Krankenschwestern haben die Nase vorne bei der Gicht-Therapie
Eine aktuelle britische Studie zeigt, dass Patienten, die von Krankenschwestern nach einer Treat-to-target-Strategie betreut wurden, nicht nur weniger Gichtanfälle und niedrigere Harnsäurespiegel haben, sondern auch eine bessere Behandlungsadhärenz.
Gicht ist die weltweit häufigste Gelenksentzündung; zwischen zwei und vier Prozent der Menschen aus westlichen Ländern sind betroffen. Gicht ist die Konsequenz der Ablagerung von Mononatriumurat (monosodium urate, MSU)-Kristallen in Gelenken und anderen Geweben, die aus einer anhaltenden Hyperurikämie hervorgeht. Die Behandlung der Gicht ist durch das Senken der Harnsäurespiegel im Serum möglich, durch das sich MSU-Kristalle auflösen und akute Gichtanfälle beseitigt werden können. Über lange Sicht können damit auch sogenannte Gicht-Tophi aufgelöst werden, MSU-Kristallablagerungen in den Weichteilen und Knochen, was als Ausheilung der Erkrankung betrachtet wird. Trotz der Verfügbarkeit von Leitlinien und einiger Therapieoptionen wird in den meisten Ländern noch immer von einer Untertherapie der Gicht berichtet.1
Studien zufolge sind zirka 70 Prozent der Patienten von wiederkehrenden Gichtanfällen betroffen, was mit vermehrten Gicht-Tophi und Gelenkszerstörung verbunden ist und auf lange Sicht zu funktionellen Einschränkungen und verminderter Lebensqualität führt. Patienten mit Gicht sind außerdem oft von kardiovaskulären Komorbiditäten, Niereninsuffizienz und Diabetes betroffen, was die Behandlung der Gicht zu einer Herausforderung macht.2
Schwierige Gicht-Therapie
Ein erschwerender Faktor in der Therapie der Gicht sind die zeitintensiven Besuche in der hausärztlichen Praxis, wo sich die Gicht-Behandlung in den meisten Ländern üblicherweise abspielt. Eine weitere Schwierigkeit sind Abweichungen zwischen den Empfehlungen zum Management der Gicht. Von rheumatologischen Fachorganisationen herausgegebene Leitlinien empfehlen durchwegs eine Treat-to-target-Strategie, die darauf abzielt, die Harnsäurespiegel zu senken, um die MSU-Kristallisation und die damit verbundenen klinischen Manifestationen zu vermeiden. Im Gegenzug ist gemäß der Leitlinien des American College of Physicians (ACP) die Datenlage noch zu dünn, um eine solche Strategie zu unterstützen; sie empfehlen eine Behandlung mit dem Ziel der Symptomvermeidung.2
Studie zur Treat-to-target-Strategie und Pflege durch Krankenschwestern
Eine Ende Oktober in The Lancet veröffentlichte, randomisierte kontrollierte Studie der Arbeitsgruppe von Prof. Michael Doherty von der britischen University of Nottingham untersuchte nun die Rolle einer von Krankenschwestern durchgeführten Aufklärung und Einbindung der Patienten in die Therapie. Dazu wurden 255 Patienten von Krankenschwestern mit einer Treat-to-target-basierten Gichttherapie mit dem Ziel einer Senkung der Harnsäurewerte auf einen Idealwert betreut und mit 262 Patienten verglichen, die von Hausärzten mit konventioneller Behandlung betreut wurden. Das Hauptergebnis war das Erreichen einer Serum-Harnsäurekonzentration von unter 6mg/dL (360µmol/L) nach zwei Jahren, ein Serumspiegel, bei dem im Serum gebundener Harnstoff unter physiologischen Bedingungen nicht mehr auskristallisiert.3
Nach zwei Jahren hatten in der von den Krankenschwestern betreuten Gruppe 95 Prozent der Patienten diesen Endpunkt erreicht, verglichen mit nur 30 Prozent in der von Hausärzten mit konventioneller Therapie behandelten Patienten (Risk Ratio [RR]: 3,18; 95%-KI: 2,42–4,18; p<0,0001). Ein vergleichbarer Effekt war allerdings schon in der Zwischenauswertung nach nur einem Behandlungsjahr sichtbar geworden (95% vs. 26%, RR: 3,59; 95%-KI: 2,72–4,75). Andere klinische Endpunkte wie die Anzahl der Gichtschübe und Tophi waren ebenfalls signifikant niedriger unter den von Krankenschwestern betreuten Patienten als in der klassisch behandelten Gruppe: Das Risiko, im 2. Behandlungsjahr zwei oder mehr Anfälle pro Jahr zu erleiden, war in der von Krankenschwestern behandelten Gruppe um 67 Prozent niedriger als in der konventionell behandelten Gruppe (RR: 0,33; 95%-KI: 0,19–0,57). Ein Verschwinden der Tophi wurde nur in der von Krankenschwestern behandelten Gruppe erreicht, und das Risiko, am Ende der Follow-up-Periode noch Tophi zu haben, war um 79 Prozent niedriger als in der konventionell behandelten Patientengruppe (RR: 0,21; 95%-KI: 0,08–0,52). Auch bei den Kosten würde sich eine Behandlung durch Krankenschwestern auszahlen: Die Kosten pro gewonnenes Lebensjahr beliefen sich nach zwei Jahren auf knapp über 5.000 Pfund; eine Hochrechnung ergab, dass die Therapie damit nach fünf Jahren kostensparend werden würde.2
In einem Kommentar in The Lancet weisen zwei Expertinnen für Rheumatologie und Epidemiologie, Tuhina Neogi (Boston University School of Medicine) und Nicola Dalbeth (australische University of Auckland) auch noch auf einen anderen Punkt hin2: Die Studie war nicht verblindet, was potenziell zu stärkeren Verbesserungen in der Hausarzt-basierten Patientengruppe geführt haben dürfte. In der Realität könnte der Vorteil in der Krankenschwestern-Gruppe daher noch ausgeprägter sein. Nebenwirkungen wurden in der konventionell behandelten Gruppe zudem nicht systematisch untersucht, was einen Vergleich dieses Therapieaspekts unmöglich macht. Nichtsdestotrotz waren alle 24 Teilnehmer (9,6%) in der von Krankenschwestern behandelten Patientengruppe, die die Erstlinienbehandlung abbrachen, am Ende des ersten Jahres erfolgreich auf eine andere harnstoffsenkende Therapie umgestellt worden.
Die Erkenntnisse der britischen Studie reihen sich in Ergebnisse aus anderen klinischen Studien ein. Zwei randomisierte Studien, eine mit Febuxostat und die andere mit Pegloticase, zeigten eine Verbesserung der Gichtanfälle und in der Pegloticase-Studie eine Auflösung der Tophi im Vergleich zu Placebo.4,5 Für Neogi und Dalbeth deuten die Studiendaten kollektiv auf die Sinnhaftigkeit von Treat-to-target-basierten harnstoffsenkenden Therapien hin. Im Gegensatz zu früheren Studien, die auf eine niedrige Therapie-Adhärenz bei Gichtbehandlungen hinwiesen, war die Therapietreue in der Studie von Doherty et al. gut (96 vs. 56% in der konventionell behandelten Gruppe).3 Auch die eingenommenen Allopurinol-Dosen waren in der von Krankenschwestern betreuten Patientengruppe höher als bei konventioneller Therapie: Während in der ersteren nach zwei Jahren 79 Prozent Dosen von über 300mg pro Tag nahmen, waren es in der von Hausärzten betreuten Gruppe nur 10 Prozent.
Bessere Therapie durch Patientenbildung
Die Ergebnisse der Lancet-Studie weisen damit darauf hin, dass Patienten sich besser an ihren Therapieplan halten, wenn sie Informationen über die pathophysiologischen Hintergründe der Gicht bekommen, regelmäßige Verlaufskontrollen und Rückmeldungen bekommen und ein Treat-to-target-Ansatz verfolgt wird. Die Lancet-Studie zeigt damit eine interessante Herangehensweise an die Pflege von Gicht-Patienten, die zu hoher Adhärenz und klinischem Nutzen führt. „Ein hocheffektives und kostengünstiges Management der Gicht kann also einfach damit erreicht werden, Patienten aufzuklären und Zeit mit ihnen zu verbringen“, so das abschließende Statement von Neogi und Dalbeth in ihrem Kommentar.
Quellen
1 Siviera F et al.: Multinational evidence-based recommendations for the diagnosis and management of gout: integrating systematic literature review and expert opinion of a broad panel of rheumatologists in the 3e initiative. Ann Rheum Dis. 2014 Feb; 73(2): 328–35.
2 Neogi T et al.: Patient education and engagement in treat-to-target gout care. Lancet. 2018 Oct 20; 392(10156): 1379–1381.
3 Doherty M et al.: Efficacy and cost-effectiveness of nurse-led care involving education and engagement of patients and a treat-to-target urate-lowering strategy versus usual care for gout: a randomised controlled trial. Lancet 2018; 392: 1403–12.
4 Dalbeth N et al.: Effects of febuxostat in early gout: a randomized, double-blind, placebo-controlled study. Arthritis Rheumatol 2017; 69: 2386–95.
5 Sundy JS et al.: Efficacy and tolerability of pegloticase for the treatment of chronic gout in patients refractory to conventional treatment: two randomized controlled trials. JAMA 2011; 306: 711–20.