CAR-T-Zellen bei nHL: 40 Prozent profitieren langfristig
Die zweite CAR-T-Zelltherapie ist in Europa bei non-Hodgkin-Lymphomen (nHL) zugelassen. Prof. Dr. Max Topp berichtet nach ersten klinischen Erfahrungen von einem positiven Nutzen-Risiko-Profil.
Die chimäre Antigen-Rezeptor (CAR)-T-Zell-Therapie Axicabtagen Ciloleucel (Yescarta®), erhielt die EU-Zulassung zur Behandlung des rezidivierten oder refraktären diffus großzelligen B-Zell-Lymphoms (DLBCL) und des primär mediastinalen B-Zell-Lymphoms (PMBCL) nach zwei oder mehr systemischen Vortherapien. Bisher ist in Europa nur eine weitere Therapieform dieser Art zugelassen, nämlich Tisagenlecleucel (Kymriah®), das zur Behandlung von Patienten mit rezidivierter oder refraktärer akuter lymphoblastischer B-Zell-Leukämie (ALL) sowie mit rezidiviertem oder refraktärem DLBCL eingesetzt werden kann.
Im Rahmen einer Pressekonferenz berichtet Prof. Dr. Max Topp, Universitätsklinikum Würzburg: „Die Zulassungsstudie ZUMA-1 schloss Patienten mit DLBCL, PMBCL und transformiertem follikulärem Lymphom (TFL) ein und erreichte eine Rate an Komplettremissionen von über 50 Prozent.“ – Bei den ersten an seiner Klinik behandelten Patienten spiegeln sich die Studienergebnisse ungefähr wider, so Topp. „Die Behandlung war recht erfolgreich, wobei natürlich nicht alle ansprechen.“
Darüber hinaus berichtet der Experte von relativ geringen Nebenwirkungen bei den von ihm behandelten Patienten im Vergleich zu den Nebenwirkungsraten innerhalb der Studien. Unter den häufigsten Nebenwirkungen im Ausmaß von Grad 3 oder höher fanden sich in der ZUMA-1-Studie insbesondere Enzephalopathie (30%), Infektionen mit spezifizierten Erregern (19%) und das Zytokin-Release-Syndrom (12%; Neelapu S et al., N Engl J Med 2017; 377: 2531-44)
Sorgfältige Selektion
Besonders wichtig ist Topp eine sorgfältige Selektion jener Patienten, die eine hohe Wahrscheinlichkeit haben, von der Therapie zu profitieren: „Entscheidend ist aus meiner Sicht, dass ein Patient vorher organisch gesund ist, damit er, im Fall eines Zytokin-Release-Syndroms, vom Kreislauf her auch dagegenhalten kann. Das Zweite ist, dass wir Patienten wählen, bei denen wir denken, dass wir die Tumorerkrankung durch eine Vortherapie noch reduzieren können. Wenn Patienten mit einer geringen Tumorlast dann behandelt werden, können die Raten an Nebenwirkungen wie Neurotoxizitäten dadurch deutlich reduziert werden und somit wird auch das Outcome für diese Patienten besser sein.“
Weiters nennt Topp auch die Krankheitsgeschichte als Selektionskriterium. „Patienten, die bereits vier- oder fünffach vorbehandelt sind, sind wahrscheinlich kein geeignetes Kollektiv für diese Therapie. Besser ist es Patienten auszuwählen, bei denen man früh weiß, dass sie schlecht auf andere Therapien ansprechen, also beispielsweise jene, die ein Frührezidiv haben oder refraktär auf die Primärtherapie sind und auch auf die nächste Therapie rasch wieder refraktär werden. Das sind meines Erachtens ideale Patienten die man abholen sollte, solange sie noch relativ fit sind und wahrscheinlich besser mit den Nebenwirkungen umgehen können.“
28 Tage durchhalten
Zur Herstellung von Axicabtagen Ciloleucel werden T-Lymphozyten des Patienten gentechnologisch mit einem chimären Rezeptor für das B-Lymphozyten-Antigen CD19 sowie den kostimulierenden Domänen CD3-zeta und CD28 ausgestattet. Dadurch können sie B-Zellen erkennen und den Krebs bekämpfen“, erklärt Prof. Dr. Marion Subkleve, Ludwig Maximilian Universität München.
