Teambildung in der Praxis für die Praxis
Gemeinsam Ziele zu definieren und regelmäßig über die Zusammenarbeit zu reflektieren ist alles andere als psychologischer Luxus. Teambuilding-Maßnahmen müssen dabei nicht aufwendig sein, einige Übungen lassen sich gut in den Ordinationsalltag integrieren.
Wie viele Personen bilden ein Praxisteam? Nach Erfahrungen der Österreichischen Ärztekammer bestehen Ordinationsteams meist aus dem Arzt/der Ärztin plus zwei bis drei Assistenzkräften und ein bis zwei weiteren Personen wie Reinigungskräften. Aus Sicht des Teambuildings ein enormer Vorteil, da die Größe somit überschaubar bleibt. Doch schon das kleinstmögliche Praxisteam – Ärztin oder Arzt und Ordinationsassistenz – braucht klare Regeln der Zusammenarbeit genauso wie große Praxisgemeinschaften mit mehr als zehn Mitarbeiter:innen und oft auch Student:innen in der Lehrpraxis.
Alle Personen, die in der Praxis zusammenarbeiten, stehen in wechselseitigen Abhängigkeiten und bilden daher zunächst strukturell ein Team. In der Phase der Praxisgründung genauso wie bei jeder personellen Veränderung sollten sich Teamleader die Frage stellen: Haben wir eine gemeinsame Auffassung davon, was unser Team ausmacht? Gibt es also gemeinsame Wertvorstellungen als Basis der Teamarbeit?
Diese gemeinsamen Werte lassen sich einfach und auch ohne externe Berater:innen mit der Übung „Vier-Worte-Team“ finden: Jeder schreibt dazu zunächst vier Begriffe auf zur Frage „Was macht ein erfolgreiches Team aus?“. Im nächsten Schritt werden zu zweit aus acht Begriffen vier gemeinsame gesucht bzw. definiert, danach wieder aus acht vier gemacht – so lange, bis für das gesamte Team vier Begriffe stehen bleiben. Darunter finden sich oft VERTRAUEN, KOMMUNIKATION oder ZUSAMMENHALT und damit eher allgemein gehaltene Wertbegriffe.
Gemeinsame Werte-Basis
Daraufhin heißt es, die Begriffe genauer zu definieren und somit vom gemeinsamen Werte-Rahmen ins gemeinsame Tun zu kommen. Welche konkreten Handlungsweisen im Alltag lassen etwa VERTRAUEN erkennen? Wie läuft die KOMMUNIKATION in der Praxis ab oder woran wird der ZUSAMMENHALT fühlbar? Interessant ist es besonders dann, wenn neue Team-Mitglieder dazukommen und ihre Erfahrungen von früheren Arbeitsplätzen mitbringen.
Gerade bei der Integration neuer Arbeitskräfte in ein bestehendes Team sollten Sie niemals davon ausgehen, diese müssten die bestehenden Teamwerte sofort übernehmen. Besser ist es, die Perspektive zu wechseln und zu fragen: Worauf kann uns das neue Teammitglied hinweisen? Welche Fähigkeiten oder Werte können uns von Nutzen sein?
Zugleich heißt es, Teamziele als Richtungsweiser für die tägliche Arbeit zu definieren: Wollen Sie etwa Ihre Patient:innenklientel erweitern, künftig neue Untersuchungsmethoden anbieten oder steht eine Zertifizierung bevor?
Erfahrungen festhalten
Eine Möglichkeit, die Wert- und Zielorientierung in der täglichen Arbeit zu erkennen, kann eine gemeinsames Praxisbuch sein: Frei zugänglich können alle dort eintragen, wenn sie etwa gerade Wertschätzung gespürt oder einen Beitrag zur Zielerreichung geleistet haben. Einmal monatlich werden diese Erlebnisse und Geschichten gemeinsam angeschaut und im Sinne eines „Erfolgs-Tagebuches“ zur Stärkung des Teams genutzt.
Negativ-Erlebnisse sollten erst dann aufgezeichnet werden, wenn der Teamzusammenhalt bereits spürbar ist – sonst besteht das Risiko, sich in gegenseitigen Schuldzuweisungen zu verlieren. Dann kann es sich lohnen, einmal in eine externe Moderation oder Mediation zu investieren. Denken Sie auch daran, dass Menschen in Stresssituationen leicht in alte, festgefahrene Verhaltensmuster zurückfallen. Es liegt dann an der Führungskraft, rechtzeitig STOP zu sagen und vor weiteren Team-Maßnahmen lieber zunächst an einem guten Umgang mit den Belastungen zu arbeiten.
Praxisausflug oder Hochseilgarten?
Gemeinsame Team-Aktivitäten außerhalb des Praxisalltags sind im Sinne der Teambildung eine mögliche Strategie, um einander in einem anderen Rahmen kennenzulernen – etwa bei einem gemeinsamen Ausflug oder einem geleiteten Teambuilding mit Outdoor-Aktivitäten ist. Es sollte aber zuvor ehrlich darüber kommuniziert werden: Zögerer und Nein-Sager sind keinesfalls auszuschließen, sondern ernst zu nehmen. Sie weisen auf offene „Baustellen“ in der Teambildung hin oder haben einfach nur Bedenken, ob die Aktivität dem Team auch tatsächlich nutzt.
Booster Teamzusammenhalt
Ob ärztliche Praxis, Wirtschaft oder Sport: Ohne klare Spielregeln der Zusammenarbeit, gegenseitigem Vertrauen und Teamzusammenhalt sind Menschen kaum in der Lage, gemeinsam Top-Leistungen zu erbringen. Spätestens dann, wenn Schwierigkeiten bei internen Kommunikationsprozessen ins Wartezimmer durchdringen, leidet neben der Arbeitsqualität auch das Vertrauen der Patientinnen und Patienten in ihre Praxis. Jeglicher Aufwand, der in Teambildung investiert wird, rentiert sich somit mehrfach: Ein wertschätzendes Teamklima fördert die Leistungsbereitschaft und Stressresistenz aller. Schließlich werden dort, wo sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wohlfühlen, Patientinnen und Patienten gerne Ihren ärztlichen Rat suchen.
Unser Gastautor Mag. Thomas Kayer ist Sportpsychologe und dynamisch-analytischer Teamentwickler. Als Geschäftsführer, Partner und Gründer von Groundwork begleitet er Teamprozesse in Wirtschaft und Sport. Ebenso führt er mit seinem Team Coachings, Seminare und Beratungen oder Business Learning Games durch. www.groundwork.team