„Ausbildungsverantwortung muss bei den Abteilungen bleiben“
Nicht nur Fachrichtungen sollen einen Kongress haben, sondern auch Ausbildungsärzte. Mit Wissensvermittlung und dem Bilden von Netzwerken liegt der Vorarlberger Turnusärztekongress auf Erfolgskurs. (Medical Tribune 5–6/19)
Bereits zum 4. Mal fand Ende 2018 in Vorarlberg der Turnusärztekongress statt. Ein Kongress von Ausbildungsärzten für Ausbildungsärzte. Die Organisatoren sehen sich aber nicht als Handlanger der Abteilungen, um Ausbildungsmängel auszugleichen, wie sie im Interview mit Medical Tribune betonen. Vielmehr spielt neben der Wissensvermittlung die Kommunikation quer durch die Hierarchien der Vorarlberger Krankenhäuser eine Rolle.
Sie haben den Namen Turnusärztekongress gewählt, obwohl es den klassischen Turnusarzt nicht mehr gibt. Warum?
Eibensteiner: Wir ziehen den Namen noch mit. Zielgruppe sind Ärzte in der Basisausbildung, aber auch jene, die sich schon in der Facharztausbildung befinden. Die Themenauswahl zielt auf ein Wissen ab, das jeder Arzt, egal ob Internist oder Chirurg, haben sollte. So richtet sich zum Beispiel die Veranstaltung über die Gerinnung nicht nur an zukünftige Allgemeinmediziner, Internisten und Anästhesisten, sondern auch an Ärzte, die ein operatives Fach gewählt haben. Und: Es sollen nicht nur Basics vermittelt werden, sodass auch Ärzte in der fortgeschrittenen Ausbildungsphase angesprochen werden.
Wie kommt man überhaupt auf die Idee, einen Kongress für Ausbildungsärzte zu organisieren?
Clemens: Die Idee kam spontan beim Zugfahren. Ich war damals schon in Ausbildung zum Strahlentherapeuten und hab mir überlegt, dass Kongresse mitzugestalten und zu organisieren Spaß macht. Und warum haben alle Fachrichtungen einen Kongress, aber nicht die Ausbildungsärzte? Damals war ich noch Turnusärztesprecher vom Land Vorarlberg und habe mich mit den anderen Turnusärztevertretern kurzgeschlossen, alle fanden das spontan eine coole Idee. Anschließend habe ich das Konzept der Ärztekammer und der Krankenhausbetriebsgesellschaft vorgestellt. Und so nahm die Idee ihren Lauf.
Was ist das grundlegende Konzept?
Clemens: Ausbildungsärzte organisieren den Kongress, das ist das Wichtigste. Sie alleine beschließen, was sie wollen. Obendrein legen wir Wert darauf, dass bei der Podiumsdiskussion auch Primarärzte, Chefärzte, die Verwaltungsdirektoren und die Pflege teilnehmen. Damit schaffen wir die Möglichkeit zu netzwerken. Und wir freuen uns, dass sie auch so zahlreich kommen, dass Interesse ihrerseits besteht. Und ich bin der Meinung, dass wir diese zwei Punkte, Ausbildung für Ausbildungsärzte und Netzwerke schaffen durch alle Ebenen, gut umsetzen. Dabei handelt es sich um ein Konzept, das ankommt. An dem Kongress nehmen nicht nur Vorarlberger Ärzte teil. Dieses Jahr sind auch Kollegen aus Niederösterreich, der Steiermark, Deutschland und der Schweiz hier.
Wir legen außerdem Wert darauf, die Teilnehmerzahl in den Workshops auf 10 bis 15 zu begrenzen. Wir wollen, dass in diesen Workshops eine gute Ausbildung stattfindet und nicht 40, 50 Jungärzte einen Frontalunterricht bekommen. Die Themen der Workshops sind auch breit gefächert, beispielsweise gab es heuer einen Ernährungsworkshop mit einer Diätologin, und wir haben zwei Hausarztpraxen besucht. Das ist das Konzept, und ich bin überzeugt, dass es so gut ist. Für dieses Jahr haben wir im Team eine ganz neue Idee entwickelt, und zwar das Case-Café: Wir stellen Stehtische auf und servieren Kaffee, an jedem Tisch stellt ein Arzt einen Fall vor, der diskutiert wird. Und die Teilnehmer rotieren durch.
Die KHBG und die Ärztekammer sehen die Veranstaltung auch als Recruitment-Instrument, um Ärzte ins Ländle zu locken …
Clemens: Ärztekammer und KHBG als Veranstalter unterstützen uns bei der Durchführung des Kongresses, aber – und das ist wichtig – wir können den Kongress frei organisieren, es redet uns keiner rein. Wenn aufgrund des Kongresses ein Kollege in Vorarlberg bleibt, ist das eine Win-win-Situation.
Liegt beim Kongress ein Schwerpunkt auf der Allgemeinmedizin?
