6. Dez. 2016

Pharma-Geschenke, ein Tabu?

THEMA DER WOCHE – Im Verhältnis zwischen Industrie und Arzt hat sich vieles verändert. Die meisten Ärzte wollen nicht öffentlich als Empfänger von Pharma-Geld genannt werden. Auch bei Präsenten ist Vorsicht geboten. (Medical Tribune 49/2016)

Für „Bürohilfsmittel“ als Präsent gibt es Wertgrenzen.
Für „Bürohilfsmittel“ als Präsent gibt es Wertgrenzen.

Nur etwa jeder fünfte Arzt, der im Vorjahr Geld von der pharmazeutischen Industrie erhalten hat, wollte seinen Namen veröffentlicht sehen. Das ergab eine Studie des Ludwig Boltzmann Instituts für Health Technology Assessment (HTA)1. Die Autoren nahmen die Websites der 115 Pharmig-Unternehmen unter die Lupe, um zu prüfen, wie es um die seit Juni erfolgende Offenlegung geldwerter Leistungen seitens der Industrie bestellt ist. Dieser Studie zufolge betrug die individuelle Offenlegungsrate von Ärzten 21,9 Prozent – aus Datenschutzgründen dürfen die Pharma-Firmen den Namen des Empfängers ja nur mit dessen Zustimmung veröffentlichen, andernfalls werden die Geldflüsse in aggregierter Form ausgewiesen.

Von insgesamt 104,1 Mio. Euro floss 2015 das meiste Pharma-Geld in Forschungsprojekte und Anwendungsbeobachtungen (54 Mio. Euro, das sind 52 Prozent der Gesamtausgaben). Medizinische Institutionen erhielten 27,7 Mio. Euro und einzelne Ärzte 22,4 Mio. Euro. Von den Zahlungen an individuelle Ärzte entfielen 54 Prozent (12,2 Mio. Euro) auf Honorare, 41 Prozent (9,1 Mio. Euro) auf den Besuch von Veranstaltungen und 5 Prozent (1,1 Mio. Euro) auf „Auslagen“. Was überhaupt (noch) erlaubt ist zwischen Pharmaindustrie und Arzt, wird von verschiedensten Gesetzen und Codices geregelt, wie der Rechtsanwalt DDr. Meinhard Ciresa im ARS-Seminar „Pharmaindustrie und Arzt“2 detailliert darlegt.

Viel verändert hat sich in den vergangenen Jahren für jene Ärzte, deren Dienstgeber ein öffentliches Unternehmen oder eine Universität ist. Sie fallen unter den Begriff des „Amtsträgers“, der durch das 2009 in Kraft getretene (und 2013 novellierte) Korruptionsstrafrechtsänderungsgesetz eingeführt wurde, und sind im Falle der Vorteilsannahme oder Bestechung mit Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren bedroht. Da im Sinne des Verbandsverantwortlichengesetzes auch eine Verurteilung des Dienstgebers möglich ist, sind von den Medizin-Universitäten und öffentlichen Krankenanstalten in der Folge auch strenge dienstrechtliche Regelungen geschaffen worden. „Der zentrale Punkt all dieser Regelungen besteht darin, zu verbieten, dass einzelne angestellte Ärzte direkt ein Entgelt von dritter Seite bekommen“, erklärt Ciresa.

„Ein direktes Entgelt ist nur dann zulässig, wenn es einen Leistungsaustausch gibt, also etwa eine Referententätigkeit oder einen Kongressvorsitz.“ Ist dies nicht der Fall, so müssen Einladungen an die Klinik oder Abteilung gerichtet sein, nicht an einzelne Ärzte. Keine „Amtsträger“ und daher nicht vom Korruptionsstrafrecht betroffen sind Angestellte von Ordensspitälern und Privatkliniken sowie alle niedergelassenen Ärzte und die Konsiliarärzte. „Ein Kassenvertrag macht einen Arzt nicht zu einem Amtsträger“, stellt Ciresa klar.

Sind Geschenke oder Gimmicks erlaubt?

