Rezeptierungen für den 15. Oktober
NATIONALRATSWAHL 2017 – MT bat die zehn bundesweit antretenden Parteien um „aussagekräftige und lösungsorientierte“ Antworten auf drei gesundheitspolitische Fragen – manche waren durchaus überraschend. (Medical Tribune 39/17)
16 Parteien rittern am 15. Oktober 2017 um die Gunst von mehr als 6,4 Millionen Wahlberechtigten. Zehn davon treten in allen Bundesländern an. MT bietet eine Entscheidungshilfe anhand dreier Fragen:
- Was liegt Ihnen gesundheitspolitisch am Herzen, das Sie bis 2022 umsetzen wollen?
- Soll es eine Zugangsregelung für Spitalsambulanzen geben?
- Warum sollen Ärzte gerade Ihnen ihre Stimme geben?
SPÖ, BM Dr. P. Rendi-Wagner
Gesundheits- und Frauenministerin
1–3: Unser Gesundheitssystem ist eines der besten der Welt, darum müssen wir es absichern und Schritt für Schritt auf die Herausforderungen der Zukunft vorbereiten. Wir müssen weiterhin gewährleisten, dass alle, unabhängig von Einkommen und vom sozialen Status, gleichen Zugang zu umfassender und qualitativ hochwertiger Gesundheitsversorgung haben. Die Regionalen Gesundheitszentren, von denen es in Wien und Oberösterreich bereits erste Einrichtungen gibt, bieten genau das: umfassende medizinische Versorgung nah am Wohnort zu längeren Öffnungszeiten. Bis 2021 soll es österreichweit 75 Regionale Gesundheitszentren geben. Weitere Verbesserungen für unser Gesundheitssystem betreffen die Angleichung der Leistungen der Kassen nach oben, die Abschaffung von Selbstbehalten, den Ausbau psychotherapeutischer Versorgung, die Garantie für PatientInnen, dass sie dringend notwendige Untersuchungen ohne Wartezeiten erhalten, sowie weitere strukturelle Innovationen im Dienste der PatientInnen und ÄrztInnen. Die SPÖ steht für ein modernes, effizientes, qualitativ hochwertiges und solidarisches Gesundheitssystem, auf das man sich verlassen kann. Unser Ziel ist es, weiterhin erstklassige Medizin für alle zu gewährleisten. Hier darf nicht gespart werden!
ÖVP, BM Sebastian Kurz
Europa-, Integrations- und Außenminister
1 Wir sind Spitzenreiter bei den Ausgaben im Gesundheitssystem, aber nur im Mittelfeld bei den Ergebnissen. Es gilt daher, die Steuerungs- und Finanzierungssysteme zu überarbeiten – es soll gleiches Geld für gleiche Leistung geben. Weiter wollen wir durch eine Aufwertung der Hausärzte und Primärversorgungszentren die wohnortnahe Versorgung absichern und Spitalsambulanzen entlasten. Und wir müssen vor allem in die Vorsorge investieren, da so Kosten langfristig gesenkt werden.
2 Die Leistung im Gesundheitssystem muss dort erbracht werden, wo sie am effizientesten passieren kann. Die Spitalsambulanzen sollten sich daher enger mit den Hausärzten im Umkreis vernetzen. Außerdem brauchen wir bessere Informationen darüber, mit welchen Beschwerden man den Hausarzt aufsuchen und bei welchen man besser gleich in die Ambulanz gehen sollte.
3 Wir haben ein klares Bild, in welche Richtung sich unser Gesundheitssystem ändern soll. Ärztinnen und Ärzte sind dabei ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt. Wir müssen sie von bürokratischen Hürden befreien, sodass der Patient wieder mehr im Mittelpunkt ihrer Arbeit stehen kann. Außerdem sollen Hausärzte gerecht entlohnt und durch eine eigene Fachrichtung aufgewertet werden. Für Jungärztinnen und -ärzte wollen wir Landarzt-Stipendien ermöglichen, um so den niedergelassenen Bereich zu stärken und die Spitäler zu entlasten.
FPÖ, NAbg. Dr. D. Belakowitsch
Vorsitzende Gesundheitsausschuss
1 Wir schlagen ein 200-Millionen-Euro- Förderpaket vor, das Jungmedizinern ermöglicht, Praxen zu übernehmen/neu zu errichten und Sozialversicherung und Gesundheitsministerium müssen Lehrpraxen entsprechend fördern. Die Medizin-Unis sind finanziell und organisatorisch wieder in die Lage zu versetzen, den Bedarf an österreichischen Absolventen zu decken. Wir fordern einen verbindlichen Masterplan, der eine echte Berufslaufbahnplanung für Jungmediziner sowie ein attraktives Rückkehrticket für österreichische Auslandsmediziner umfasst.
