24. Jän. 2024Weiterentwicklungsbedarf

AIHTA: Neuer Leitfaden für österreichische Patientenregister

In Österreich gibt es 74 „potenziell versorgungsrelevante“ Patientenregister. Das erhob das Austrian Institute for Health Technology Assessment (AIHTA). Jedoch mangle es teilweise an Transparenz. Daher hat das AIHTA einen Leitfaden für die Planung und den Betrieb von medizinischen Registern erstellt.

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Das Austrian Institute for Health Technology Assessment (AIHTA) hat die österreichische „Registerlandschaft“ untersucht. Damit gebe es erstmals einen Überblick, welche Register in Österreich überhaupt existieren und welche Gesundheitsdaten darin erhoben werden. Auf Basis der Ergebnisse entwickelte das Projektteam, Christoph Strohmaier, MSc, und Julia Kern, BSc, einen Leitfaden (siehe Kasten).

Das Thema der Verwendung von Gesundheitsdaten sei mit der für heuer geplanten Gesundheitsreform wieder in den Fokus gerückt, wird betont: Sogenannte Patientenregister erfassen beispielsweise Diagnosen, Behandlungsschritte und Krankheitsverläufe oder dokumentieren die Wirkung von Medikamenten. Für manche Krankheitsgruppen, Indikationen oder Interventionen wird die Datenerfassung gesetzlich vorgeschrieben.

Diese Datensammlungen sollen die Qualität der Gesundheitsversorgung verbessern, die Patientensicherheit und generelle Planungen des Gesundheitssystems unterstützen. Zudem könnten Registerdaten der Wissenschaft als wertvolle Quelle für Forschungsvorhaben dienen – wenn Patientenrechte und Daten ausreichend geschützt werden. Bisher war die Zahl und Art von vorhandenen medizinischen Registern in Österreich unbekannt, da derzeit keine gesammelte Übersicht im Sinne eines „Registers von Registern“ existiert.

Publikation mit Register-Liste und Leitfaden

Alle 157 identifizierten Patientenregister mit österreichischer Beteiligung wurden in einer Excel-Liste zusammengefasst und die Ergebnisse können frei zugänglich auf der Seite des AIHTA heruntergeladen werden. Link zur Excel-Liste: https://aihta.at/uploads/tableTool/UllCmsPage/gallery/register-uebersicht.xlsx

Originalpublikation: Strohmaier C. und Kern J. Register in Österreich und deren Verwendung zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung, AIHTA Projektbericht Nr.: 157; 2023. Wien: HTA Austria – Austrian Institute for Health Technology Assessment GmbH. https://eprints.aihta.at/1489/

157 Register mit österreichischer Beteiligung

Das Ergebnis: Das AIHTA hat 74 österreichische Register und weitere 83 internationale bzw. europäische Register mit österreichischer Beteiligung identifiziert. Für die 74 „potenziell versorgungsrelevanten“ Register in Österreich – großteils erkrankungsspezifische, epidemiologische und Qualitätsregister – erhob das Projektteam sowohl allgemeine Charakteristika als auch organisatorische Aspekte sowie das Datenmanagement inklusive Datenschutz und Qualitätssicherung.

Die Erhebung sei nicht immer einfach gewesen, wie Studienleiter Strohmaier einräumt: „Unser grundsätzliches Problem ist, dass die Transparenz teilweise einfach nicht da ist: Irgendwo findet man ein paar Informationen, dass es ein Register gibt, aber es ist nicht klar, welche Daten erhoben werden und wo diese zu finden sind.“ Die Basisinformationen waren Strohmaier zufolge zudem sehr heterogen und nicht immer auf dem aktuellen Stand.

Ziel: „Register von Registern“

Solange es keine österreichische oder EU-weite Zentralstelle für Gesundheitsregister gibt, empfiehlt der Forscher den Registerbetreibenden, sich zur Verbesserung der Transparenz auf einer der bereits bestehenden Plattformen zu registrieren. „Ziel sollte aber ganz klar ein ‚Register von Registern‘ für Österreich sein. Und bei diesem zentralen Register muss auch ein späteres Zusammenführen mit einer EU-weiten Datenbank mitgedacht werden“, so Strohmaier.

