Häusliche Pflege: Learning by Doing in der Steiermark
Pflege durch Angehörige an praktischen Beispielen unter professioneller Anleitung erlernen – das ist es, was im Albert Schweitzer Trainingszentrum geboten wird. Finanzierung durch die öffentliche Hand: Fehlanzeige.
Kostengünstige, professionell geführte Kurse für pflegende Angehörige – das ist es, was das Albert Schweitzer Trainingszentrum in Graz bietet. Mitten im Zeitalter des zunehmend größer werdenden Bedarfs an häuslichen Pflegekräften wurde dieses Projekt gegründet, das sich auf die Schulung pflegender Angehöriger spezialisiert hat. „Gemäß dem Motto der Geriatrischen Gesundheitszentren der Stadt Graz – ‚Bei uns sind Menschen in besten Händen‘ – wollten wir ein Angebot schaffen, das sich mit dem Thema häuslicher Pflege durch Angehörige beschäftigt“, erklärte Mag. Lisa Weidinger, MA, im Zuge eines Vortrags bei den Alpbacher Gesundheitsgesprächen 2019.
Auf Basis einer Umfrage von Betroffenen über ihre Wünsche wurden fünf Kurse erstellt, in denen das Wissen bei pflegenden Angehörigen gestärkt werden soll. Dadurch sollen Pflegebelastungen reduziert und mehr Selbstsicherheit in der Pflege und Betreuung zu Hause gewonnen werden. Ein wesentlicher Bestandteil der Kurse bestehe auch im Austausch Betroffener untereinander, so Weidinger.
Trainieren in der Musterwohnung
Die Kurse, die von PflegeexpertInnen mit pädagogischer Erfahrung sowie Ergo- und PhysiotherapeutInnen referiert werden, gliedern sich in einen kostenlosen Basiskurs, in dem Grundlagen zur häuslichen Pflege vermittelt werden. „Die anderen Kurse, die 60 Euro kosten, sind sehr praxisnah und behandeln die Themen Umgang mit Demenzkranken, Tipps zur Körperpflege, zur für BetreuerInnen rückendschonenden Pflege und zur Sturzvermeidung“, führte die Programmleiterin weiter aus. „Alle Einheiten finden nachmittags statt, damit auch Berufstätige die Möglichkeit zur Teilnahme haben.“
Trainiert wird in einer Musterwohnung, die barrierefrei, altersgerecht aufgebaut und mit sehr viel unterstützender Technologie, wie einer automatischen Herdabschaltung, ausgestattet ist. „Die KursteilnehmerInnen bekommen eine Aufgabe, wie z.B., einen unruhigen, pflegebedürftigen Demenzkranken zu einem gemeinsamen Abendessen zu motivieren. Dazu hat man 15 Minuten Zeit, die anderen TeilnehmerInnen können das Szenario per Liveübertragung beobachten. Im Anschluss wird in einer gemeinsamen Diskussion aller mit ExpertInnen besprochen, was gut gelaufen ist und wo es andere Wege des Umgangs mit einem Demenzkranken gibt“, schilderte Weidinger den Ablauf.
Fehlende Unterstützung Angehöriger
„Während in Deutschland im Rahmen einer Pflegeversicherung im Anschluss an einen stationären Aufenthalt bei Bedarf eine Schulung gegeben wird, bekommen pflegende Angehörige in Österreich derzeit wenig Unterstützung“, erklärte die Projektleiterin, die Pflegewissenschaften und Gesundheitsmanagement studiert hat. „Auch in Österreich gibt es die Forderung und den Bedarf, mobile vor stationären Angeboten zu forcieren. Derzeit zeigen im stationären Betrieb Pflegekräfte und TherapeutInnen natürlich gewisse Handgriffe, aber dies geschieht unter großem Zeitdruck.“
Das Albert Schweitzer Trainingszentrum, das durch die Geriatrischen Gesundheitszentren querfinanziert ist, ist stark auf die Kooperation mit anderen Projekten angewiesen. Dazu zählen mobile Dienste, Selbsthilfegruppen, Kirchen, Gemeinden und Gesundheitseinrichtungen. Außer einigen Sponsoringgeldern von Firmen gibt es keine Geldquellen von außerhalb. „Der Bund sagt, unser Projekt sei Ländersache, umgekehrt sieht das Land die Finanzierungsfrage beim Bund. Auch die Krankenversicherungen haben anderen Projekten den Vorzug gegeben. Die fehlende Finanzierung durch die öffentliche Hand stellt für uns eine große Herausforderung für die Fortführung unseres Angebots dar“, so Weidinger.
Erste Erfahrungen sind erfreulich
Durch die vielen Kooperationen können auch andere Kurse im Trainingszentrum angeboten werden, wie z.B. gratis Internetschulungen oder Gesundheitsförderungs-Schulungen für SeniorInnen.
Auch wenn das Projekt finanziell gesehen nicht langfristig gesichert ist, blickt Weidinger positiv in die Zukunft. Eines der Ziele ist es, bekannter zu werden. Hierzu haben Studierende der Donau-Uni Krems ein PR-Konzept erstellt. „Außerdem führen wir eine Studie durch, um unser Angebot zu evaluieren:
Lässt sich subjektive Lebensqualität verbessern? Kann Belastungsempfinden reduziert oder auch die Selbstsicherheit in der Pflege gestärkt werden? Erste Zwischenergebnisse zeigen, dass die Selbstsicherheit bei unseren KursteilnehmerInnen gefördert werden konnte und somit herausfordernden Situationen besser bewältigbar wurden“, so Weidinger erfreut.
Hätte sie drei Wünsche, würde sie das Projekt gerne österreichweit bekannter machen und weiterhin eine stabile Auslastung sicherstellen. Der zweite Wunsch geht an die Politik: „PolitikerInnen sollen gesundheitsökonomischen Nutzen derartiger Projekte anerkennen und langfristige Finanzierung sicherstellen. Und zuletzt würden wir die Kurse gerne auch in andere Bundesländer transferieren, aber systematisch. Es soll nicht jede Organisation wieder eigene Kurse entwickeln, sondern vorhandene Ressourcen sollen genutzt und auf diesen Initiativen aufgebaut werden, um eine einheitliche Qualität bieten zu können.“
Sie haben Interesse, das Projekt zu unterstützen?
„Wichtige KooperationspartnerInnen sind praktische Ärztinnen und Ärzte, die oft die ersten Ansprechpersonen für Menschen, deren Angehörige plötzlich zu Pflegefällen werden, sind. Die Information, dass es eine Einrichtung wie unsere gibt, kann in ihren Ordinationen effektiv verbreitet werden“, so Mag. Lisa Weidinger, MA, Projektleiterin des Albert Schweitzer Trainingszentrums. Nähere Informationen finden Sie in diesem Folder
Wichtige Termine:
- 30. September 2019: Start des Kursprogramms im Herbst
- 12. Oktober 2019: Tag der offenen Tür: Ab 10.00. Dabei wird durch die Räumlichkeiten des im Albert Schweitzer Trainingszentrums geführt.
Quelle
Partner-Session 04: „Informal Caregivers“. Europäisches Forum Alpbach, 19.8.2019