Vier Schritte für wichtige Reformen

SOZIALVERSICHERUNGEN – Hauptverbands-Chef Dr. Alexander Biach hat für die nächste Regierung bereits eine To-Do-Liste. Eine Zusammenlegung von Trägergesellschaften steht nicht darauf – zuvor gebe es vier andere Prioritäten. (Medical Tribune 44/17) 

Alexander Biach stellt konkrete Forderungen an die nächste Regierung.
Alexander Biach stellt konkrete Forderungen an die nächste Regierung.

Auch wenn immer wieder gern gejammert wird, so sind die Österreicher mit dem heimischen Gesundheitssystem doch durchaus zufrieden. Das geht aus einer Umfrage hervor, die das Marktforschungsunternehmen GfK im Auftrag des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger durchgeführt hat. Gut weg kommen dabei auch die Krankenkassen: Fast ein Viertel der Population ist mit ihrer Krankenkasse sehr zufrieden, weitere 53 Prozent sind eher zufrieden. Im Vergleich der zurückliegenden fünf Jahre gibt hier es kaum signifikante Änderungen. Befragt wurden insgesamt 4000 Personen ab dem 15. Lebensjahr.

Vier Stufen

„Die hohe Zufriedenheit sollte aber nicht dahingehend interpretiert werden, dass sich die Bevölkerung keine Änderung oder Weiterentwicklung des Krankenkassensystems wünscht“, sagt Prof. Dr. Rudolf Bretschneider, wissenschaftlicher Leiter Gfk Austria. Die in der politischen Diskussion immer wieder geforderte Zusammenlegung von Kassen sei allerdings kein hohes Anliegen. Eine Zusammenlegung bringe nicht automatisch Einsparungen, meint Hauptverbands-Chef Dr. Alexander Biach. Zuvor brauche es auch unter der nächsten Regierung andere Reformschritte. Biach spricht von einem vierstufigen Plan, der bis 2021 umgesetzt werden sollte. Erster Punkt sei die restliche Leistungsharmonisierung (18 von 23 Leistungsgruppen konnten unter den GKKs bereits angeglichen werden), zweiter Schritt sei die Anpassung und Vereinfachung der Beiträge.

„Da müssen wir liefern!“

Drittens müssten die Träger Aufgaben bündeln und in der Verwaltung Kosten einsparen. Biach: „Da müssen wir liefern!“ Es sei nicht mehr zeitgemäß, dass jeder Sozialversicherungsträger beispielsweise eine eigene IT- oder Rechtsabteilung habe. Biach sieht hier ein Einsparungspotenzial von 120 Millionen Euro – und zwar über alle Träger einschließlich AUVA und Pensionsversicherung. Der vierte Punkt schließlich sei eine Abstimmung mit den Bundesländern, etwa was die Kofinanzierung der Krankenhäuser betrifft. „Erst nach diesen vier Stufen kann man gegebenenfalls überhaupt eine neue Struktur bauen“, sagt der Hauptverbands-Chef. Biach deponierte bei der Präsentation der Umfrageergebnisse auch gleich mehrere Forderungen an die nächste Regierung. Für die noch ausständige Leistungsharmonisierung in fünf Bereichen seien gesetzliche Änderungen nötig, weiters müssten Allgemeinmediziner dazu verpflichtet werden, Begleitprogramme für chronisch Kranke (wie beispielsweise „Diabetes – Therapie Aktiv“) anzubieten.

Bei den Primärversorgungszentren müsse noch die Möglichkeit, Ärzte in Gruppenpraxen anzustellen, gesetzlich verankert werden. Dies ist eine Forderung der Ärztekammer und Biach sagt dazu: „Damit habe ich kein Problem, es darf nur keine Umgehung von Arbeitszeitregelungen sein.“ Biach schwebt auch vor, dass der Gesetzgeber für Landärzte steuerliche Anreize schafft, um Versorgungslücken zu schließen. Ausgebaut gehöre außerdem die Prävention. Hier plädiert der Hauptverbands-Chef dafür, entsprechende Anreize zu schaffen – etwa über reduzierte Selbstbehalte bei gesundem Lebensstil und Inanspruchnahme von Vorsorgeuntersuchungen. Optimistisch zeigt er sich dahingehend, dass die ELGA-Verordnung demnächst in Kraft tritt, damit würden der elektronische Befund sowie die E-Medikation möglich. Handlungsbedarf sieht er auch bei der Ausweitung der Tätigkeitsfelder der diplomierten Gesundheitsberufe und medizinischen Assistenzberufe.

„Wir fokussieren zu sehr auf den Arzt – das ist nicht unbedingt immer der Best Point of Service, aber es ist der Most Expensive Point of Service.“ Ärzte sollten sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können, andere Gesundheitsberufe könnten Aufgaben übernehmen. Natürlich müsse dafür die Ausbildung angepasst werden. Biach denkt dabei auch an die Apotheker. Deren Rolle als Informationsquelle ist laut GfK-Umfrage in den letzten Jahren bereits stark gestiegen. 28 Prozent informieren sich laut heuriger Befragung in Apotheken, 2014 waren es 19 Prozent. Nummer eins ist aber das Internet: jeder Zweite informiert sich dort über Krankheiten.

Mehr Sachleistungen

Und was würden die Österreicher am Gesundheitssystem gerne ändern? 29 Prozent wünschen sich erhöhte Zuschüsse oder gar komplette Übernahme von Kosten, der Großteil davon bei Brillen, Impfungen oder Medikamenten. 19 Prozent wollen kürzere Wartezeiten.

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune