4. Okt. 2017

Pathologen wollen weg vom CSI-Image

Foto: Spondylolithesis/iStockDie moderne Pathologie leistet viel für lebende Patienten. Das will die Fachgesellschaft aufzeigen. (Medical Tribune 38/2017)

Nicht nur die Allgemeinmedizin und die Psychiatrie haben Nachwuchssorgen. Auch die Pathologen werden zunehmend von Zukunftsängsten geplagt. Denn während die klinische Bedeutung ihres Fachs wohl größer sein durfte denn je, gehe es sich mit dem Nachwuchs derzeit „gerade noch aus, aber es ist wirklich an der Grenze“, bedauert Univ.-Prof. Dr. Gerald Höfler, Vorstand des Instituts für Pathologie an der Med Uni Graz und Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Pathologie. Mit einer „Junior Academy“ und Ausbildungsschecks versuche man gegenzusteuern.

Auch finanziell werde es zunehmend eng, warnt Past-President Prim. Univ.- Prof. Dr. Martin Klimpfinger, Pathologisch-bakteriologisches Institut, SMZ Süd: „Während wir auf der einen Seite gerade erleben, dass die Errungenschaften jahrzehntelanger Grundlagenforschung endlich bei den Patienten ankommen, erleben wir auf der anderen, dass die Politik dabei ist, diese Fortschritte gleich wieder zunichte zu machen.“ Er bemängelt, dass überall im Land Stellen gestrichen worden seien und die Pathologie zunehmend zentralisiert und auf einige Uni-Institute reduziert worden sei. Vor allem „in den Bundesländern“ ortet er bereits „große weise Flecken in der Versorgung“.

Als Maßnahme zur Bewusstseinsbildung in der Öffentlichkeit und bei potenziell an dem Fach interessierten Studierenden hat sich das Fachgebiet einen Imagewandel verordnet. Höfler legt großen Wert darauf, das Bild der Pathologie „nicht bei CSI oder noch langweiligeren Dingen wie Obduktionen zu belassen“ und stattdessen zu vermitteln, „was die Pathologie leisten kann“. Und zwar für die Lebenden: Schnellschnitte geben beispielsweise bei unklaren Ovarialtumoren intraoperativ Orientierung, wie ausgedehnt der Eingriff erfolgen muss, der molekulargenetische Nachweis bestimmter Mutationen in Tumorgewebe liefert die Basis, auf der Onkologen eine Therapieentscheidung treffen können, und die Liquid Biopsy etabliert sich zunehmend in der Verlaufskontrolle von Tumorerkrankungen unter bestimmten Therapien. Damit sind Pathologen auch aus Tumorboards nicht mehr wegzudenken.

Die Bedeutung der pathologischen Diagnostik im Bereich Immunonkologie veranschaulicht Klimpfinger am Beispiel des metastasierten Dickdarmskarzinoms. Ein monoklonaler Antikörper ist verfügbar. Doch dieser wirkt nur bei der Hälfte der Patienten, die anderen 50 Prozent kamen aufgrund einer bestimmten Mutation nicht für die Therapie infrage, erklärt Klimpfinger und rechnet vor: „Therapien mit monoklonalen Antikörpern kosten zwischen 20.000 und 30.000 Euro, die Bestimmung der Mutation zwischen 300 und 600 Euro.“ Dabei gehe es jedoch nicht nur um finanzielle Aspekte, halt der Pathologe fest: „Wenn man dem, der die Mutation hat, den Antikörper gibt wegen einer falschen oder fehlenden Diagnostik, dann hat der Patient nur die Nebenwirkungen, aber nicht die Hauptwirkung.“

Dass die Pathologie auf der einen Seite „hervorragende wissenschaftliche Ergebnisse“ erziele, die auch beim Patienten ankommen, gleichzeitig aber die Zukunft „bei den Sparmaßnamen, die jetzt einsetzen“ nicht gesichert sei, hält Klimpfinger für „moralisch nicht vertretbar“ und „unverantwortlich“. Gerade das von den Pathologen selbst so ungeliebte „CSI-Image“ sei hinderlich, wenn es darum geht, die Finanzierung sicherzustellen, denn, so Klimpfinger: „Viele sagen, wenn schon die Ressourcen knapp sind, dann sparen wir lieber bei der Pathologie als bei der inneren Medizin.“ Nicht ganz ohne Augenzwinkern fügt er hinzu: „Wir können auch kein liebes Kind auf den Arm nehmen wie die Kinderchirurgen und die Pädiater.“

Pressegespräch; Wien, September 2017

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune