Vormittags operiert, abends zu Hause

Im neuen Chirurgiekomplex des Klinikums Graz wurde dieser Tage die größte chirurgische Tagesklinik Österreichs eröffnet. (Medical Tribune 4/18)

Prof. Spendel (l.) und DGKP Harald Sägner betreuen eine Patientin.
Prof. Spendel (l.) und DGKP Harald Sägner betreuen eine Patientin.

Tageskliniken boomen. Nur wenige Stunden nach erfolgter Operation wieder nach Hause gehen zu können, ist eine Win-win-Situation für alle Beteiligten: Die Patienten ersparen sich unnötige Krankenhausaufenthalte, können schneller wieder in die gewohnte Umgebung zurückkehren und in den Arbeitsprozess eingegliedert werden. Der in den Bundesqualitätsleitlinien geforderte Ausbau der Tageskliniken hat aber natürlich auch einen wichtigen ökonomischen Aspekt: Über den Daumen gepeilt kostet eine tagesklinische Behandlung nur etwa halb so viel wie der gleiche Eingriff im sta­tionären Setting. Zum Teil gilt es aber noch, Patienten von den Vorteilen der ambulanten Behandlung zu überzeugen. Dabei spielen auch kulturelle Faktoren eine wichtige Rolle: In Europa findet man ein klares Nord-Süd-Gefälle von tagesklinischen Einrichtungen. Die Akzeptanz hat auch mit dem Alter der Patienten zu tun: Jüngere Menschen möchten den medizinischen Eingriff meist möglichst rasch hinter sich bringen, ältere fühlen sich sicherer, wenn sie wissen, dass sie nach dem Eingriff noch im Krankenhaus bleiben können.

Laut Statistik Austria hat sich die Zahl der tagesklinischen Behandlungen in Österreich im letzten Jahrzehnt verdreifacht. Dieser Trend hält an. Die im Jänner neu eröffnete interdisziplinäre Tagesklinik der chirurgischen Kliniken ist nicht nur bereits die fünfte Einrichtung dieser Art am Klinikum Graz, sondern auch die größte chirurgische Tagesklinik Österreichs. Spezialisten aus zehn Fachdisziplinen können hier pro Tag bis zu 40 ambulante Behandlungen durchführen, etwa die Hälfte davon in Narkose. Die Tagesklinik ist von 7:00 bis 18:00 Uhr geöffnet, operiert wird bis 13:00 Uhr. „Damit garantieren wir, dass jeder Patient genügend Zeit hat, um sich zu erholen, bevor er nach Hause geht“, so Univ.-Prof. Dr. Stephan Spendel, Plastischer Chirurg und organisatorischer Leiter der innovativen Einrichtung. Für die Ruhephase nach den Eingriffen gibt es 23 Betten. Das Ambiente erinnert an ein Sanatorium, dem aber die Ressourcen und das Know-how eines Universitätsklinikums zur Verfügung stehen.

Hotline für alle Fälle

Zusätzliche Sicherheit gibt eine Hotline, an die sich die Patienten rund um die Uhr wenden können, wenn Probleme auftreten. Neben Eingriffen in örtlicher Betäubung oder Narkose werden auch Endoskopien und Nierensteinzertrümmerungen mittels Stoßwellentherapie durchgeführt. Jeder Fachdisziplin stehen eigene Zeitfenster zur Verfügung, in denen ein Eingriffsraum für sie reserviert ist. Die Terminvergabe erfolgt über die einzelnen Fachbereiche. Ein großes Plus der Tagesklinik ist auch die Termingarantie: Da keine Noteingriffe durchgeführt werden und die Patienten alle erforderlichen Untersuchungen bereits im Vorfeld erledigen, sollen auch keine unnötigen Wartezeiten entstehen. Das Spektrum der chirurgischen Eingriffe an der interdisziplinären Tagesklinik reicht von Hallux-Korrekturen, Operationen des Karpaltunnels und tumorchirurgischen Behandlungen bis hin zu Oberlidstraffungen. Eine klassische Indikation ist auch der M.Dupuytren: Mittlerweile werden mehr als 70 Prozent der Kontrakturen tagesklinisch operiert. Hier zeigen sich aber auch die Grenzen der ambulanten Behandlung: Eine hundertprozentige tagesklinische Versorgung bestimmter Eingriffe wird es nie geben: Voraussetzung ist immer ein gewisses Maß an Gesundheit. Multimorbide Patienten werden auch weiterhin in der klassischen Form behandelt werden müssen.

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune