Lobbyisten für die Allgemeinmedizin
Dr. Christoph Dachs setzt auf eine gute Vernetzung seiner Praxisgemeinschaft mit Dr. Doris Dieß in der PHC-Region Tennengau. Und er will in der Lehrpraxis den Nachwuchs für die Hausarzttätigkeit begeistern. (Medical Tribune 30-34/2017)
Rif wächst stetig: Fast 4000 Menschen leben heute in diesem Halleiner Stadtteil. Die Infrastruktur konnte kaum mit der raschen Entwicklung Schritt halten. Das zeigt sich auch am Patientenaufkommen der Praxisgemeinschaft für Allgemeinmedizin, die Dr. Christoph Dachs seit Jänner 2010 gemeinsam mit seiner Kollegin Dr. Doris Dieß hier führt. „Meine Arbeitszeit hat sich nicht verkürzt“, zieht Dachs, der zuvor „Einzelkämpfer“ in der Ordination war, im Gespräch mit der Medical Tribune Bilanz. „Zu Beginn konnte ich zwar Patienten an meine Kollegin abgeben und die Fülle der Patienten so etwas reduzieren. Doch das hat sich mittlerweile wieder egalisiert, weil unsere Vorstadtpraxis – gelegen zwischen Hallein und der Stadt Salzburg – so floriert.“ Beide Allgemeinmediziner arbeiten mit einem eigenständigen, vollen Kassenvertrag. „Vorteile der Praxisgemeinschaft ergeben sich vor allem daraus, dass wir Räumlichkeiten, Personal und Geräte gemeinsam nutzen können“, hebt Dieß hervor. „Im Falle von Urlaub, Fortbildung oder Krankheit können wir uns gegenseitig vertreten.“
Die Umwandlung in eine Gruppenpraxis ist angedacht
Wegen der Abrechnungsmodalitäten müssen sich die Patienten derzeit quartalsweise für einen der beiden Hausärzte entscheiden. Das würde sich ändern, wenn die Praxisgemeinschaft in eine Gruppenpraxis umgewandelt wird. „Wir streben das ab 1.1.2018 an, sind aber noch in Verhandlungen“, verrät Dachs, der auch Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (ÖGAM) und Lehrbeauftragter der Paracelsus-Universität Salzburg ist. Die größten Veränderungen wären: Für Gruppenpraxen gibt es einen Gesamtvertrag und ein Gesamthonorar für die erbrachten Leistungen, welches intern aufgeteilt werden muss. Und: Die Gruppenpraxis muss 52 Wochen im Jahr zwischen 35 und 43 Stunden wöchentlich geöffnet sein.
„Schon jetzt haben wir lange Öffnungszeiten, die gut aufeinander abgestimmt sind. Wenn wir jedoch die Ordination übers ganze Jahr offen halten müssen, brauchen wir mehr Personal“, schildert Dachs die wirtschaftlichen Überlegungen. „Im Moment sind wir am Rechnen, ob sich das rentiert. Ich möchte finanziell zumindest nicht schlechter aussteigen als bisher!“ Von der Praxisstruktur her ließe sich die Umwandlung in eine Gruppenpraxis relativ rasch umsetzen: „Nach den bisherigen Beratungen würde es eher eine GmbH denn eine OG werden.“
Gesundheitsnetzwerken in PHC-Region Tennengau
Ob sich Dachs, in dessen Ordination bereits zwei diplomierte Gesundheits- und Krankenschwestern angestellt sind, vorstellen könnte, auch eine PHC-Einrichtung zu führen? „Meine Kollegin und ich wollen eine gute, integrierte Gesundheitsversorgung bieten, wie sie auch unter dem aktuell überstrapazierten Begriff Primary Health Care zusammengefasst wird“, stellt Dachs klar. Das heiße aber nicht, dass die Ordination zu einem „Zentrum“ ausgebaut und noch mehr Gesundheitspersonal anstellt werden soll. Vielmehr setze man auf eine gute Vernetzung in der PHC-Region Tennengau. Es gibt hier bereits seit 1998 ein Gesundheitsnetzwerk, zu dem sich 29 Träger aus unterschiedlichsten Bereichen der Gesundheitsversorgung zusammengeschlossen haben und das österreichweit Vorzeigecharakter hat.
„Für Wundmanagement eine eigene Schwester in der Ordination anzustellen, rentiert sich oft nicht, weil manchmal viel, dann aber wieder gar kein Bedarf besteht“, sagt Dachs. Deshalb seien Wundmanager, Physio-, Ergo- und Psychotherapeuten, Sozialarbeiter und Vertreter anderer Gesundheits- und Sozialberufe im Gesundheitsnetzwerk Tennengau beschäftigt. Bei Bedarf können sie von den Ärzten der Region für Visiten abgerufen werden. „Dadurch muss der einzelne Arzt nicht zu viel Personal selbst handeln, was ja nicht nur mit Mehrkosten verbunden ist, sondern auch mehr Administration mit sich bringt. Da beißt sich manchmal die Katze in den Schwanz!“ Im PHC-Zentrum Enns gebe es einen eigenen Praxismanager in Vollzeitanstellung, um so viele Mitarbeiter zu verwalten.
