“Schwangerschaftsabbruch raus aus dem Strafgesetzbuch”
Anlässlich der Einführung der Fristenlösung vor 50 Jahren haben die Österreichische Gesellschaft für Familienplanung (ÖGF) und die Österreichische Gesellschaft für Psychosomatik in Gynäkologie und Geburtshilfe (ÖGPGG) ein gemeinsames Positionspapier veröffentlicht.
Um das Recht auf reproduktive Gesundheitsversorgung von Frauen und von ungewollt Schwangeren sicherzustellen, wird in dem Positionspapier folgendes gefordert:
Streichung der Regelung des Schwangerschaftsabbruchs aus dem Strafgesetzbuch:
Das Positionspapier hebt hervor, dass Schwangerschaftsabbrüche als integraler Bestandteil der reproduktiven Gesundheitsversorgung betrachtet werden sollten. Derzeit wird der Schwangerschaftsabbruch als einzige Gesundheitsversorgung im Strafgesetzbuch geregelt und damit kriminalisiert. Die ÖGF und die ÖGPGG fordern die Streichung dieser Regelung und betonen, dass die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen eine zentrale Forderung für einen auf Menschenrechten basierten Zugang zur reproduktiven Gesundheitsversorgung ist.
Eingliederung in das nationale Gesundheitssystem:
Die Verortung von Schwangerschaftsabbrüchen im Strafgesetzbuch diskriminiert Frauen und ungewollt Schwangere. Ärztinnen und Ärzte, die Abbrüche durchführen, geraten durch strafrechtliche Regelungen unter Druck. Viele führen in der Folge keine Abbrüche durch oder machen diese Information nicht öffentlich zugänglich. Durch eine Eingliederung von Schwangerschaftsabbrüchen in das nationale Gesundheitssystem würden diese Versorgungslücken geschlossen.
Flächendeckende Versorgung und Zugang zu Telemedizin:
Das Positionspapier fordert einen flächendeckenden Zugang zum Schwangerschaftsabbruch in allen öffentlichen Kliniken mit gynäkologischen Abteilungen. Besonderes Augenmerk soll auf die Förderung der Versorgung im niedergelassenen Bereich und durch Telemedizin gelegt werden. Derzeit ist die Versorgungslage in Ostösterreich und in Städten besser als in Westösterreich und in ländlichen Gebieten. Denn im niedergelassenen Bereich würden kaum medikamentöse Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt, obwohl dies seit 2020 möglich wäre. Telemedizin wäre im Prinzip eine niederschwellige Option, doch es wird bemängelt, dass das österreichische Recht keine ausdrücklichen Bestimmungen zu Telemedizin habe und dadurch ein Graubereich entstehe.
Verankerung der Wissensvermittlung in der medizinischen Ausbildung:
Kritisiert wird, dass die Wissensvermittlung zu Verhütung und Schwangerschaftsabbrüchen in Österreich keine integrale Rolle in der medizinischen Ausbildung spiele. Die ÖGF und die ÖGPGG betonen die Notwendigkeit, diesen Bereich in die Ausbildung aufzunehmen, um den Zugang zu selbstbestimmter Familienplanung zu verbessern.
Kostenübernahme für Schwangerschaftsabbrüche:
Ein weiterer zentraler Punkt des Positionspapiers ist die Kostenübernahme für Schwangerschaftsabbrüche durch die öffentliche Hand. Derzeit sind die Kosten für einen Schwangerschaftsabbruch in Österreich für viele unerschwinglich. In Wien und in Tirol wurden Programme zur Kostenübernahme für Betroffene in finanziellen Notlagen gegründet. Informationen über ähnliche Unterstützungsmöglichkeiten in anderen Bundesländern sind öffentlich nicht zugänglich.
Zulassung von Berufsgruppen:
Zudem wird die Zulassung speziell ausgebildeter Berufsgruppen für die Durchführung von medikamentösen Schwangerschaftsabbrüchen gefordert.
Die WHO Abortion Care Guideline 2022 empfiehlt die Zulassung zur Durchführung eines unkomplizierten medikamentösen Schwangerschaftsabbruchs vor der zwölften Schwangerschaftswoche durch acht Berufsgruppen, unter anderem Hebammen und Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerinnen und -pfleger. Wie diese Guideline für Österreich angepasst und umgesetzt werden könnte, müsse in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (OEGGG) und den entsprechenden Berufsverbänden erarbeitet werden.
Verhütung und sexuelle Bildung:
Das Positionspapier unterstreicht die Bedeutung kostenfreier Verhütung. Österreich wird dabei als eines der letzten Länder in Mittel- und Nordeuropa genannt, das keine Kostenübernahme für Verhütungsmittel bietet.
Qualifizierte sexuelle Bildung sei zwar Bestandteil von österreichischen Lehrplänen, doch wie weit sie unterrichtet würde, liege im Ermessen individueller Lehrkräfte. Dabei sei sie ein zentraler Faktor zur Vermeidung von Schwangerschaftsabbrüchen.
Rechtliche Aspekte
Am 29. November 1973 wurde im österreichischen Parlament die Einführung der Fristenregelung beschlossen. Sie gewährleistet den straffreien Zugang zu einem Schwangerschaftsabbruch, wenn dieser innerhalb der ersten drei Monate nach Beginn der Schwangerschaft, von einer Ärztin oder einem Arzt durchgeführt wird und vorab eine ärztliche Beratung stattfindet (§97 Abs. 1 Z 1 StGB). Das Beenden einer Schwangerschaft ist außerdem bei einer ernsten, nicht anders abwendbaren Gefahr für das Leben oder die Gesundheit der Schwangeren möglich, bei einer ernsten Gefahr der geistigen oder körperlichen schweren „Schädigung“ des Fötus oder wenn die Schwangere vor dem vollendeten 14. Lebensjahr schwanger wurde (§ 97 Abs. 1 Z 2 StGB). Die Durchführung eines Abbruchs kann, durch Berufung auf die „Gewissensklausel“, von Ärztinnen und Ärzten und medizinischem Personal mit Ausnahme zur Abwendung von Lebensgefahr verweigert werden (§ 97 Abs. 2 StGB).