23. Apr. 2025Psychologische Booster, Teil 14

Mobbing in der Arztpraxis

Ob Schule, Sport oder Arbeitswelt: Mobbing-Prozesse können überall auftreten – selbst in gut geführten Arztpraxen. Es gilt in jedem Fall: Eingreifen statt wegschauen und Tätern wie Opfern Hilfe zukommen lassen. Als wirksame Präventiv-Maßnahme erweist sich ein offenes und transparentes Kommunikations- und Arbeitsklima.

Take Home Messages

  • Mobbing ist psychische Gewalt und zielt auf soziale Ausgrenzung.

  • Nicht wegschauen! Täter, Opfer und Zuschauer sind beteiligt.

  • Betroffene sollten Beweise sichern und Hilfe suchen.

  • Vorgesetzte tragen Verantwortung und müssen eingreifen.

  • Prävention durch offene Teamkultur und klare Regeln.

  • Null Toleranz für abwertendes Verhalten!

Was genau steckt eigentlich hinter dem Begriff „Mobbing“? Konflikte und Meinungsverschiedenheiten gelten jedenfalls nicht als Mobbing. Vielmehr steckt dahinter ein Prozess von absichtlichen, gezielten und sich wiederholenden Angriffen auf Personen oder Gruppen ohne objektiven Grund.

Mobbing ist psychische Gewalt

Mobbing ist eine Form der psychischen Gewalt! Es kommt zu Entwertung der Person und/oder ihres Berufes. Typische Verhaltensweisen sind etwa „Getuschel“ oder Schweigen, wenn die Person den Raum betritt, ebenso ein abruptes Verlassen des Raumes, das Streuen von Gerüchten oder das Vorenthalten von Informationen oder Entziehen wichtigen Aufgaben.

Hinzu kommen mit Social Media alle Mechanismen des Cyber-Mobbings, etwa mit der Veröffentlichung von persönlichen oder gesundheitsbezogenen Daten im Netz. Die soziale Ausgrenzung ist das Ziel und zugleich der für die Betroffenen mitunter hoch traumatisierende Effekt des Mobbings.

An jedem Mobbing-Prozess sind drei Personen bzw. Gruppen von Personen beteiligt: Täter, also die Mobber, Opfer, die Gemobbten, und Bystander.

Brigitte Benczak
Foto: Privat

Mag. Brigitte Benczak

Unter dem Bystander-/Zuschauereffekt versteht man das Phänomen der stillen Beteiligung, ohne einzuschreiten und zu Hilfe zu eilen. Dies passiert oft aus Angst davor, selbst das nächste Opfer zu werden.

Sehr oft verstärkt sich diese Position, wenn es mehrere Zuschauer gibt, weil „ja genauso gut der/die andere helfen könnte“. Ähnliches kennen Rettungsorganisationen von Notfallsituationen bei großen Menschenansammlungen!

Notwendige Schritte um auszusteigen!

Mobbing-Handlungen sind in der Regel sehr beschämend und die Scham, vielleicht sogar Schuldgefühle, erschwert es den Opfern, aktiv um Hilfe zu bitten. Entscheidend ist es, eine Person ins Vertrauen zu ziehen, die bei der Anbahnung weiterer Hilfe unterstützen kann.

Empfohlen wird zudem dringend, ein Mobbing-Tagebuch oder -Protokoll anzulegen und alle Beweise wie E-Mails oder Nachrichten zu sammeln. Mobbing kann jeden treffen und jegliche Spekulation über eine „Mobbingpersönlichkeit“ ist strikt abzulehnen. Mobbing-Beratungsstellen wie jene der Arbeiterkammern bieten fachkompetente Beratung und Unterstützung.

Vorgesetzte sollten jedenfalls wachsam sein und aufmerksam hinsehen oder Nachfragen (auch in Vier-Augen-Mitarbeiter-Gesprächen), wenn sich ein Teil des Teams immer wieder und unbegründet gegen eine Person stellt. Auch auffällig vermehrte Krankenstände können ein Hinweis sein, dass es eine Person „nicht mehr aushält“.

Sichern sie allen ihr Vertrauen und ihre Wertschätzung zu, beziehen aber eine klare „Nein-zu-Mobbing“-Position! Als Chef/Chefin machen sie sich mitverantwortlich, wenn sie meinen, ein „erwachsenes Team“ müsse dies allein lösen. Auch der Gesundheitsbereich ist nicht vor Mobbing gefeit.

Hilfe für alle

Bedenken Sie, dass auch Täter in anderen Situationen Opfer sein können oder es vielleicht waren und selbst auch Hilfe benötigen. Solche bietet etwa der Verein Neustart mit der Gewaltpräventionsberatung (GBP).

Die Kündigung einer Person (Opfer? Täter?) ist ein heikler Schritt, der nur mit fachkompetenter Beratung erwogen und im Einzelfall begleitet werden sollte. Ungenügend bearbeitete Mobbing-Prozesse haben langfristig negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit und Leistungsfähigkeit.

Mobbing-Prävention

Früh in der Ordinationsgründungsphase etablierte Supervisionen sowie das Erarbeiten einer konstruktiven Feedback- und Konfliktkultur liefern gute Voraussetzungen dafür, dass es erst gar nicht zu Mobbing kommt.

Eine Team- und Organisationsstruktur, die fair und transparent ist, sowie ein Verständnis für die Teamdynamik zählen ebenfalls dazu. So kann allein das Wissen darüber, dass personelle Wechsel – etwa durch neu hinzukommende Studenten und Studentinnen in der praktischen Ausbildung – eine „Storming-Phase“ im Team auslösen können*, die nötige Gelassenheit geben.

Auch wenn es vielleicht überflüssig erscheint: Das wiederholte proaktive Ansprechen der Regeln der Zusammenarbeit kann gleichsam wie eine Impfung gegen Ausgrenzung wirken.

Null Toleranz gegen abwertende Äußerungen

In jeden Fall gilt: Zeigen Sie eine klare Haltung von „null Toleranz“ gegenüber jeglichen abwertenden Äußerungen, unterlassen sie womöglich diskriminierende Witze und benennen Sie jegliche Form der verbalen Gewalt als solche!

*) Gemäß dem Modell von Tuckman finden bei der Teambildung „Forming“, „Storming“, „Norming“ und „Performing“-Phasen in einem kreisförmigen Prozess immer wieder aufs Neue statt, wenn sich die Teamzusammensetzung verändert.

Unsere Gastautorin Mag. Brigitte Benczak ist Arbeits-, Klinische und Notfallpsychologin sowie Supervisorin in Wiener Neustadt. Regelmäßig arbeitet sie mit Teams im Gesundheits- und Sozialbereich.