Den Nachwuchs für das Fach begeistern
Die Praxisgemeinschaft Dieß und Dachs ist auch offizielle Lehrpraxis der PMU Salzburg und der Unikliniken Innsbruck und Wien. Das bedeutet, dass Studenten im Rahmen des Praktikums tageweise oder im Rahmen einer Famulatur wochenweise anwesend sind. Und dass junge Kollegen nach Beendigung des Studiums sechs Monate des Turnus hier absolvieren können. „Es ist natürlich ein Aufwand“, erklärt Dachs. „Man ist verantwortlich, muss sie erst kennenlernen. Wir lassen die jungen Kollegen dann immer mehr an die lange Leine, bis sie fähig sind, Patienten selbstständig zu behandeln. Das funktioniert in der Regel gut und macht den Lehrpraktikanten viel Spaß!“
Die Lehrpraxis sei aber auch eine Bereicherung für den Berufsalltag der Ausbildenden: „Es ist eine Win-win-Situation. Abgesehen davon, dass wir in der Ordination unterstützt werden, lernen wir viel von unseren Schützlingen, von deren frischem akademischen Wissen.“ Dachs bezeichnet sich selbst als „Lobbyist für die Allgemeinmedizin“, weil sie „das breiteste und spannendste Fach“ ist. Umso mehr bedauert er, dass die Allgemeinmedizin im Studium und in den Spitälern nach wie vor oft „herunter gemacht“ wird. „Wir wollen den Nachwuchs in der Praxis für das Fach begeistern“, sagt er und berichtet von zwei KPJ-Studierenden, die bereits angefragt haben, ob sie noch einmal für vier Wochen kommen können, „weil ihnen das Praktikum so gut gefallen hat“.
Salzburg ist österreichweites Vorbild für eine praxisgerechte, fair bezahlte und professionelle Ausbildung in der Lehrpraxis. Ein entsprechendes Projekt der Salzburger Initiative Allgemeinmedizin (SIA) lief seit 2012 erfolgreich und soll im Herbst in die neue Ausbildung überführt werden. Es umfasst im Wesentlichen drei Säulen: Mentoring, Lehrpraxis und Seminare.
Mentoring: In Vorbereitung auf die sechsmonatige Lehrpraxis bekommen die Studierenden gegen Ende der Ausbildung einen Mentor zugewiesen, an den sie sich bei Fragen wenden können. In regelmäßigen Treffen werden z.B. Fälle aus dem Krankenhaus aus einer allgemeinmedizinischen Sichtweise analysiert oder Themen für die weitere Karriereplanung besprochen.
Lehrpraxis: Meist absolvieren die jungen Kollegen dann die Lehrpraxis in der Ordination ihres Mentors. Sie bleiben während der sechs Monate im Krankenhaus angestellt und werden quasi 32 Stunden die Woche an die Lehrpraxisleiter „abgegeben“. Die restliche Arbeitszeit sind sie verpflichtet, mit Diensten im Krankenhaus abzudecken. Dafür bekommen sie ein volles Gehalt.
Seminare: Die Teilnehmer haben die Möglichkeit, acht bis neun Mal pro Jahr ganztätige Seminare zu allgemeinmedizinischen Themen zu besuchen. Dafür werden sie auch mittels zusätzlicher Fortbildungstage vom Spitalsdienst freigespielt. Die Finanzierung erfolgt in Salzburg durch einen eigenen Fonds, der von der Landesregierung und der Salzburger Gebietskrankenkasse zur Verfügung gestellt wird.
Die Salzburger Initiative Allgemeinmedizin arbeitet aktuell daran, ein österreichweites Projekt aufzusetzen, mit dem Ziel, dass die Ausbildung von Allgemeinmedizinern in Zukunft strukturierter und österreichweit vergleichbar erfolgt. Es bleibt zu hoffen, dass sich in allen Bundesländern Financiers finden. Dabei geht es um keine Unsummen. Ein Beispiel: In drei Jahren kosten die neun Seminare um die 15.000 Euro.
https://sagam.at/salzburger-initiative-allgemeinmedizin
Ordinationsgemeinschaft
Dr. Doris Dieß und Dr. Christoph Dachs
Rifer Hauptstraße 34, 5400 Hallein
Tel. +43/6245/76220
Internet: www.gesundheitsnetzwerk.at