2 Nein. Es braucht vielmehr eine moderne Aufgabenverteilung. Der niedergelassene Bereich muss in die Lage versetzt werden, seinen Versorgungsauftrag vor Ort zu erfüllen. Dazu braucht es mehr und faire leistungs- und aufgabenorientierte Kassenverträge. Durch Ärzte- GmbHs und die Möglichkeit, dass Ärzte Ärzte anstellen dürfen, soll eine flexiblere Versorgungsstruktur geschaffen werden, die vor Ort die notwendige Angebotsbreite durch den niedergelassenen Bereich ermöglicht. Das würde den Spitalsbereich entlasten.
3 Die FPÖ ist die einzige Partei, die für den freien Beruf des Arztes einsteht und ihn politisch gegen die Machtansprüche der Sozialversicherungen und des Gesundheitsministeriums schützen wird. Wir verwehren uns gegen das rotschwarze DDR-System der Primärversorgungszentren, das auf eine Totalverstaatlichung des Gesundheitssystems hinausläuft, um Ärzte zu reinen Befehlsempfängern der Sozialversicherungsträger zu machen.
Die Grünen, Ulrike Lunacek
Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments
1 Die Finanzierung der Gesundheit aus einem Topf ist besonders wichtig. Die derzeitige Situation, Mittel aus der Sozialversicherung und aus den Ländertöpfen einmal für niedergelassene ÄrztInnen und einmal für Spitäler und Ambulanzen aufzuwenden, führt zu einer teuren Fehlversorgung am Bedarf der PatientInnen vorbei. Uns Grünen ist die gemeinsame Versorgungsplanung von stationärem und niedergelassenem Bereich wichtig, wo der Mensch im Mittelpunkt steht.
2 Überdies wünschen wir uns den Ausbau der wohnortnahen Primärversorgungseinheiten, die viele Ambulanzleistungen übernehmen können, wie etwa Nachkontrollen. Damit werden die Ambulanzen automatisch entlastet. Diese neuen Zentren werden attraktivere Öffnungszeiten anbieten, da braucht es keine – sozial ungerechten – Ambulanzgebühren. Schließlich wollen wir eine Vereinheitlichung der Krankenversicherungsleistungen auf hohem Niveau: Wenn wir die Zusammenlegung auf eine Krankenversicherung schaffen, können Leistungen harmonisiert und damit auch die Effizienz gesteigert werden.
3 Uns Grünen ist es ein Anliegen, die Position von ÄrztInnen sowohl in Spitälern als auch in den Ordinationen zu stärken. Das heißt zum Beispiel, die Bedingungen für Landärztinnen zu verbessern – vom Einkommen über Arbeitszeiten bis hin zu leichteren Kooperationsmöglichkeiten.
NEOS, NAbg. Gerald Loacker
Gesundheitssprecher der NEOS
1 Mit einer bundesweiten Spitalsplanung und Sanktionen bei Nichteinhaltung der Zielsteuerungsverträge gehören die Bundesländer an die Kandare genommen. Der Föderalismus versenkt zu viel Geld, das letztlich nie beim Patienten ankommt. Zusätzlich müssen die Strukturen beinhart ausgeholzt oder den Menschen Wahlfreiheit bei der Versicherung gegeben werden. Mit 18 Krankenversicherungsträgern und 15 KFA unterhalten wir eine hypertrophe Struktur, die SPÖVP-Parteigänger durchfüttert.
2 Wir können uns eine Art Ambulanzgebühr vorstellen. Wer ein Spital aufsucht, obwohl weder ein akuter Notfall noch eine Überweisung vorliegt, soll dafür zahlen. Das soll einen Anreiz schaffen, niederschwellige Angebote im niedergelassenen und ambulanten Bereich wahrzunehmen. Das spart Kosten und schafft Ressourcen für die Menschen, die wirklich dringend ins Spital müssen.
3 Unser Einsatz für das Recht auf Anstellung von Ärzten bei Ärzten spricht ebenso für NEOS wie die Anstrengungen, Verschwendung in der Sozialversicherung aufzuzeigen. Uns ist es gelungen, dem Hauptverband das Eingeständnis zu entlocken, dass ein Arzt mit den Kassenleistungen maximal eine Kostendeckung erwirtschaften kann. Mit der parlamentarischen Arbeit liefert NEOS den Ärzten gute Argumente für eine starke Verhandlungsposition im Gesundheitswesen.
FLÖ, LAbg. Dr. Karl Schnell
Spitzenkandidat Salzburg (FPS), 2. Platz Freie Liste Ö
1 Abschaffung der Mehrklassenmedizin durch Stärkung niedergelassener Haus- & Fachärzte sowie Erhalt von BKH. Niedergelassene Ärzte am Land und in benachteiligten Stadtgebieten: Einkommensgarantie mit Anpassung des Honorarkatalogs. Abschaffung familien- und frauenfeindlicher Kassenverträge. 2. Präventionsprogramme als Teilaspekt der Altersmedizin. Abgestufte medizinische Versorgung, um Stellenwert der Geriatrie zu verbessern. Multiprofessionelle medizinische Leistungen unter Einbindung verschiedener Berufsgruppen. 3. Zeitnahe State-of-the-Art-Versorgung akuter medizinischer Krankheitsbilder.
