14. Nov. 2018ÖGP 2018

Kinder und Männer haben mehr Eosinophile

Was ist die Ursache der Heterogenität der Eosinophilenwerte im Blut? Im Rahmen der LEAD-Studie wurden sechs Risikofaktoren identifiziert, die mit erhöhten Spiegeln eosinophiler Granulozyten assoziiert sind. (Medical Tribune 46/18)

Eine der wichtigsten Aufgaben eosinophiler Granulozyten, die im Knochenmark unter dem Einfluss von Interleukin-5 produziert werden und bei Gesunden vor allem im Thymus, in der Milz, im Darm und in der Lunge zu finden sind, ist die Modulation der Immunantwort. Weniger klar ist, welche physiologische Rolle Eosinophile im Uterus, in der Mamma und im Fettgewebe spielen. Darüber hinaus können Eosinophile im Rahmen von entzündlichen Erkrankungen in allen Organen und Geweben gefunden werden und durch Freisetzung des Inhalts ihrer Granula auch zu Gewebsschäden beitragen. Erhöhte Spiegel von Eosinophilen im Blut werden als Eosinophilie bezeichnet.

Bis zu welcher Höhe die Zahl der Eosinophilen noch als normal zu betrachten ist, wird international allerdings unterschiedlich gesehen. Die Referenzwerte können sich auch von Labor zu Labor unterscheiden. Ein Grund dafür ist die Heterogenität der Populationen, an denen die Normalwerte erhoben wurden. In einer bahnbrechenden Arbeit konnte Allison Felarca bereits 1967 zeigen, dass man niedrigere durchschnittliche Eosinophilenwerte und eine geringere Bandbreite erhält, wenn Personen mit positivem Pricktest und Familienanamnese für atopische Erkrankungen aus der untersuchten Population ausgeschlossen werden.

LEAD-Studie

Welche Risikofaktoren sind neben Allergien noch mit erhöhten Werten von Eosinophilen assoziiert? Diese Frage versuchten österreichische Forscher im Rahmen der LEAD Study, einer Langzeitstudie zur Lungengesundheit, an der über 11.000 Probanden aus Wien und Niederösterreich im Alter von sechs bis 80 Jahren teilnehmen, zu beantworten. Erfasst wurden in der Studie nicht nur das Alter und Geschlecht der Teilnehmer, sondern auch eine Vielzahl von Erkrankungen und Lebensgewohnheiten. „In der Gesamtpopulation lag der geometrische Mittelwert bei 128 Eosinophilen/μl Blut“, berichtet Prof. Dr. Sylvia Hartl, Leiterin der 2. Internen Lungenabteilung, Otto-Wagner-Spital, Wien. Als hoch wurden Werte über der 75. Perzentile (> 210 Eos/μl) definiert. Insgesamt konnten acht Faktoren identifiziert werden, die mit erhöhten Eosinophilenspiegeln assoziiert waren.

Die höchste Odds-Ratio für hohe Werte hatten Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren (OR 2,42). Mädchen unter zehn Jahren hatten im Schnitt 180 Eos/μl im Blut, gleichaltrige Buben sogar 240. Die Zahl der Eosinophilen sank bis zum Alter von 18 Jahren auf das Erwachsenenniveau und veränderte sich dann kaum mehr. Der bei Kindern gefundene Geschlechtsunterschied war auch in allen anderen Altersgruppen beobachtbar. „Männliches Geschlecht ist unabhängig vom Alter mit höheren Eosinophilenzahlen im Blut assoziiert“, fasst Hartl zusammen. So hatten etwa 18- bis 40-jährige Frauen im Schnitt 120 und Männer gleichen Alters 140 Eos/μl.

Risikofaktoren

Die Auswertung der LEAD-Daten bestätigte, dass Menschen mit Asthma und positivem Pricktest im Schnitt mehr Eosinophile im Blut haben. Das Gleiche gilt aber auch für Raucher und Patienten mit COPD, Adipositas und metabolischem Syndrom. Keine Assoziation mit erhöhten Eosinophilenspiegeln fanden die Forscher bei Diabetes, kardiovaskulären Erkrankungen und Hochdruck. Gesunde ohne Risikofaktoren hatten im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung in allen Altersstufen niedrigere Eosinophilenspiegel. Der Alters- und der Geschlechtsunterschied blieben aber auch ohne Risikofaktoren bestehen (< 18 J.: 170 vs. 210 Eos/μl; 18–40 J.: 100 vs. 110 Eos/μl). Abschließend wurde noch der Frage nachgegangen, wie viel die einzelnen Risikofaktoren zum Anstieg der Eosinophilen beitrugen. Interessanterweise führte Adipositas bei Kindern im Alter von sechs bis zehn Jahren noch nicht zu einer Erhöhung der Eosinophilenspiegel. In diesem Alter waren nur der positive Pricktest und Asthma Parameter, die signifikant mit der Eosinophilenzahl assoziiert waren.

Im Unterschied dazu führten bei Erwachsenen alle sechs identifizierten Risikofaktoren gegenüber Gesunden zu einem signifikanten Anstieg der Eosinophilen um jeweils etwa 40 bis 60 Eos/μl. Zwischen den einzelnen Risikogruppen gab es keine signifikanten Unterschiede. „Dass die COPD den Eosinophilenwert ähnlich stark ansteigen lässt wie ein Asthma, hat uns doch erstaunt“, so Hartl. Aufschlussreich war, wie sich eine Kombination von Risikofaktoren auswirkt: Eine zusätzliche Adipositas fiel bei Asthmatikern kaum ins Gewicht. Wenn die Asthmatiker jedoch rauchten oder einen positiven Pricktest hatten, stieg die durchschnittliche Eosinophilenzahl bereits auf Werte über 200 Eos/μl. Bei der COPD waren Adipositas und metabolisches Syndrom die Komorbiditäten, die zum größten Anstieg des Eosinophilenspiegels führten. Ob und in welchem Ausmaß diese zusätzlichen Risikofaktoren und ihre Auswirkungen auf die Eosinophilen das Exazerbationsrisiko und das Therapieansprechen beeinflussen, ist noch weitgehend unklar.

42. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖGB); Linz, Oktober 2018

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune