
Zur Entscheidungsfähigkeit Minderjähriger
Im Rahmen eines Verfahrens auf Einschränkung der elterlichen Obsorge musste sich der OGH mit der Entscheidungsfähigkeit Minderjähriger auseinandersetzen. Im konkreten Fall bestand der Verdacht, dass das Kind an einer hyperkinetischen Störung des Sozialverhaltens, einer generalisierten Angststörung, Panikattacken, spezifischen Phobien, einer nicht organischen Schlafstörung und an psychosozialen Belastungen litt. Es habe große schulische Schwierigkeiten und ist in seinem Verhalten auffallend ambivalent.
Das Pflegschaftsgericht trug den Eltern auf, eine psychologische Diagnostik an ihrem 13-jährigen Kind durchführen zu lassen. Die Eltern und das Kind verweigerten jedoch Medikation, Diagnose und Psychotherapie. Der OGH musste zunächst die Frage klären, ob für die Durchführung der psychologischen Diagnostik auch die Zustimmung des Kindes erforderlich ist. Er führte aus, dass nach § 173 ABGB (zuvor § 146c ABGB) ein einsichts- und urteilsfähiges Kind Einwilligungen in medizinische Behandlungen nur selbst erteilen kann. Im Zweifel werde das Vorliegen dieser Einsichts- und Urteilsfähigkeit beim mündigen Minderjährigen vermutet. Auch bei (in der Regel knapp) Unmündigen kann nach dem Gesetz Einsichtsfähigkeit gegeben sein. Ohne Einwilligung des einsichts- und urteilsfähigen Kindes könne dem Obsorgeberechtigten eine Behandlung des Kindes nach §176 Abs 1 ABGB nicht aufgetragen werden.