2 Zugangsregelungen sind notwendig. Stärkung des niedergelassenen Bereichs mit angepasster Honorierung und nicht quartalsmäßiger Bestellung von bekannten Patienten zu Verlaufsuntersuchungen, sodass Wartezeiten für dringliche Krankheitsbilder drastisch reduziert werden können.
3 siehe Punkt 1, weiters: Möglichkeit der Anstellung von Ärzt/innen durch Ärzt/innen sowie Schaffung von Kooperationsmodellen. Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Menschen mit Betreuungspflichten (Mütter, Väter), geregelte Bezahlung der gesetzlich vorgeschriebenen Lehrstellenpraxis, verstärkte Einbindung und Aufwertung des Krankenpflegepersonals, insbesondere im Spitalsbereich Fokussierung auf medizinisch-ärztliche Leistungen mit Reduzierung von Verwaltungsaufgaben.
KPÖ, Dr. Mirko Messner
Bundessprecher der KPÖ
1 Derzeit Zwei- bzw. Mehr-Klassen-Medizin, Arbeitsdruck auf Beschäftigte im Pflege- und Gesundheitsbereich steigt. Gestrichen wird, wo es nur geht. KPÖ PLUS engagiert sich für gute Gesundheit für alle statt Profitemacherei. Schwerpunkte: Sicherstellung einer ausreichenden öffentlichen Finanzierung (z.B. Streichung der Höchstbemessungsgrundlage für KV-Beiträge), Stärkung der AN-Vertretung im SV-Selbstverwaltungssystem, ausreichende psychotherapeutische Versorgung/kostenloser Zugang.
2 Ja, Ordinationen niedergelassener Ärztinnen und Ärzte direkt im Spitalsbereich (Triage-Funktion, auch am Wochenende). Erfahrungen von Spitälern aus München zeigen: Dieses Modell kann funktionieren. Wichtig ist räumliche Nähe der Ordinationen zu den Spitälern für unkomplizierten und niederschwelligen Transfer.
3 Wir finden: Zugang für alle zu hochwertiger medizinischer Versorgung, Recht auf menschenwürdige Betreuung. Aber Gesundheit hört nicht bei Krankenhaus/Pflege auf: Wir setzen uns für eine Gesellschaft ein, in der alle ein gesundes Leben ohne Stress und Armut führen können. Entstigmatisierung von psychischen Krankheiten und neuer Umgang mit Sucht und Drogenpolitik. Langfristig: Symptome neoliberaler Politik bekämpfen, Transformation zu einer Gesellschaft, in der Bedürfnisse der Menschen mehr zählen als Profitinteressen. Österreich braucht neue soziale Kraft.
G!LT, Roland Düringer
Kabarettist, kandidiert selbst nicht
1-3 Bei G!LT handelt es sich um eine Idee, die Entscheidungsfindung neu gestalten will. KandidatInnen haben bei G!LT keine Bedeutung. Wir wollen eine Änderung des politischen Systems bewirken und das, ohne dabei Gesichter in den Mittelpunkt zu rücken. Daher können und werden wir keine inhaltlichen Positionen zu Themen einnehmen. Weitere Informationen zu unserem politischen Programm finden Sie unter: https://www.gilt.at/wpcontent/uploads/2017/06/Gilt_Offene_Demokratie.pdf
Teresa Roscher
Nationalratskandidatin der Liste Pilz
1-3 Meine Schwerpunkte sind u.a. die Bekämpfung von Personal- und Finanzmangel, Pflege und Betreuung und Palliative Care. Ich werde mich dafür einsetzen, dass die Zahl der Pflege- und Betreuungskräfte in den nächsten 10 Jahren um 2000 Personen jährlich erhöht und finanziert wird, um den steigenden Pflegebedarf bestmöglich aufzufangen und um die Krankenanstalten zu entlasten. Dabei ist der Ausbau von Primär- und Regionalversorgungszentren ein wichtiges Vorhaben. Hier steht zum einen die raschere Versorgung der Patienten, zum anderen die Entlastung von Spitalsambulanzen im Vordergrund. Gesundheitsprävention muss in den Fokus gestellt werden, denn die Folgekosten sind für das österreichische Gesundheitssystem sehr hoch. In Prävention muss daher noch mehr investiert werden. Wir benötigen nicht nur ein qualitativ hochwertiges Gesundheitssystem, wir brauchen vor allem eines, das funktioniert. Die Entlastung des Personals ist dabei ein zentraler Punkt. Als „Quereinsteigerin“ in der Politik will ich mich für Lösungen einsetzen, die sowohl das System verbessern als auch Rücksicht auf die Interessen des Personals nehmen.
Die Weißen (Spitzenkandidatin Isabella Heydarfadai) verwiesen auf ihr Programm: „Das Recht geht vom Volk aus. Wir alle entscheiden in Österreich. Die Volksbewegung.
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