3. Mai 2023Leitfaden zum Weg in die ärztliche Selbstständigkeit - Teil 5

Erfahrungen aus dem Neubau einer Gruppenpraxis

Gibt es zu viel Platz in einer Ordination? Und welche Bereiche sollten eingeplant werden? Wo liegen außerdem Fallstricke? Diese und viele weitere Fragen werden im folgenden Beitrag behandelt und sollen Ihnen bei der Ordinationsplanung eine Unterstützung bieten.

Vektor eines medizinischen Personals, einer Gruppe selbstbewusster Ärzte und Krankenschwestern
Feodora Chiosea/GettyImages

Im letzten Beitrag habe ich schon berichtet, wie die Gründung meiner Wahlarztordination und der nächste Schritt in die Gruppenpraxis abliefen. In diesem Artikel werde ich Ihnen vom Bau unserer jetzigen Ordination, in die wir unsere gesammelten Erfahrungen einfließen ließen, und unseren Learnings erzählen.

Gleich vorweg: Derzeit sind 45 Angestellte in unserer Gruppenpraxis tätig. Die Praxis besteht aus vier Gesellschaftern, die ärztliche Tätigkeit wird durch zwei angestellte Ärzte ergänzt. Die Ordination ist Montag bis Freitag von 8:00 bis 18:00 Uhr ganzjährig geöffnet (kein Urlaub).

Die Narkoseleistung wird von freiberuflichen Fachärzten für Anästhesie und Intensivmedizin erbracht, die über eine langjährige Erfahrung in der Durchführung von ambulanten Operationen verfügen.

Wie finde ich den perfekten Standort für die Ordination?

Aufgrund der Erfahrungen in der letzten Ordination, in der wir schnell zu wenig Platz hatten, begannen wir zunächst mit einer Objektsuche, mit dem Ziel, dieses umzubauen und so eine Umsiedelung rasch möglich zu machen. Nachdem kein passendes Objekt auffindbar war, fiel die Entscheidung für den Standort ganz in der Nähe unserer „alten“ Ordination.

Diese befand sich im Süden von Wiener Neustadt. Die neue Ordination ist sowohl von der Südautobahn- wie auch von der Ostautobahnabfahrt etwa drei Minuten entfernt und liegt zwischen der Bundesstraße 17 und Bundesstraße 54. Sie ist daher mit dem Auto gut zu erreichen. Wir haben mehrere Parkplätze direkt auf unserem Gelände, aber auch auf der Straße vor und neben der Ordination gibt es ausreichend Parkmöglichkeiten.

Nach dem Neubau der Ordination wurden auf unsere Anregung hin auch die vorhandenen Bushaltestellen direkt vor unsere Ordination verlegt. Somit kann die Gruppenpraxis auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln perfekt erreicht werden.

Nach einem Jahr intensiver Planung und einem weiteren Jahr Bauzeit erfolgte im Frühjahr 2018 der Umzug in das neue Gebäude. Durch die personelle und räumliche neue Größe der Gruppenpraxis ergab sich eine neue Struktur in einzelne Teilbereiche. Um Ihnen eine möglichst gute Übersicht zu geben, was alles bedacht werden muss, und damit die Möglichkeit, vielleicht etwas in Ihre Planung zu übernehmen, werde ich diese im Folgenden genau beschreiben.

Anmeldungsbereich mit extra Plätzen

Der Anmeldungsbereich verfügt über vier Arbeitsplätze. Für jeweils zwei Arbeitsplätze stehen eine Druckereinheit und ein e-card-Terminal sowie ein Scanner zur Verfügung. Hier werden Termine für alle Bereiche der Ordination vergeben, zusätzlich erfolgt die Patient:innenadministration (Stecken der e-card, Erfassung der Stammdaten, Aushändigen und Erklärung der gedruckten Dokumente wie Überweisungen, Befundberichte, Verordnungen und Rezepte). Zwei zusätzliche Arbeitsplätze hinter dem Frontoffice bieten Platz für ausschließliche Telefontätigkeit für die Terminvergabe, aber auch für anästhesiologische Aufklärungsgespräche. Etwas mehr Raum für all diese Tätigkeiten, die in diesem Bereich verrichtet werden, wäre dennoch nicht falsch gewesen.