12 der österreichischen Register, darunter vor allem jene mit gesetzlicher Grundlage, untersuchten Strohmaier und seine Kollegin Kern anhand eines Kriterienkatalogs detaillierter: Demnach wurden die evaluierten Qualitätskriterien im Allgemeinen erfüllt. Jedoch ergab sich ein Weiterentwicklungsbedarf für Begriffsdefinitionen und Interoperabilität – die Fähigkeit des Zusammenspiels unterschiedlicher Systeme.

„Bei der Implementierung von einem Register oder eigentlich einer Register-Strategie sind mehrere Dinge relevant, und die müssen immer alle mitgedacht werden und – das nicht nur während der Planung und des Designs, sondern auch während des laufenden Registerbetriebs“, erklärt der Studienautor. Zudem betont er, dass der vom AIHTA erarbeitete Leitfaden nicht nur die Registerbetreibenden adressiert.

Die drei wichtigsten Aspekte

Vielmehr biete dieser „Best-Practice-Rahmen“ auch die Grundlage zur Weiterentwicklung der medizinischen Registerlandschaft für Gesundheitsplaner, Entscheidungsträger und die Gesundheitspolitik, um das Potenzial österreichischer Registerdaten nutzen zu können. Der AIHTA-Bericht benennt hier die 3 wichtigsten Aspekte hinsichtlich der nachhaltigen Nutzung gesundheitswissenschaftlicher Register zur Verbesserung der Versorgung:

  1. Finanzierung: Eine ausreichende – öffentliche – Finanzierung über die ganze Registerlaufzeit hinweg wird laut Strohmaier oftmals unterschätzt. Jedoch kann man qualitativ hochwertige Daten nur dann produzieren, wenn auch im laufenden Registerbetrieb ausreichend Ressourcen vorhanden sind. Auch die bereits erwähnte mangelnde Transparenz einiger Register könnte auf fehlendes Budget zurückzuführen sein. Denn „nur mit gesicherter Finanzierung kann man den Betrieb eines Registers professionalisieren und zum Beispiel Websites einrichten, auf denen dann die aktuellen Informationen zu finden sind“.
  2. Datenzugang: Die Möglichkeit des – an Konditionen gebundenen – Datenzugangs durch die (wissenschaftliche) Öffentlichkeit und gesundheitsplanerische Einrichtungen sieht nicht nur das AIHTA als wesentlichen Punkt. Auch in der eHealth-Strategie des Gesundheitsministeriums steht die Forderung nach einer Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten in Forschung und Wissenschaft. Ein Zugang zu Registerdaten wird jedoch häufig wegen Datenschutz- und Datensicherheitsbedenken verwehrt. Hier verweist Strohmaier auf die skandinavischen Länder, in denen der Datenzugang „gut funktioniert und es vielleicht aufgrund der langen Historie beispielsweise bei Qualitätsregistern akzeptierter ist, Daten zu sammeln“.
  3. Wahrung der Patientenrechte und Datenschutz: Auch wenn die Forderung nach einem öffentlichen Datenzugang „unter Umständen“ der Wahrung der Patientenrechte und dem Datenschutz entgegensteht, kann ein Datenzugang zur Verbesserung der Versorgung oder für wissenschaftliche Zwecke im Sinne der individuellen Patientenrechte erfolgen: Diese umfassen nämlich nicht nur das Recht auf Autonomie, Selbstbestimmung und informiertes Einverständnis, sondern auch das Recht auf Wissen der vergleichenden Evidenz verschiedener Behandlungsmöglichkeiten. Um grundlegende datenschutzrechtliche Überlegung im Auge zu behalten, empfiehlt das Projektteam einen Plan, der die Datenverwahrung, Datenzugriffsrechte und klare Rollen bezüglich der Datenverarbeitung regelt.

Abschließend formuliert das Studienteam, dass „eine gesamtösterreichische Registerstrategie oder ein österreichweites Registermodell nur funktionieren kann, wenn alle infrage kommenden Register eine Mindestqualität aufweisen. Die Erhebung zuverlässiger Daten bildet die Basis, um eine Verbesserung der Versorgung in den jeweiligen Gesundheitsbereichen zu erreichen.“

„Weiterentwicklungsbedarf bei den österreichischen Patient:innenregistern“, Presseaussendung des AIHTA, 23.01.2024