Eibensteiner: Der Schwerpunkt hat sich sicher verschoben: Früher, in der alten Ausbildungsordnung, waren es hauptsächlich Turnusärzte, und viele von denen gingen in die Richtung Allgemeinmedizin. Jetzt haben wir aber sicher die Hälfte im Basisjahr, ein paar Studenten sind auch dabei. Man kann aber nicht behaupten, der Kongress hätte einen allgemeinmedizinischen Schwerpunkt. Es hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass bestimmte Workshops und Themen ankommen. So läuft der EKG-Workshop schon seit dem ersten Jahr, auch der Themenbereich „Kommunikation mit Schwerkranken“. Das sind die Dauerbrenner. Wir fragen aber immer die Teilnehmer, was sie interessiert. So haben wir letztes Jahr das Thema „Wunden“ neu integriert. Dieses Jahr sind die Themenbereiche Arbeitsmedizin, Ernährungsmedizin und wissenschaftliches Arbeiten neu hinzugekommen. Wir schauen einfach, wie die Themen angenommen werden. Manchmal greift man auch ein Thema auf, das sich dann nicht verwirklichen lässt.
Übernimmt der Kongress einen Teil der Wissensvermittlung, die eigentlich dem Ausbildner zukommt?
Eibensteiner: Die Ausbildung ist hier in Vorarlberg sicher nicht schlecht, weil die Hierarchien flach sind, man kann sich einbringen und kann sich das Know-how holen. Aber es ist nicht wie in anderen Ländern, in denen eine strukturierte Ausbildung stattfindet. Manche Themen muss man sich selbstständig irgendwo aneignen, sei es in der täglichen Arbeit oder eben auf einem Kongress. Und wir suchen natürlich auch Themen aus, wo wir der Meinung sind, sie kommen in der Ausbildung zu kurz, um sie im Rahmen des Kongresses vertiefen zu können. Momentan läuft ein Projekt zwischen der Ärztekammer, der KHBG und den Ausbildungsärzten, das versucht, gewisse Themen im Zuge der Ausbildungsordnung neu für Allgemeinmedizin, aber auch für die Spezialausbildungen, in die Ausbildung als Fortbildungsblöcke mit einem praktischen und theoretischen Teil zu integrieren, ähnlich wie es hier ist.
Es ist nämlich leider noch immer so, dass in der täglichen Arbeit die Ausbildung oftmals zeitbedingt zu kurz kommt und es zum Teil auch mit Glück oder Pech zu tun hat, zu welchem Zeitpunkt man auf einer Station ist. Diese Lücken müssen irgendwie gefüllt werden, und unser Kongress bietet eine Möglichkeit dazu. Den Turnusärztekongress als Teil der Ausbildung möchte ich nicht so sehen. Ich finde, die Ausbildungsverantwortung muss bei den Abteilungen bleiben. Wir wollen auf Mängel aufmerksam machen. Man sollte die Ausbildungsabteilungen in die Pflicht nehmen, um internationale Standards zu erfüllen. Wir sehen uns als Zusatzangebot zur Ausbildung im Krankenhaus.
Ausbildungsarzt ist man ja nur eine beschränkte Zeit. Wer führt das Projekt weiter?
Eibensteiner: Patrick, der ja inzwischen Facharzt ist, wollte sich schon länger ein bisschen zurückziehen, ist aber immer noch vorne dabei, weil er das Netzwerk hat. Aber das Team verändert sich immer. Die Organisatoren bleiben zwei bis drei Jahre, scheiden dann aus, aber es kommen immer wieder neue nach.
Welche Wünsche habt ihr für die Zukunft?
Eibensteiner: Im Prinzip wollen wir, dass es so weiter läuft. Wir werden weiterhin versuchen, ein paar innovative Sachen in das Programm reinzubringen und Bewährtes weiterzuführen. Wir haben dieses Jahr mit etwa 85 Teilnehmern eine Größe erreicht, die eigentlich optimal ist. Recht viel größer macht meiner Ansicht nach keinen Sinn mehr, um die Wissensvermittlung in Kleingruppen beibehalten zu können. Und kleiner wollen wir natürlich auch nicht mehr werden.
Die Organisatoren
MT sprach mit zwei der acht Organisatoren des Turnusärztekongresses. Mitbeteiligt waren auch Dr. Michael Baier, Dr. Alex Skorin, Dr. Thomas Moosmann, Dr. Vincent Verocai, Dr. Silvia Auer und Dr. Lukas Marth.
- Dr. Patrick Clemens: Hat inzwischen seine Ausbildung abgeschlossen und arbeitet als Facharzt an der Abteilung für Strahlentherapie und Radio-Onkologie am Landeskrankenhaus Feldkirch. Er war jahrelang Turnusärztesprecher in Vorarlberg.
- Dr. Johannes Eibensteiner: Gebürtiger Bayer, den es durch das Studium nach Österreich verschlagen hat und der auch bleiben will. Er absolviert gerade seine letzten Wochen der Ausbildung und wird nächstes Jahr als Allgemeinmediziner in Vorarlberg tätig sein.