Büro: besser mehr Platz einplanen

Dieser Bereich verfügt über vier Arbeitsplätze. Der Bedarf an Backoffice-Tätigkeiten wurde von uns deutlich unterschätzt. Der Raum war ursprünglich für zwei Arbeitsplätze geplant und ist daher für vier Arbeitsplätze eher klein dimensioniert. Hier erfolgt die Planung von Operationen für die Ordination, aber auch für Belegkrankenhäuser in Wien. Ein Mitarbeiter ist für den Bereich Personalplanung und Gebäudeverwaltung zuständig, eine Mitarbeiterin für den Bereich Lagerverwaltung und Einkauf. Zusätzlich erfolgt die gesamte nichtmedizinische Korrespondenz über das Büro.

Abgetrennter Bereich für Physio- und physikalische Therapie

In unserem neuen Gebäude haben wir eigene Räume für den Bereich Therapie errichtet. Dieser verfügt über drei Behandlungsräume, einen größeren für Physiotherapie und zwei kleinere für physikalische Therapie (Elektrotherapie, medizinische Massagen, Ultraschallbehandlung) und ermöglicht die Behandlung von Patient:innen abseits der eigentlichen Behandlungsräume.

Große Ordinationsräume

Die Ordinationen sind der Kernbereich unserer Gruppenpraxis. Aufgrund der negativen Erfahrungen mit den zu kleinen oder zu großen Ordinationsräumen in der „alten“ Ordination haben wir der Planung (Größengestaltung) und Einrichtung der neuen Räume sehr viel Zeit gewidmet.

Die neuen Räumlichkeiten verfügen über fünf Ordinationsräume, die über Verbindungstüren erreichbar sind. Jeder Raum ist etwa 20m2 groß. Der Schreibtisch bietet Platz für einen Patienten/eine Patientin und zwei Begleitpersonen, den untersuchenden Arzt (derzeit sind wir wirklich ein rein männliches Ärzteteam) und eine Schreibkraft, die nach Diktat die gesamte Dokumentation durchführt.

Weiters findet sich zentral im Raum eine höhenverstellbare Untersuchungsliege. Abfallbehälter (mit Mülltrennung), ein Waschbecken und Lagerschränke für den täglichen Ordinationsbedarf komplettieren die Einrichtung. Die Ordinationen verfügen über keinen Drucker, da alle Druckaufträge über die Anmeldung laufen.

Ein Ordinationsraum ist zusätzlich mit einem Sonographiegerät und zwei Stoßwellengeräten ausgestattet.

Derzeit arbeiten in der Ordination immer zwei Fachärzte gleichzeitig. Der Operationssaal ist mit einem zusätzlichen Facharzt besetzt.

Bereich Operationseinheit/Instrumentenaufbereitung

Diese Einheit besteht aus einem Operationssaal mit Laminar Air Flow sowie der Aufbereitungseinheit. Die Instrumentenaufbereitung ist ein standardisierter Prozess, der validiert ist und jährlich revalidiert wird. Die gesamte Dokumentation erfolgt digital mit QR-Codes, sodass jede sterilisierte Charge von der Reinigung und Desinfektion bis hin zur Sterilisation nachvollzogen werden kann.

In Operationsbereich sind ausschließlich Fachkräfte mit entsprechender Sonderausbildung tätig.

Wir erbringen ausschließlich ambulante Leistungen mit Schwerpunkt auf Hand- und Fußchirurgie sowie arthroskopische Schulter- und Kniechirurgie. Die Erfahrung hat gezeigt, dass auch komplexe Eingriffe an der Rotatorenmanschette oder vordere Kreuzbandplastik gut im ambulanten Setting möglich sind, wenn die Patient:innen entsprechend vorselektiert werden. Hochrisikopatient:innen werden in unserer Ordination prinzipiell von Eingriffen in Narkose ausgeschlossen und müssen in Einrichtungen mit passenden Strukturen operiert werden.

