Dr. Pichlbauer: Haben Kassen die Hausärzte ruiniert?

Kassentarife für Hausärzte sind mittlerweile so niedrig, dass eine Ordi ohne Hausapotheke oder Einnahmen aus dem kassenfreien Raum kaum zu führen ist. Aber wer hat das zu verantworten? Seit Jahrzehnten laufen Honorar-Verhandlungen in etwa so ab: Kassen teilen Ärztekammern mit, dass eine soundso hohe Einnahmensteigerung erwartet wird, was soundso viel MEHR für die Honorarsumme bedeutet. Das gilt es aufzuteilen. Zuerst Labor und Bildgebung – die Fächer sind den Kassen wichtig, weil teuer –, danach der Rest.

Die Gelder werden nun aber nicht nach medizinischer Notwendigkeit verteilt, sondern nach Fächern. Also welches Fach soll wie viel vom Kuchen kriegen? Wurde das festgelegt, werden anhand des Honorarkatalogs und der Leistungszahlen (wer erzielt mit welche Leistungen welche Umsätze?) Tarife so lange angepasst, bis die erwünschte Verteilung eingetreten ist. Honorarkataloge sind also abstrakte Verteilungsinstrumente, die konkret oft Absurdes gebären.

EKG mit 12 Ableitungen

Nehmen wir das EKG mit 12 Ableitungen. Mehr als diese Überschrift und einen Geldbetrag findet man meist nicht. Wenn ein Hausarzt ein EKG bei einem Hausbesuch schreibt, führt das bei einem NÖGKK-Versicherten zu 53 Euro Umsatz bei einem StGKK-Patienten zu 13,44 Euro. Das heißt nicht, dass der Steirer weniger verdient, andere Honorarpositionen können ja höher sein, es zeigt aber, dass „EKG mit 12 Ableitungen“ dazu dient, zugedachte Mittel zu verteilen, nicht konkrete Leistung zu bezahlen.
Nach Jahrzehnten solcher Honorar-Verhandlungen verdienen Fachärzte (ausgenommen Kinder-) pro Stunde (netto) um 60 Prozent mehr als Allgemeinmediziner. Und wer hat das zugelassen?

Nein, Kassen waren das nicht! Wenn die sich einmischten, dann nur bei Labor und Bildgebung. Den Rest haben sie den Ärztevertretern überlassen. Wenn Dr. J. Steinhart (Wiener Urologen gehören zu den bestverdienenden Österreichs) nun fordert: „Ziel muss sein, dass die Tarife der Allgemeinmediziner an jene der Fachärzte angeglichen werden“, frage ich mich: Wer hat die Kammerfunktionäre der letzten Jahrzehnte gehindert, das umzusetzen?

Dieser Beitrag erschien auch im Printmagazin Medical Tribune