27. Juni 2024Hoffnung auf bessere Therapien

EULAR: Suche nach krankheitsmodifizierenden Medikamenten bei Handarthrosen

Nach wie vor sind die therapeutischen Möglichkeiten bei Arthrosen der Fingergelenke äußerst begrenzt. Die Optionen sind weitgehend auf Schmerzmedikation reduziert. Zahlreiche Versuche, Krankheitsmodifikation zu erreichen, schlugen fehl. Hoffnung besteht allerdings, durch Definition von Endotypen und bessere Patientenselektion zu wirksamen Ansätzen zu kommen.

arthritis hand
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Arthrosen der Hände (Hand Osteoarthritis) sind eine sehr häufige rheumatische Erkrankung, der allerdings nicht die entsprechende Beachtung geschenkt wird. Ein Grund dafür dürften die nach wie vor sehr begrenzten therapeutischen Optionen sein. Die Prävalenz beginnt in etwa ab dem 40. Lebensjahr stetig zu steigen und liegt bei den über 60-Jährigen bereits bei 10.000/100.000 Personen. Frauen sind häufiger betroffen als Männer.1

Als Risikofaktoren sind neben Alter und Geschlecht auch Adipositas und Umweltfaktoren wie Arbeit, Verletzungen und bestimmte Sportarten bekannt. Auch die Genetik spielt eine Rolle. Eine genomweite Assoziationsstudie identifizierte 77 Effektor-Gene, die mit hoher Wahrscheinlichkeit das Risiko erhöhen, eine Arthrose zu entwickeln. Eine hohe Assoziation mit Hand-Arthrosen weisen Varianten von Gen ALDH1A2 auf. Dieses Gen steht in Verbindung mit der Regulation von Retinsäure, woraus sich in Zukunft neue therapeutische Ansätze ergeben könnten.2 Auch Auffälligkeiten des Darm-Mikrobioms werden in Verbindung mit Arthrosen der Hände gebracht.

Chronische Schmerzen, schlechte Lebensqualität

Destruierende Verläufe kommen vor, in der Regel liegt die Belastung für die Betroffenen jedoch in chronischen Schmerzen, die die täglichen Aktivitäten beeinträchtigen und bei praktisch jeder manuellen Tätigkeit präsent sein können. Die Lebensqualität von Personen mit Handarthrosen, die in spezialisierten Zentren behandelt werden, ist nicht besser als jene von Patientinnen und Patienten mit rheumatoider Arthritis.3

Der Schmerz ist primär ein nozizeptiver infolge struktureller Pathologie inklusive Synovitis, Knochenmarksläsionen und Erguss. Darüber hinaus kann sich jedoch auch eine neuropathische Komponente entwickeln. Die Rolle einer möglichen zentralen Sensibilisierung ist unklar. Hier sei mehr Forschung dringend gefragt, so Prof. Dr. Margreet Kloppenburg von der Universität Leiden in den Niederlanden, da sich mit einem besseren Verständnis der Pathophysiologie auch die Medikamentenempfehlungen ändern könnten.

Diese sind unter anderem in den Guidelines der EULAR niedergelegt und wurden zuletzt 2018 aktualisiert.4 Leider kann den Betroffenen aktuell keine kurative und nicht einmal eine krankheitsmodifizierende Therapie angeboten werden, sodass die Therapieziele in Symptomkontrolle und bestmöglicher Erhaltung der Funktion liegen. Die EULAR-Empfehlungen betonen, ebenso wie die Guidelines des ACR5 und des britischen NICE, dass ein individualisierter Zugang zu Erkrankung und Therapie gewählt und neben den medikamentösen auch nicht-medikamentöse Maßnahmen zum Einsatz kommen sollen. Nicht einig sind sich die Fachgesellschaften hinsichtlich des Einsatzes von Orthosen zur Druckentlastung. Die EULAR empfiehlt Orthosen lediglich für das Daumengrundgelenk, nicht jedoch für andere Finger und Gelenke. Die anderen Gesellschaften sind hier mit „Kann“-Empfehlungen liberaler. Hinsichtlich der medikamentösen Therapie spricht die EULAR klare Empfehlungen für topische und orale NSAR aus. Das ACR empfiehlt lediglich orale NSAR. „Kann“-Empfehlungen bestehen für eine Reihe von Substanzgruppen von Paracetamol über intraartikuläre Steroide, Chondroitinsulfat oder Tramadol. Einigkeit zwischen den Gesellschaften besteht im Hinblick auf die bei anderen rheumatischen Erkrankungen erfolgreichen DMARDs. Diese sollen mangels Wirksamkeit bei Handarthrosen nicht eingesetzt werden.

Endotypen und die Suche nach krankheitsmodifizierenden Therapien

Gefragt wären, so Kloppenburg, DMOADs (Disease Modifying Osteoarthritis Drugs), die einerseits zu einer Symptomverbesserung führen, darüber hinaus aber auch Schäden im Sinne struktureller Defekte verhindern. Möglicherweise vereinfacht wird die Suche nach solchen Substanzen durch den Umstand, dass mittlerweile mehrere unterschiedliche molekulare Endotypen von Handarthrosen identifiziert wurden.6

Für diese Endotypen bieten sich jeweils unterschiedliche therapeutische Ansätze an. So ist ein „knochengetriebener“ Endotyp unter anderem durch subchondrale Osteoklastenaktivität charakterisiert und mit ausgeprägten Erosionen assoziiert. Allerdings führte in einer randomisierten, kontrollierten Studie mit Denosumab die Blockade des RANK-Liganden zwar zur Verhinderung weiterer Erosionen, dabei jedoch nicht zu einer Linderung der Schmerzen.7

Ebenfalls beschrieben wurde ein „Synovia-getriebener“ Endotyp, bei dem die Entzündung der Synovia im Vordergrund steht. Es wäre naheliegend, so Kloppenburg, dass in diesen Fällen Biologika, wie sie bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen zum Einsatz kommen, hilfreich sein könnten. Leider hat sich auch diese Hoffnung bislang nicht erfüllt und eine Vielzahl von Studien mit antiinflammatorischen Medikamenten führte allenfalls zu einem Trend in Richtung Verbesserung. Es stelle sich nun die Frage, so Kloppenburg, ob eine Entzündung der Synovia überhaupt ein geeignetes Ziel für die Arthrosetherapie sei oder ob man nicht die richtigen Patientinnen und Patienten (mit ausreichender Inflammation in den Gelenken) ausgewählt habe. Tatsächlich weist Kloppenburg auf aktuelle Studien hin, in denen nach sorgfältiger Selektion der Patientinnen und Patienten gewisse Erfolge erzielt wurden. Beispielsweise führte eine kurze Therapie mit Prednisolon zu einer signifikanten Schmerzreduktion, die jedoch nach Absetzen des Steroids nicht anhielt.8

Ebenso erwies sich Methotrexat bei Patientinnen und Patienten mit nachgewiesener Synovitis als statistisch wirksam auf die Schmerzsymptomatik. Der Effekt war allerdings gering und von fraglicher klinischer Relevanz.9 Ausgehend von diesen Ergebnissen fordert Kloppenburg Studien mit längerer Beobachtungszeit und strukturellen Endpunkten.

Quelle: „What is New (WIN): Hand Osteoarthritis“, EULAR 2024, Wien, 13.6.2024