Tagesklinik mit Betreuung durch DGKP

In unserer Ordination haben wir auch einen Bereich Tagesklinik mit vier Betten, zwei Sitzliegen und zwei Infusionssesseln eingerichtet. Hier erfolgt die Vorbereitung der Patient:innen unmittelbar vor einer Operation. Dazu gehören Umziehen, die Verabreichung der Prämedikation und auch die Lokalanästhesie. Postoperativ werden sie ebenfalls in diesem Teil der Ordination betreut. Auch die Verabreichung von diversen Infusionen wird hier durchgeführt. Der Bereich ist ständig von zwei diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegerinnen besetzt.

Bereich Reinigung

Zunächst waren die Reinigungskräfte in unserer Ordination angestellt. Wir sahen die Vorteile vor allem darin, dass ein fixes Team, das sich in unseren Räumlichkeiten gut auskennt, die beste Leistung erbringen kann. Aufgrund zunehmender Probleme bei der Urlaubsplanung, Krankenstandsvertretung und Diensteinteilung haben wir uns nach vier Jahren allerdings dazu entschlossen, den Bereich Reinigung doch aus der Ordination auszulagern.

Die Reinigung wird nun von einer externen Firma durchgeführt. Um die hohen Hygieneansprüche erfüllen zu können, wurden die nun handelnden Personen auf unseren Betrieb eingeschult und bleiben immer die gleichen. Die Reinigungskräfte übernehmen auch die Wäscheversorgung (Arbeitskleidung Mitarbeiter:innen, Operationswäsche, Bettwäsche Therapie und Tagesklinik). Tagsüber ist ständig eine Mitarbeiterin anwesend, die Grundreinigung erfolgt abends durch drei Reinigungskräfte.

Fazit: Man kann nicht zu groß bauen

Lassen Sie mich zu guter Letzt ein Fazit darüber ziehen, wie ich aus heutiger Sicht unser Ordinationsgebäude, den Standort und die Gegebenheiten bewerte. Zunächst die Punkte, die gut gelaufen sind:

  • Die gute Verkehrsanbindung hat sich als wichtig herausgestellt.
  • Parkplätze am eigenen Grundstück werden genutzt.
  • Die Bushaltestelle direkt vor der Ordination wird positiv angenommen.
  • Die fehlende zentrale Lage ist aufgrund der Größe des Betriebes völlig ohne Bedeutung.
  • Die Größe und Einrichtung des einzelnen Ordinationsraumes hat sich als sehr zweckmäßig herausgestellt.
  • Die Anordnung der Räume bilden den Workflow des Ordinationsbetriebes gut ab.

Es gibt aber auch einige Punkte, die wir im Nachhinein verändern würden. Vielleicht können Sie aus unseren Fehlern lernen, die da wären:

  • Ein weiterer, sechster Ordinationsraum wäre zweckmäßig gewesen.
  • Der Bedarf an Backoffice-Arbeitsplätzen wurde von uns unterschätzt.
  • Der Bedarf an Arbeitsplätzen in der Anmeldung wurde von uns unterschätzt.
  • Der Bedarf an Platz für Mülllagerung wurde von uns unterschätzt.
  • Der Personalbedarf und Bedarf an Umkleidemöglichkeiten für Mitarbeiter:innen wurde in der Planungsphase unterschätzt

Aus aktuellem Anlass noch eine Ergänzung: Wenn Sie eine neue Ordination bauen oder planen achten Sie darauf, dass alle Räume, in denen Menschen arbeiten mit Fenstern ausgestattet sind, die man öffnen kann. In unserer Gruppenpraxis war der Raum für das Back-Office ohne Fenster ausgestattet. Trotz Zusage der Architekten, dass ein entsprechendes Lüftungssystem ausreichend sei, hat sich dies als nicht praktikabel herausgestellt. Nun hat dieser Raum ein Fenster erhalten, das sich öffnen lässt.

Was erwartet Sie im nächsten Teil der Serie?

In der nächsten Folge werde ich mich mit Grundsätzen der Organisation einer Ordination im Detail auseinandersetzen.