Ein echtes Problem sieht Topp jedoch darin, dass von der Entnahme der T-Zellen bis zu deren Reinfusion 28 Tage vergehen. „Die Erkrankung ist ein schnell wachsendes Lymphom. Bei Patienten mit hochproliferativen Tumoren müssen wir sicher sein, dass wir ein Regime haben, das zumindest das Fortschreiten der Erkrankung einbremst. Leider ist es nicht einfach das vorherzusagen, denn jeder kennt diese Patienten, die innerhalb von 28 Tagen ,davonlaufen‘.“
Langanhaltendes Ansprechen in ZUMA-1
In der ZUMA-1-Studie erreichte Axicabtagen Ciloleucel eine objektive Ansprechrate (ORR) von 72 Prozent bei 101 behandelten Patienten. 51 Prozent erreichten ein komplettes Ansprechen (CR). Nach einer einmaligen Infusion beträgt die mediane Dauer des Ansprechens 14 Monate bei Patienten mit einer ORR und wurde bei jenen mit einer CR nach rund 15 Monaten Nachbeobachtungszeit nicht erreicht. Zu diesem Zeitpunkt sprachen 42 Prozent der Patienten weiterhin auf die Behandlung an, bei 40 Prozent davon war kein Krebs nachweisbar. Von den 60 Patienten die bei der ersten Kontrolluntersuchung einen Monat nach Infusion kein vollständiges Ansprechen auf Axicabtagen Ciloleucel zeigten, konnte bei 23 nach bis zu 15 Monaten eine CR festgestellt werden (Neelapu S et al., N Engl J Med 2017; 377: 2531-44).
„Die Mehrzahl der Patienten, die eine komplette Remission haben ist nach eineinhalb Jahren noch krankheitsfrei und wird vielleicht sogar geheilt sein können“, sagt Topp.
Tumormasse entscheidet über Toxizitäten
Einmal infundierte CAR-T-Zellen erkennen CD19-exprimierende Zielzellen, wodurch es zur Aktivierung, Expansion und Persistenz der CAR-T-Zellen kommt. „Treten Nebenwirkungen auf, dann kann man kann CAR-T-Zellen nicht mehr ausschalten, sondern nur noch die Nebenwirkungen managen“, erklärt Subkleve.
Die wichtigste Management-Maßnahme um Nebenwirkungen gering zu halten beginnt für Topp damit, bereits vorab die Tumormasse zu reduzieren. „Das ist die entscheidende Determinante. Patienten mit großer Tumormasse haben mehr Nebenwirkungen als die mit geringerer Tumormasse“, sagt Topp. Kommt es trotzdem zum Zytokin-Release-Syndrom gibt es einen gut ausgearbeiteten Algorithmus mit Steroiden sowie einer Anti-Leukin-6-Antikörper-Therapie. „Weniger gut ist die Datenlage bei Neurotoxizitäten. Da braucht es sicher noch mehr Zeit um das optimale Management herauszubekommen. Um das zu mediieren wird bisher in manchen Fällen Tocilizumab eingesetzt. Aber es ist nicht ganz klar, ob das ausreichen wird.“ Den befürchteten Wirkverlust durch die Gabe von Kortikosteroiden hält Topp für überbewertet. Um diese Zusammenhänge besser zu verstehen, gelte es weitere Daten, auch aus Registern, abzuwarten.
Verfügbarkeit: Wann und zu welchem Preis?
Auf Nachfrage der krebs:hilfe! nach der Verfügbarkeit der Therapie in Österreich erklärt DI Alexander Preuss, Market Access Lead, Gilead: „Wir sind derzeit in Verhandlungen mit Krankenhausträgern in Graz, Innsbruck, Linz, Salzburg und Wien. Hier laufen auch die Zertifizierungsprozesse für die CAR-T-Zell-Therapie mit Axicabtagen Ciloleucel.“ Wie lang das dauere, sei noch unklar. Preuss rechnet aber Anfang 2019 mit einer Verfügbarkeit des Wirkstoffs in Österreich. Der Preis wird voraussichtlich unter den bisher geschätzten 370.000 Euro liegen, nämlich bei knapp über 300.000 Euro.
Subkleve berichtet über die Situation an ihrer Klinik: „Derzeit liegen noch keine Verträge mit den Kassen vor, sodass wir Einzelanträge stellen müssen. Hier haben wir bereits Zusagen von Kassen erhalten. Wir waren überrascht wie schnell die Kostenübernahmen erfolgt sind.“
Dennis Frerichs, Geschäftsführer Gilead Sciences GmbH Deutschland, erklärt zum Modell des Mitbewerbers Novartis, den Preis (Anm.: in den USA bei der Indikation akute lymphatische Leukämie) vom Therapieerfolg abhängig zu machen: „Wir sind dafür offen. Die spannende Frage wird sein: Was ist Erfolg? Hier tun sich alle noch schwer, das genau zu definieren. Wir sind derzeit in Gesprächen mit allen Krankenkassen in Deutschland. Ein wirkliches Modell zu entwickeln, wird aber noch einige Zeit dauern.“
Quelle
Zulassungs-Pressekonferenz Yescarta®, Wien, 2.10.18
Neelapu S et al., N Engl J Med 2017; 377: 2531-44
Mehr zum Thema CAR-T-Zell-Therapie finden Sie hier:
Video-Interview mit Prof. Dr. Max Topp zu Axicabtagen Ciloleucel
Video-Interview mit Univ.-Prof. Dr. Ulrich Jäger zu Tisagenlecleucel
https://medonline.at/innere-medizin/onkologie/krebshilfe/n/2018/10006031/car-t-cells-go-clinic-2/
Studiendaten und erste Erfahrungen mit Tisagenlecleucel
https://medonline.at/innere-medizin/onkologie/krebshilfe/n/2018/10001000/car-t-cells-go-clinic/