ohne Schwitzen ist die Transpiration stark erhöht, und ein Volumensverlust untertags muss unbedingt bis zum Abend ausgeglichen werden.

Das HZV steigt ohnedies enorm, und das Herz darf nicht auch noch hypovolämisch mitbelastet werden, gerade wenn es auch nachts nicht kühl wird. Das trifft v.a. Patienten mit Stoffwechsel-, Herz- und Lungenkrankheiten; und generell ältere Menschen, deren unmittelbare Kompensation schneller erschöpft ist und die sich schlechter an länger bestehende Hitze anpassen. Ich rate, morgens und abends zu wiegen, um Flüssigkeitsverlust zu messen; schmackhaft und viel zu trinken; auch nachts Ventilatoren zu verwenden. Eventuell müssen die Antihypertensiva bei Hitze angepasst/reduziert, etwaige kardiologische Probleme (Insuffizienz, AV-Blöcke, Vorhofflimmern, …) geklärt und – falls Maßnahmen der Kühlung und Trinken nicht helfen – spezifische Ursachen des Schwindels (Carotisstenose, zerebrale Probleme) ausgeschlossen werden.