Niedergelassene unterliegen nur dem Arzneimittelgesetz/Medizinproduktegesetz und dem Ärztegesetz sowie dem daraus abgeleiteten Verhaltenscodex der Ärztekammer. Bei Verstößen sind theoretisch ein Verwaltungsstrafverfahren bzw. ein Disziplinarverfahren möglich. Nicht nur der ärztliche Verhaltenscodex, sondern auch jener der Pharmig ist – in Umsetzung europäischer Normen – zunehmend verschärft worden, wobei dieses Selbstbeschränkungsabkommen der Pharmig teilweise strenger ist als der ärztliche Verhaltenscodex. „Der Pharmig-Verhaltenscodex hat in der Version von 2014 auch Gimmicks für unzulässig erklärt“, nennt Ciresa ein Beispiel.

Während Pharmig-Mitgliedsunternehmen also keine Kugelschreiber, Post-its oder Notizbücher mit Pharma-Aufdruck mehr verschenken dürfen, ist Ärzten die Annahme derartiger „Bürohilfsmittel“ noch erlaubt, solange diese von „geringem Wert“ sind und in ursächlichem Zusammenhang mit der ärztlichen Tätigkeit stehen. Als Wertgrenze gelten dabei etwa 100 Euro, wobei aber unklar ist, ob sich dieser Wert auf das einzelne Geschenk bezieht oder auf mehrere kleine Geschenke in einem bestimmten Zeitraum. Geschenke, die darüber hinausgehen, fallen unter das Prämienverbot des Arzneimittelgesetzes. „Auch Fachbücher und medizinische Geräte sind problematisch, weil deren Wert zu hoch sein kann“, erklärt Ciresa. „Komplett verboten ist inzwischen Ordinationsausstattung im Kleinen, während das früher nicht so ein Thema war.“

Worauf bei Einladungen zu achten ist

Einladungen zu Arbeitsessen sind laut Pharmig-Verhaltenscodex nur noch angemessen, wenn ein Betrag von 75 Euro pro Person und Mahlzeit nicht überschritten wird. Bei Einladungen zu Symposien und wissenschaftlichen Kongressen muss sich die Kostenübernahme auf Reisekosten, Verpflegung, Übernachtung und ursächliche Teilnahmegebühr beschränken. Unzulässig sind laut Pharmig Freizeit- und Unterhaltungsprogramme sowie die Kostenübernahme für Begleitpersonen. Was den ärztlichen Verhaltenscodex betrifft, so ist niedergelassenen Ärzten die Annahme von Einladungen zu Arbeitsessen und Fortbildungen erlaubt. Voraussetzungen: Es muss sich um eine „ausschließlich berufsbezogene oder wissenschaftliche Veranstaltung“ handeln, und das Pharmaunternehmen darf nur die Kosten für den Arzt, nicht aber für eine Begleitperson übernehmen.

Schriftlichkeitsgebot bei Ärzteleistungen

Viel verändert hat sich in den vergangenen Jahren bei den sogenannten „Anwendungsbeobachtungen“, die jetzt „Nicht-interventionelle Studien“ (NIS) heißen. Unter anderem müssen sie seit 2010 der Medizinmarktaufsicht beim BASG gemeldet werden, und es darf nur eine „ortsübliche und dem Umfang der erbrachten Leistung entsprechende finanzielle Abgeltung“ geben. Maßstab ist die Richtlinie für Privathonorare der ÖÄK. Für alle Leistungen, die von Ärzten für die Industrie erbracht werden, gelte inzwischen ein Schriftlichkeitsgebot, so Ciresa: „Sämtliche Leistungen von Ärzten gegenüber Pharmafirmen dürfen nur auf der Grundlage eines schriftlichen Vertrages erbracht werden, wobei darin Leistung und Gegenleistung genau zu spezifizieren sind.“

1 http://eprints.hta.lbg.ac.at/1107
2 Akademie für Recht, Steuern und Wirtschaft: Pharmaindustrie und Arzt , nächster Termin: 17. Mai 2017, www.ars.at

Von: Mag. Petra Vock

 

 

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune