Praxis-Übergabe: So regeln Sie Ihre Nachfolge

FOTO: JACKF / ISTOCK JACKFDer niedergelassene Bereich steuert auf eine Pensionierungswelle zu. Die Ärzte stehen vor der Entscheidung, was sie mit ihrer Praxis tun sollen. Medical Tribune fragte Experten nach einem Leitfaden. (Medical Tribune 23/2017)

Die Ärztekammer hat Alarm geschlagen, befürchtet Engpässe in der Versorgung: Vor zehn Jahren gab es rund 4100 niedergelassene Allgemeinmediziner mit Kassenvertrag in Österreich, heute sind es nur noch 3880. Davon erreichen mehr als 60 Prozent in den kommenden zehn Jahren das Pensionsalter. Auch bei den Fachärzten mit Kassenvertrag steht eine Pensionierungswelle bevor. All diese Ärzte stehen vor einer wichtigen Entscheidung: Was sollen sie mit ihrer Praxis tun und was ist im Detail zu beachten? Medical Tribune hat dazu die Expertise des renommierten Bankhaus Carl Spängler* eingeholt, das reichlich Erfahrung in Sachen Unternehmensnachfolge hat und Familienbetriebe aus verschiedenen Branchen berät.

„Jede Unternehmensnachfolge verlangt nach einem individuellen Lösungsansatz, es gibt aber grundsätzliche Leitlinien, die zu beachten sind“, erklärt Dr. Martin Apprich, Bereichsleiter Family Management. Wichtig sei die rechtzeitige und geplante Auseinandersetzung mit dem Thema, was häufig unterschätzt und nicht eingehalten wird. Vielleicht auch, weil man sich nicht gern mit dem eigenen Alter auseinandersetzt. Laut Apprich sollte ein Planungshorizont von bis zu zehn Jahren beachtet werden. Grundsätzlich gibt es stets drei Optionen:

1. Der Verkauf des Unternehmens an einen Dritten:

Hierbei ist die Kaufpreisvorstellung natürlich von zentraler Bedeutung, eine Kaufpreisermittlung, also Bewertung der Arztpraxis erforderlich. „Der Firmenwert ist in der Regel der Patientenstamm, dazu kommen Behandlungsgeräte und mitunter auch die Immobilie, so sie in Eigenbesitz ist und mit verkauft werden soll“, sagt Apprich.

2. Eine Nachfolge aus der Familie:

Das ist gerade in der Medizin häuftig der Fall. Eine kürzlich im Fachblatt „BMC Medical Education“ publizierte Studie belegt, dass Medizinstudenten gehäuft Ärzte in der Verwandtschaft haben. Wird eine Praxis familienintern übergeben, wird es aber oft kompliziert. „Neben steuerlichen und rechtlichen Regelungen muss man die familiäre Komponente berücksichtigen“, so Elisabeth Kast­ler, die ebenfalls im Family Management der Bank tätig ist. Ratsam sei es, die Rollen beteiligter Personen im Vorfeld genau zu definieren, insbesondere, wenn andere Familienmitglieder oder Partner in der Arztpraxis mitarbeiten. Mögliche Spannungsfelder bei der Übergabe sollten gemeinsam erkannt und bewusst gemacht werden.

„In der Familie sollte ein Konsens über den geplanten Weg geschaffen werden“, sagt die Expertin. Um einen Pensionsschock des Übergebers zu vermeiden, böte sich ein sukzessiver Rückzug an. Kastler: „Idealerweise erstellt man gemeinsam einen Zeitplan mit einem klaren Ziel, wann die Übergabe stattfinden soll und füllt einzelne Phasen bis zum Einstieg in die Praxis dann mit Inhalten.“ Last but not least muss man eine ausreichende Altersversorgung für den Übergeber sicherstellen.

3. Die Betriebsaufgabe:

Hier sind wiederum steuerliche Folgen zu beachten, etwa eine Betriebsaufgabebegünstigung, die man nutzen sollte. Martin Apprich rät zu einem rechtzeitigen Gespräch mit dem Steuerberater und dem Rechtsanwalt, um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten und steuerliche Belastungen so gering wie möglich zu halten. Doch egal, ob das Unternehmen bzw. die Praxis verkauft wird oder ein Nachfolger aus der Familie gefunden wird, eines ist immer zu beachten: die Vermögensnachfolge. Und auch hier sind zentrale Punkte zu klären. Soll die Übergabe der einzelnen Vermögenswerte zu Lebzeiten oder von Todes wegen erfolgen? In letzterem Fall: Soll dies per Testament oder durch gesetzliche Erbfolge geregelt werden?

Jedenfalls wird empfohlen, dass die Prozesse der Unternehmens- und Vermögensnachfolge durch externe Moderation begleitet und im Anschluss die entsprechenden Experten (Rechtsanwälte, Notare, Steuerberater usw.) eingebunden werden. Es geht darum, eine Lösung zu finden, die von allen Familienmitgliedern als fair empfunden wird. Gespräche in der Familie beugen Konflikten vor, Streitigkeiten im Erbfall sollen vermieden werden.

Der ominöse Koffer

Und es sollte stets einen Notfallplan geben: Vorkehrungen für unerwartete Ereignisse wie Unfall oder Krankheit. Dazu gehört eine Vorsorgevollmacht für den Fall des Verlustes der Geschäftsfähigkeit, der Einsichts- und Urteilsfähigkeit oder der Äußerungsfähigkeit. Für den Fall der Fälle sollte eine Person des Vertrauens zur Besorgung bestimmter Angelegenheiten wie die Vertretung vor Behörden und anderen Institutionen vorgesehen werden. Auch Wohnungs-, Gesundheits- und Pflegeangelegenheiten sowie Vermögensangelegenheiten inkl. Bankvollmacht müssen rechtzeitig geklärt werden. Die Spängler-Experten raten sogar dazu, einen Notfallkoffer bzw. -ordner zu erstellen, in dem eine Aufstellung aller Verträge und Vereinbarungen, EDV-Zugangsdaten sowie wichtige Ansprechpersonen gesammelt dokumentiert werden. Kastler: „Für Familienmitglieder bzw. Erben ist das eine wesentliche Erleichterung, wenn sie sich nicht erst alles mühsam zusammensuchen müssen.“

* www.spaengler.at
Kontakt: elisabeth.kastler@spaengler.at
Tel. 0043 662 8686-4011

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune