Ambulanz für Menschen mit Mehrfachbehinderung

Die Ambulanz für mehrfachbehinderte Patienten im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Wien ist umgezogen und überlegt auch eine zeitliche Ausweitung ihres Angebots. (CliniCum 09/17)

„Menschen mit Mehrfachbehinderungen einen gleichwertigen und unkomplizierten Zugang zum Gesundheitswesen und zur klinischen Gesundheitsversorgung zu gewährleisten ist für mich ein ganz besonderes Anliegen“, sagte die Wiener Gesundheitsstadträtin Sandra Frauenberger anlässlich eines ersten Bilanzgespräches zum erfolgreichen Aufbau einer ganz speziellen Ambulanz im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder. Schließlich hätten diese Menschen „das gleiche Recht auf eine gute Gesundheitsversorgung wie Menschen ohne Behinderung“, ergänzte Frauenbergers Projektpartnerin Mag. Ingrid Reischl, Obfrau der Wiener ­Gebietskrankenkasse. Jeden Mittwochnachmittag versorgt ein Internist gemeinsam mit Pflegepersonen, einer Psychologin und ehrenamtlichen Mitarbeitern (unter an­derem einem Sozialarbeiter) in dieser Spezialklinik mehrfachbehinderte Patienten.

Viele von ihnen kommen aufgrund chronischer Erkrankungen regelmäßig ins Haus. Für Patienten, Betreuungspersonen oder auch Angehörige ergibt sich aus dem multiprofessionellen Ansatz der große Vorteil, dass auch komplexere Erkrankungen fächer- und berufsgruppenübergreifend behandelt werden können. Durch das hauseigene Labor, die Radiologie und im Bedarfsfall das Vorhandensein einer anästhesiologischen Betreuung können Behandlungswege und -zeiten kurzgehalten werden. Dadurch ist der Ambulanzbesuch weniger belastend.

Ebenso erforderlich sei ein „behutsamer Umgang mit den Patienten“, erläutert Dr. Katharina Reich, Ärztliche Direktorin des Krankenhauses: „Beeinträchtige Menschen haben häufig Angst vor einem Arztbesuch. Denn eine fremde Umgebung verunsichert sie und kann zu Panik führen. Das alles können sie jedoch oft verbal nicht ausdrücken. Wir nehmen uns daher viel Zeit für die Behandlungen, machen, falls notwendig, auch Pausen, lachen miteinander und reden vor allem viel mit den Patienten. Das beruhigt sie, und wir konnten so schon oft eine Untersuchung durchführen, die anfangs unmöglich erschien.“

„Herzensangelegenheit“

Sämtliche Mitarbeiter machen die Ambulanzdienste zusätzlich zu ihrer „normalen Arbeitszeit“, erzählt Reich, für sie alle wäre es schließlich eine „Herzensangelegenheit. Wir schauen in dieser Ambulanz nicht auf die Uhr, wollen unseren Patienten die Zeit bieten, die sie brauchen“, das erfordere eben viel „Geduld, Empathie und Einfühlungsvermögen“. An einem Nachmittag werden daher meist weniger als zehn Patienten betreut. Um den steigenden Bedarf Rechnung zu tragen, wurden vor Kurzem neue Räumlichkeiten im Krankenhaus bezogen, die nicht nur mehr Platz und Rückzugsmöglichkeiten anbieten, sondern auch eine ruhigere Atmosphäre schaffen.

Geprüft werde derzeit auch die Ausweitung des Angebots auf einen zweiten Wochentag. Dazu müssten aber noch wesentliche organisatorische und finanzielle Fragen mit den Projektpartnern geklärt werden, bleibt Reich zurückhaltend, hofft aber auf offene Ohren bei Politik und Krankenkassen. Die Ambulanz für Menschen mit Mehrfachbehinderung wurde 2011 gegründet und hat bislang schon weit mehr als 400 Patienten behandelt. 2015 wurde sie als offizielles Projekt der Landeszielsteuerung anerkannt und erhält seither eine entsprechende finanzielle Unterstützung. Stadt Wien und Gebietskrankenkasse gemeinsam stellen dafür bis 2018 insgesamt 260.000 Euro zur Verfügung.

 

GeKo: Gesundheit und Kommunikation

Um Personen mit intellektueller und Mehrfachbehinderung medizinisch, pflegerisch und therapeutisch gut ­betreuen und behandeln zu können, bedarf es inten­siver Kommunikation und der Zusammenarbeit aller Beteiligten. Dazu gehört unter anderem die einfache Weitergabe relevanter Informationen für die Behandlung. Unter dem Projektnamen GeKo (steht für Gesundheit und Kommunikation) werden unter anderem in der Spezialklinik der Barmherzigen Brüder eigens konzipierte Pässe und Mappen angeboten, in denen die wichtigs­ten Informationen über die Patienten gesammelt werden. Berücksichtigt werden hierbei aber nicht nur me­dizinische Informationen, sondern auch Informationen zur Person, zu ihren Kompetenzen und besonderen ­Bedürfnissen.