EU prüft Diagnostik-Tools bald strenger
Die In-vitro-Diagnostika (IVD)-Verordnung der Europäischen Union (EU) bringt einen Umbruch für die Labordiagnostik. (Medical Tribune 48/18)
Die seit Mai 2017 geltende In-vitro-Diagnostika (IVD)-Verordnung der Europäischen Union (EU) soll mit 2022 voll in Kraft treten. Die neuen Bestimmungen sollen eine Sicherstellung europaweit einheitlicher Qualitätsstandards ermöglichen. „Sie könnten allerdings u.a. aufgrund der noch nicht erfolgten Novelle des Medizinproduktegesetzes und der fehlenden Personalressourcen in Österreich zu Engpässen oder längeren Wartezeiten für therapieentscheidende Tests und damit zu Nachteilen für Patienten führen“, warnt Ass.-Prof. Dr. Christian Schweiger vom Klinischen Institut für Labormedizin der Medizinischen Universität Wien/AKH Wien.
Dürrezeit für Diagnostika
In den Verordnungen ist u.a. eine Reform der benannten Stellen (notified bodies) enthalten, die als unabhängige Institutionen mit Fachkompetenz die strikte Überwachung der Hersteller gewährleisten sollen. Aufgrund unzureichender Qualität hat die EU-Kommission die Hälfte dieser benannten Stellen geschlossen (darunter auch die beiden österreichischen Stellen), für die übrigen wurden hohe Anforderungen festgelegt. Ein massiver Rückstau mit langen Wartezeiten ist die Folge, berichtet Schweiger. Bis 2024 sollen außerdem sämtliche In-vitro-Diagnostik-Tests einem neuen Risikobewertungsmodell folgend in vier Risikoklassen A–D eingestuft werden, wobei einzig die Diagnostika der Klasse A (niedriges Risiko) ohne Zulassung durch eine benannte Stelle angeboten werden dürfen. „Wir müssen mit einer Reduktion unseres diagnostischen Portfolios rechnen“, sagt Schweiger und erläutert, wie es dazu kommen kann: Als Ergebnis des neuen Risikobewertungsmodells kann für etwa 80 Prozent anstatt wie bisher 20 Prozent dieser Tests eine Zulassung durch benannte Stellen erforderlich werden. Folgen wären ein Anstieg der Kosten für die Diagnostik-Industrie und somit eine Verringerung des Angebots kommerziell vertriebener Tests.
Inhouse-Tests als Ausweg
„Es wird daher entscheidend sein, dass die medizinischen Laboratorien genügend Ausstattung und genügend Kompetenz haben, um allfällige Lücken durch sogenannte Inhouse-Tests zu überbrücken“, erklärt Schweiger. Das bedeutet, Laboratorien von entsprechender Größe oder auf Universitätsniveau müssten nicht mehr von der Industrie angebotene Testsysteme inhouse testen, um den Patienten die erforderliche Diagnostik weiterhin zur Verfügung stellen zu können. Auch auf diesem Gebiet wurden die Regelungen allerdings verschärft: Die neue IVD-Verordnung schreibt vor, dass Anbieter von Inhouse-Tests das Qualitätsniveau der internationalen Akkreditierungsnorm EN ISO 15189:2012 erfüllen müssen, lässt aber in der Umsetzung Spielraum für nationale Regelungen.
Für die Umsetzung wäre eine derzeit ausständige Novelle des Medizinproduktegesetzes erforderlich, die klar regelt, wie die Vorgaben in Österreich umzusetzen sind. Allerdings wurde dieses Gesetz noch nicht novelliert – daher fehlt den entsprechenden Laboratorien schlichtweg der gesetzliche Rahmen, um teilweise therapieentscheidende Inhouse-Tests anbieten zu dürfen. Die Österreichische Gesellschaft für Laboratoriumsmedizin und Klinische Chemie (ÖGLMKC) urgiert daher die auf die neue IVD-Verordnung abgestimmte Novelle des österreichischen Medizinproduktegesetzes und eine adäquate personelle Aufstockung der derzeit unterbesetzten Akkreditierungsstelle, um die bevorstehende Zunahme der Nachfrage nach Akkreditierung möglichst zeitnah bewältigen zu können.
ÖGLMKC-Pressekonferenz; Wien, November 2018